Süddeutsche Zeitung

Basketball:München statt Berlin

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Erfahrung und ein klares Profil: Der Wechsel von Niels Giffey zum FC Bayern bringt automatisch eine Kampfansage an Alba mit sich. Eines seiner Saisonziele ist aber auch, "europäisch gut auszusehen".

Von Christoph Leischwitz

Der Freistaat Bayern, ja, das sei schon irgendwie Ausland für ihn, sagt Niels Giffey lachend. Aber nach München zu gehen, nun ja, viele Freunde seien ja schon hier. Natürlich hatte der 31-Jährige lange überlegt, ob er diesen Schritt machen sollte. Auf die Frage, ob man als Berliner da nicht noch eine Weile darüber nachdenken muss, diesen Schritt zu machen, sagt Giffey ohne zu zögern: "Ja", und lächelt. Den Ausschlag gegeben hat dann einfach die "sportliche Perspektive, definitiv".

Niels Giffey, einer der EM-Helden, sitzt nach einem seiner ersten Trainings im Audi Dome, während ein paar seiner Kollegen Dreier schmeißen, er spricht von einem Sprung ins kalte Wasser, den er gerade vollzogen hat. Die Entscheidung, als waschechter Berliner zum großen Konkurrenten im Süden zu gehen, mag ein wenig brisant gewesen sein, aber so kalt war das Wasser in Wahrheit gar nicht. Denn der Grund, warum der FC Bayern ihn so kurzfristig geholt hat ist ja, dass Giffey mit allen Wassern gewaschen ist. Außerdem hat Bayerns Headcoach Andrea Trinchieri lange genug gewartet, seit acht Jahren wollte er Giffey in seinem Team haben, endlich also ist es gelungen.

"Manchmal ist es einfach gut, einen Spieler zu haben, der weiß, was zu tun ist, und der weiß, wie man es bewerkstelligt", sagt Trinchieri, ihm müsse man also nicht viel beibringen. "Die Erfahrung", sagt Giffey auf die Frage, was er den Bayern geben kann, "und ein relativ klares Profil, was ich sportlich geben kann." Außerdem sei er ein Typ, dem gute Stimmung in der Kabine wichtig ist, also bringt er sich auch diesbezüglich ein. "Ein team player", sagt Trinchieri folgerichtig, und je länger er über einen seiner Lieblingsspieler spricht, umso deutlicher wird: Es schien überhaupt keinen Nachteil zu haben, Giffey zu verpflichten.

Natürlich, die Empörung. Die Kampfansage an Berlin, die diese Verpflichtung automatisch mit sich bringt, ob man will oder nicht. Giffeys Debüt am vergangenen Donnerstag, ausgerechnet beim Auswärtsspiel gegen Alba Berlin. Die Pfiffe, die er da hörte, "die tun schon was mit einem", schließlich handelt es sich um seine Heimat, ein paar Freunde hätten jedoch zu ihm gesagt: "Es ist gut, ein Pflaster schnell runter zu reißen". Kurz und schmerzvoll fiel der Abschied aus, aber Giffey klingt nicht so, als ob da nun eine Narbe bleiben würde.

Auch nach der Bronzemedaille bei der EM hatte er in Berlin trainiert, um sich fit zu halten. Im spanischen Murcia absolvierte er nur vier Spiele, glücklicherweise, sagt er, hatte er eine Ausstiegsklausel, für den Fall, dass sich noch eine Tür Richtung Euroleague öffnet. Eines seiner Saisonziele sei es eben auch, "europäisch gut auszusehen", auch wenn seine Verpflichtung in Kombination mit den anderen deutschen Nationalspielern natürlich auch ein Statement in Richtung nationaler Vormachtstellung bedeutet.

Noch ein Grund für den Schritt war das langfristige Angebot, das die Bayern machten, "bis zum Saisonende hätte ich jetzt zum Beispiel nicht unterschrieben". Das erste und einzige Auslandsjahr in Kaunas war "durchwachsen", sagt er. Eine Saison, drei Trainer, ziemlich viel Kuddelmuddel, niemand war dort zufrieden, wie es lief.

"Er hilft einem Team offensiv wie defensiv, ohne selbst viel zu verlangen", sagt Trinchieri

Auch Trinchieri hatte natürlich gesehen, dass Giffey hinter den Erwartungen zurückblieb, aber der Italiener meint, man müsse ihm eben "seine Nische geben", dann könne er jedem Team helfen. Auf Nachfrage zeigt sich, dass das eine sehr große Nische ist: "Er spielt auf mehreren Positionen, er ist ein guter Schütze, er hat einen guten Instinkt für Rebounds. Er hilft einem Team offensiv wie defensiv, ohne selbst viel zu verlangen."

Es ist fair zu sagen, dass Trinchieri sehr hohe Erwartungen an Giffey hat, der sicherlich auch am kommenden Donnerstag gegen Olympiakos Piräus auf dem Feld stehen wird. Ist Giffey also ein entscheidender Faktor, Meisterschaften zu gewinnen? "Nein", sagt Trinchieri, "das wäre Steph Curry." Er werde mal anrufen und fragen, ob der NBA-Profi, der die Golden State Warriors zur Meisterschaft führte, zu haben ist. Aber er dürfte auch mit Giffey überzeugt sein, seinen Zielen ein bisschen näher gekommen zu sein.

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