Süddeutsche Zeitung

Basketball-Nationalteam:Wagner-Festspiele am Ostbahnhof

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In der WM-Vorbereitung der deutschen Basketballer genießt Franz Wagner gegen Kanada ein besonderes Heimspiel - zwei Nationalspieler erleben dagegen die Härten des Gerangels um die Kaderplätze.

Von Jonas Beckenkamp

Gordon Herbert hat bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr einmal die Qualitäten von Franz Wagner aufgezählt. Der Basketball-Bundestrainer ist kein Mensch des Überschwangs, also reihte er schlicht drei Attribute aneinander: Bescheiden sei Wagner, willensstark und simpel zu coachen. Keine schlechten Voraussetzungen für einen damals 20-Jährigen aus Prenzlauer Berg, dessen Karriere in Berlin bei Alba begonnen hatte - und ihm nun erneut ein Heimspiel in der Hauptstadt bescherte, diesmal mit der Nationalmannschaft im zweiten WM-Testspiel gegen Kanada.

Ein knappes Jahr ist seit Herberts Beschreibung des NBA-Mannes von den Orlando Magic vergangen und die finalen Szenen vom Mittwochabend boten als Fazit an: Wagner, mittlerweile 21, ist noch besser geworden, seine Rückkehr nach Berlin verlief genau nach Plan. Den siegbringenden Spielzug hatte Herbert nämlich in einer Auszeit präzise auf dem Taktikbrett aufgemalt. Und dann, 50 Sekunden vor Schluss: Dribbling Dennis Schröder, ein Block von Moritz Wagner, Pass zum freigelaufenen Franz Wagner, Dreier, drin. Am Ende stand ein 86:81, zweiter Sieg in der Vorbereitung - aber wichtiger als das Ergebnis war für Franz Wagner das Erlebnis.

"Es war sehr, sehr cool. Ich hatte ein paar Mal Gänsehaut, als ich hier herausgelaufen bin", sagte der Flügelspieler, dem in der Halle am Ostbahnhof viele Freunde und seine Familie auf den Rängen zuschauten. Erstmals ein Heimspiel in der Geburtsstadt gemeinsam mit Bruder Moritz im DBB-Trikot, über 12 000 Zuschauer - und dann auch noch Topscorer mit 18 Punkten samt Gamewinner. Da sprudelten die Gefühle, obwohl es ja nur ums Einspielen für die WM in Asien (25. August bis 10. September) ging. Egal, es kamen auch so Wagner-Festspiele zur Aufführung.

"Für Moritz war es das erste Spiel hier zurück", erklärte Franz Wagner, "deswegen war es auch für ihn sehr cool." Zudem fiel die Heimkehr ausgerechnet auf den Geburtstag des Vaters der Brüder. "Wir werden auf jeden Fall Papa noch ein bisschen feiern", freute sich Franz, der mit Moritz auch in den USA im selben Team spielt: in Orlando, wo sie sogar eine WG gegründet haben. Doch auch abseits des Trubels um die Wagners bot der Abend interessante Einblicke, denn es wurde sichtbar, wie die deutschen Basketballer in diesem Sommer die Welt erobern wollen.

Und zwar mit rasanten, variantenreichen Angriffen, die stets Optionen eröffnen für die Individualkönner in der Mannschaft. So zeigten diesmal Bayern-Schütze Andreas Obst seine Gefährlichkeit (15 Punkte), auch der erneut sehr fidele Daniel Theis (Indiana Pacers, 17 Punkte bei erneut exzellenter Trefferquote). Und Dennis Schröders einzigartiger Beschleunigung dürften ohnehin nur wenige Gegner etwas entgegenzusetzen haben. Der Kapitän (16 Zähler) piesackte die Kanadier mit Dribbelkreiseln, Distanzwürfen und umsichtiger Direktion. In Franz Wagner "und Dennis haben wir so etwas wie ein zweiköpfiges Monster", fand Herbert, der erlebte, wie sein Team auch eine verzwickte Phase nach der Pause wegsteckte.

Der Vertrag mit Bundestrainer Gordon Herbert wurde bis 2025 verlängert

Da zeigten die Kanadier, die mit reihenweise Prominenz aus der NBA das Parkett bevölkerten (unter anderem in Shai Gilgeous-Alexander, einem der besten Scorer der Liga), wo das DBB-Team noch verwundbar ist: In manchen Phasen kreuzt der Hang zum Herumdaddeln die Pläne. "Die erste Halbzeit war richtig guter Basketball von uns", fand Herbert, "der Ball wurde sehr gut bewegt, es war eine hohe Intensität in unserem Spiel." Dann habe man bei einem 13:0-Lauf der Gäste minutenlang gepennt - ein Symptom, das auch bei der Heim-EM ein noch besseres Ergebnis als Bronze verhindert hatte.

An ihrer Konstanz müssen die deutschen Basketballer also noch feilen, trotzdem "war es sehr wichtig für uns, uns da durchzukämpfen", sagte der Bundestrainer. Im Verband DBB genießt er großes Vertrauen, der Vertrag mit Herbert wurde nun vorzeitig verlängert, wie Präsident Ingo Weiss ("Er macht das exzellent") am Donnerstag mitteilte: Herbert soll das Nationalteam mindestens bis nach Ende der Europameisterschaft 2025 betreuen.

Nächste Chance, die Lernprozesse mit der Auswahl zu vertiefen, ist nun der Supercup in Hamburg am Wochenende. Dort tritt das Nationalteam gegen China (Samstag, 18.30 Uhr Magentasport) und erneut gegen Kanada oder Neuseeland (Sonntag) mit dem endgültigen Zwölferkader für die WM an. Denn am Donnerstagnachmittag teilte der Verband mit, dass Leon Kratzer (Paris Basketball) und Oscar da Silva (FC Barcelona) als letzte zwei Profis die Mannschaft verlassen. Der zuletzt angeschlagene Justus Hollatz (Olimpija Ljubljana) ist dagegen dabei - und wie Franz Wagner zuletzt in Berlin darf er nun ein Heimspiel bestreiten. Hollatz ist gebürtiger Hamburger.

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