Süddeutsche Zeitung

Basketball-Playoffs:Knurrige Bayern beißen zurück

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Aus der Halle von Jonas Beckenkamp

So intensiv die Recherchen auch ausfielen, Dennis Schröder war nicht zu finden. Der NBA-Basketballer von den Atlanta Hawks saß nicht in der ersten Reihe, er vertrieb sich nicht die Zeit im VIP-Raum und auf dem Klo hatte er sich auch nicht versteckt. Ungewöhnlich eigentlich, denn bisher war der Nationalspieler in dieser BBL-Finalserie so etwas wie ein Edelmaskottchen. Der Mann mit den buntesten Hip-Hop-Klamotten in der Halle - das konnte meist nur Schröder sein. Doch diesmal: Keine Spur von dem 21-Jährigen, der gerade auf Heimaturlaub durch Deutschland tingelt.

Er musste daheim bleiben und feststellen: Auch Berühmtheiten kriegen beim FC Bayern nicht immer spontan Zutritt zum Spektakel. So erzählte es Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic nach dem 83:73 (45:34) der Münchner in Spiel vier der Serie gegen Bamberg. "Er wollte fünf Plätze in der ersten Reihe. Aber unsere Halle ist heute geplatzt. Wir hätten 30 000 Tickets verkaufen können. Ich musste vielen anderen Prominenten ebenso absagen."

Hatten sie es Schröder beim Meister etwa übel genommen, dass er vor einigen Tagen seine Sympathien für die Brose Baskets geäußert hatte? "Nein, so eitel sind wir nicht", sagte Pesic, "aber vielleicht kennt Dennis das aus seiner Zeit in Braunschweig nicht, dass die Halle irgendwann einfach voll ist." Wer da Häme durchhörte, lag nicht ganz falsch. Dass die Bayern sich mit einem Basketballer beschäftigen, der überhaupt nichts mit dem aktuellen Geschehen zu tun hat, sagt schon einiges. Sie fühlten sich beschwingt von einem Spiel, das sie vollkommen dominiert hatten.

Auf Münchner Seite herrschte adrenalingetränkte Stimmung nach der neuerlichen Wendung einer Endspielserie, die jetzt in eine Alles-oder-Nichts-Schlacht in Bamberg mündet. Der Abend gestaltete sich genau so wie sich der Titelverteidiger das erhofft hatte: Eine "Energieleistung aller Beteiligten", wie Heiko Schaffartzik es nannte, führte dazu, dass es nun 2:2 steht. Dass das "Momentum", dieser feine Psychovorteil, jetzt auf Seiten der Bayern liegt. "Wir haben mit letzter Kraft gespielt, aber dieser Sieg bringt uns neue Energie", freute sich Trainer Svetislav Pesic. Er hatte seinen von der langen Saison geschlauchten Spielern die richtigen Kniffe mitgegeben. Wieder einmal.

Es war auch allerhöchste Zeit, denn sonst hätten die Gäste im Wohnzimmer der Münchner den Titel feiern können - "und das wollten wir unter allen Umständen verhindern", wie Schaffartzik erklärte. Anders als in den vergangenen beiden Partien verteidigten die Bayern diesmal wie ein Rudel knurriger Raubtiere, sie pflückten Rebounds aus der Luft wie Hunde auf der Jagd nach fliegenden Leckerlis. Und in der Offensive feierte plötzlich Spielmacher Vasilije Micić seinen Durchbruch in diesen Playoffs.

Der junge Serbe organisierte mit zahlreichen Pässen aus dem Veteranen-Seminar den Angriff - seine acht Assists und zwölf Punkte kamen ziemlich überraschend, nachdem er zuletzt kaum noch Spielzeit erhalten hatte. Aber Trainer Pesic fallen eben immer wieder neue Tricks ein. "Ich war ganz besonders motiviert, weil ich in der ersten Fünf stand", meinte Micić hinterher, der zudem noch als Defensivklette Bambergs Besten Brad Wannamaker (nur fünf Punkte) ordentlich piesackte. Mithalten konnten die Baskets diesmal nur im ersten Viertel, sie führten 19:13 - danach klappte bei ihnen immer weniger.

Die Meisterschaft vor Augen, verkrampfte die Mannschaft von Coach Andrea Trinchieri, der schon früh resigniert wirkte bei seinen Versuchen des Wachrüttelns. Er probierte es mit Fuchtelei nach Rumpelstilzchen-Art, mit Taktiktiraden und schließlich mit der Devise "nur der Dreier hilft" - doch dem folgten nur Darius Miller (21 Punkte) und der wieder einmal brillante Lette Janis Strelnieks (22). Vor allem unter den Körben konnten sich die Bayern austoben, 41:33 Abpraller standen am Ende auf dem Statistikzettel. Dort stand auch, dass allein Bayern-Center John Bryant 15 mal zugegriffen hatte - eine enorme Zahl und ein ebenso enormer Faktor für den Sieg der Münchner wie die 22 Punkte (sechs Dreier) von Bryce Taylor.

"So wie wir gespielt haben, reicht es nicht beim Titelverteidiger", räumte Trinchieri ein. Sein Gegenüber Pesic grinste derweil stolz in die Runde und nahm sich die Zeit, ebenfalls noch über Dennis Schröder zu sprechen. "Es ist doch super, dass er nicht im Urlaub verschwindet, sondern guten Basketball sehen will. Dass er nicht reingekommen ist, war aber sicher keine bewusste Aktion unseres Vereins." Nun ja, da gingen die Meinungen offenbar auseinander. Vielleicht bekommt der deutsche NBA-Mann ja eine Einladung für Spiel fünf in Bamberg am Sonntag im 15 Uhr. Es wird dann definitiv eine Meisterfeier eines der beiden Klubs geben. Dresscode Hip Hop nicht ausgeschlossen.

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