Süddeutsche Zeitung

Australian Open:Wunsch nach Langeweile

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Überraschend erreicht die 30 Jahre alte Polin Magda Linette das Halbfinale in Melbourne und trifft auf die schlaggewaltige Belarussin Aryna Sabalenka.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Auf der Tennistour hat jeder Profi seine Geschichte. Magda Linette und Aryna Sabalenka zogen an diesem warmen Mittwoch in Melbourne ins Halbfinale ein. Für die Polin hat ihr 6:3, 7:5-Viertelfinalsieg gegen die Tschechin Karolina Pliskova indes eine ganz andere Bedeutung als für die Belarussin, die sich mit 6:3, 6:2 gegen die Kroatin Donna Vekic durchsetzte. Linette ist im etwas reiferen Alter von 30 Jahren bereits glücklich über das, was sie auf der Habenseite weiß. Sabalenka, 24, wähnt sich auf der Durchreise. Die beiden Halbfinals finden am Donnerstag (9.30 MEZ) statt, zunächst messen sich Elena Rybakina und Viktoria Asarenka.

Linettes Vorstoß ist umso überraschender, weil eigentlich Iga Swiatek, die Weltranglistenerste, als Vertreterin Polens im Kreis der letzten Vier zu erwarten gewesen wäre. Die beiden kennen sich natürlich, haben aber nicht viel miteinander zu tun, Linette trainiert in den USA. Auf der Tour ist sie beliebt, sie zählt zum Players Council, dem Spielerrat, viele Kolleginnen gratulierten ihr via Twitter. Warum Linette Sympathien genießt, wurde auch bei ihren Pressekonferenzen deutlich, sie redet ungekünstelt über sich. So gestand sie, dass ihr "emotionales Management" ihr zu oft im Weg gestanden habe, sie habe "Niederlagen persönlich genommen". In Melbourne mache sie das besser. Tatsächlich spulte sie relativ sachlich ihre solides Spiel ab.

Sabalenka bestreitet ihr viertes großes Halbfinale, sowohl in Wimbledon (2021) als auch bei den US Open (2021, 2022) verpasste die Fünfte der Weltrangliste das Endspiel. Sie sei da stets innerlich zu unruhig gewesen, sagte sie. Sabalenka ist eine temperamentvolle Person, sie haut derart auf die Bälle, dass diese Schmerzensgeld verlangen müssten. Das Problem war nur: Zu oft hatte sie dies zu ungestüm getan, insbesondere mit ihrem Aufschlag traf sie alles, nur nicht das Aufschlagfeld. 2022 verbuchte sie in 55 Matches 428 Doppelfehler. In Melbourne gab sie zu, zu stur gewesen zu sein, um ihre Bewegung zu justieren, am Ende der Saison aber habe sie "mit einem Biomechaniktypen" zusammengearbeitet, der half. Restlos stabil ist ihr Service noch immer nicht, aber in der ersten Runde unterlief ihr kein einziger Doppelfehler, fast eine Sensation. Für sie wäre es jetzt gut, "auf dem Platz fast ein wenig langweilig zu werden", sagte Sabalenka. Der Satz hätte von Linette stammen können, nur mit einem anderen Bezug.

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