Süddeutsche Zeitung

WM-Qualifikation im Basketball:Der Stolz der B-Auswahl

Lesezeit: 3 min

Ohne sämtliche NBA- und Euroleague-Spieler: Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft qualifiziert sich vorzeitig für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr. Dann wird für das Gros der erfolgreichen Spieler kein Platz im Team sein.

Von Ralf Tögel, Bamberg

David Krämer genoss sämtliche behördlichen Pflichten nach der Partie, der Basketballprofi der Braunschweiger Löwen schrieb ausdauernd Autogramme, ließ sich geduldig mit Fans ablichten. Dass Krämer so gefragt war, verwunderte nicht, der 25-jährige Guard war mit 19 Punkten Topscorer der deutschen Nationalmannschaft im Weltmeisterschafts-Qualifikationsspiel gegen Finnland.

Der 94:80-Erfolg war zumindest in dieser Souveränität nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Zum einen hatten die Finnen bei der EM im September, wo sie erst im Viertelfinales am späteren Europameister Spanien scheiterten, überzeugend aufgespielt - sie hatten das Turnier sogar auf Platz sieben beendet, unter anderem vor dem EM-Topfavoriten Serbien. Zum anderen hatte die deutsche Nationalmannschaft jetzt bei der Verabredung in der Bamberger Arena nicht mehr viel mit jener Auswahl zu tun, die bei besagter EM zuletzt als Bronzegewinner gefeiert wurde.

In Christian Sengfelder, neben Krämer mit ebenfalls 19 Punkten bester deutscher Werfer, Justus Hollatz und Jonas Wohlfarth-Bottermann standen gerade mal drei Bronze-Inhaber gegen Finnland auf dem Spielfeld - alle drei hatten beim Heimturnier noch Nebenrollen gespielt. Wohlfarth-Bottermann war nun erst kurz vor dem Spiel nachnominiert worden, denn Bundestrainer Gordon Herbert musste auch noch vier ursprünglich berufene Akteure wegen Krankheit oder Verletzung kurzfristig ersetzen. Somit zog eine B-Auswahl nach nur zweieinhalb Tagen Vorbereitung gegen einen hoch eingeschätzten Gegner auf das Parkett.

Die Finnen mussten zwar in Lauri Markkanen, der für die Utah Jazz in der NBA spielt, ihren überragenden Akteur ersetzen, hatten aber sieben EM-Fahrer auf dem Feld, waren also deutlich besser eingespielt als die Gastgeber. Bundestrainer Herbert hatte sich vorher entsprechend behutsam zu den eigenen Erwartungen geäußert, nun saß er in der Pressekonferenz und erläuterte breit lächelnd - was bei dem knorrigen Kanadier eher selten vorkommt -, wie stolz er auf seine Spieler sei.

Denn die hatten mit diesem Sieg die Teilnahme an den Weltspielen in Japan, Indonesien und auf den Philippinen im kommenden Sommer (25. August bis 10. September) vorzeitig gesichert. Es folgen noch drei Qualifikationsspiele am Montag in Slowenien sowie im Februar gegen Schweden und in Finnland.

Hebert war zu Recht stolz, denn seine zusammengewürfelte Auswahl hatte nur in der Anfangsphase Probleme, als die Skandinavier gegen die nervösen Gastgeber auf 9:3 wegzogen. Schon gegen Ende des ersten Viertels hatte Krämer mit seinem ersten erfolgreichen Dreier zum 22:19 die Finnen wieder eingefangen. Fortan fanden sich die Spieler immer besser zusammen. Dabei waren es vor allem die erprobten EM-Kräfte, die das Spiel weitgehend trugen.

Vor allem Hollatz, der sich beim spanischen Erstligisten Breogan hervorragend entwickelt, bot mit 18 Punkten und elf Vorlagen eine herausragende Leistung. Wohlfahrt-Botterman (neun Punkte) und Sengfelder ackerten in gewohnter Manier unter den Körben. Letztgenannter, in Bamberg auch in der Liga aktiv, hat seit der EM keinen einzigen Tag Pause gehabt und pflegt weiterhin zweistellig zu punkten. Wenn er denn spielen darf.

Aber es spielten sich eben auch andere in den Fokus, wie eben Krämer und auch der Ulmer Robin Christen (15). Den bezeichnete Bundestrainer Herbert als "Game Changer", der das Spiel mit seinen erfolgreichen Dreiern endgültig gewendet hatte - wohlgemerkt in dessen zweitem Einsatz für die A-Auswahl des deutschen Verbands. Der Ulmer Flügelspieler weiß natürlich, dass er sich kaum Chancen auf jenes Turnier ausrechnen darf, für das er gerade maßgeblich die Qualifikation gesichert hatte.

Die deutschen Profis sind selbst erstaunt, wie gut sie harmonieren

Dann nämlich sind die Stammkräfte aus Euroleague und NBA gefragt, die diesmal allesamt fehlten. Die NBA hat traditionell keinen Sinn für Qualifikationen irgendwelcher Verbände; die privat organisierte Euroleague streitet bezüglich dieser terminlichen Überschneidungen seit Jahren mit dem Weltverband Fiba. Für Akteure wie Christen ist das kein Problem: "Jeder, der da ist, hat extrem viel Lust", sagte er. Er sei selbst verwundert, "was hier passiert ist und wie gut es ausgesehen hat", fand Christen, angesichts der schmalen Vorbereitung und der neuen Formation. Routinier Bastian Doreth, der immer dann gefragt ist, wenn Dennis Schröder (Los Angeles Lakers) oder Maodo Lo (Alba Berlin) fehlen, befand: "Natürlich ist dann eine gewisse Enttäuschung da, aber wenn man das offen und ehrlich kommuniziert, dann ist das in Ordnung."

Auch Krämer, der sich so hervorragend präsentiert hatte, wollte nicht jammern. In den beiden jüngsten Qualifikationsspielen unmittelbar vor der Heim-EM war für ihn kein Platz im Kader, weil Trainer Herbert die erste Besetzung beisammen hatte und sich diese einspielen sollte. Er sei stolz auf die Kollegen, "was die Jungs bei der EM gezeigt haben", sagte der 25-Jährige, der einst für Ulm in der Bundesliga reüssiert hatte und nach Gastspielen bei den Bayern und in der Farmliga der NBA nun für die Braunschweiger Löwen in der BBL starke Leistungen zeigt.

Was er denn tun könne, angesichts von Konkurrenten wie Franz Wagner aus der NBA, den Euroleague-Kräften Andreas Obst, Isaac Bonga und Nick Weiler-Babb? "Immer 100 Prozent geben und zeigen, dass ich bereit bin", sagte Krämer. "Ich habe den Ehrgeiz, eines Tages dabei zu sein bei einem großen Turnier."

Dann schrieb er noch ein paar Autogramme.

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