Süddeutsche Zeitung

Bayern-Aus in der Champions League:"Eine große Mannschaft muss einmal so scheitern"

Lesezeit: 3 min

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Als alles gesagt war, als die Zuhörer gerade ihre vollgekritzelten Blöcke in ihren Taschen verstauten, als im Presseraum der Fröttmaninger Arena der Feierabend begann - da grüßte Pep Guardiola noch einmal mit einer zaghaften Handbewegung in die Runde. Der Bayern-Trainer ist in seiner Zeit in München bisher nicht als ausgesprochener Reporter-Spezi aufgefallen, aber diesmal wollte er noch ein paar Zärtlichkeiten verteilen. Guardiola schwang sich vom Podium und krallte sich einige seiner alten Wegbegleiter aus Barcelona zum Umarmen. Küsschen, Handshake, Augenzwinkern - es menschelte an diesem sterilen Ort des Fußballgeschäfts.

Wenige Augenblicke zuvor hatte Guardiola versucht, das Geschehene in Worte zu fassen. Er sprach auf Deutsch, auf Spanisch und driftete immer wieder in seine katalanische Muttersprache ab. Wer gut zuhörte, konnte diese zwei Sätze notieren: "Eine große Mannschaft muss einmal so scheitern. Wir versuchen es nächste Saison wieder."

Ein 3:2 (1:2) gegen den FC Barcelona ist ein Ergebnis, bei dem das Wort "scheitern" komisch klingt, aber es hatte im Halbfinale der Champions League ja nicht nur dieses Rückspiel gegeben, sondern auch jenes frustrierende 0:3 im Camp Nou in der Vorwoche.

Zusammengenommen war das Hindernis Barcelona für diese schwer angezählten Bayern kaum zu stemmen, das wusste auch Guardiola. "Barça ist völlig zurecht im Finale", bilanzierte er, aber gleichzeitig war der Bayern-Coach um Zufriedenheit bemüht. Seine Erklärung: In der ersten Partie habe seine Elf keine Gefahr entwickeln können und Fehler gemacht. Diesmal dagegen sei er "molt, molt content" - sehr, sehr zufrieden, einen Vorwurf könne er seinen Spielern nicht machen. Guardiolas milder Umgang mit dem erneuten Halbfinal-Aus seines Teams hat einen Grund: Er betrachtet es als Scheitern mit Überzeugung, als nötigen Lernprozess für sich selbst und sein Team.

Sich "so" zu verabschieden, mit erneut bemerkenswertem Mut und eben nicht mit einem weiteren Auftritt voller größerer Katastrophen (wie vergangenes Jahr gegen Real Madrid), das braucht der FC Pep für sein Selbstverständnis. Kleinere Katastrophen passierten diesmal auch. Gleich zweimal durfte Neymar im Sechzehner seine Freiheitsgefühle ausleben (15. und 29. Minute), weil die Bayern-Abwehr ähnlich fahrlässig agierte wie in jenen verflixten Schlummerminuten am Ende des Hinspiels. "Die beiden Gegentore hätte es heute nicht geben dürfen", sagte Torwart Manuel Neuer, der ein drittes gegen Ivan Rakitić früh vereitelt hatte.

Messi zu Suárez zu Neymar - diese Passfolge hat sich ins Herz der Münchner gebohrt. Auch diesmal zertrümmerte das Zusammenspiel von Barças heiliger Dreifaltigkeit schon früh alle im Kleinen erkämpften Etappensiege. Beim 1:1 zerschnitt ein Messi-Steilpass das Münchner Gefüge, beim 1:2 verlor Bastian Schweinsteiger das entscheidende Kopfballduell gegen den Argentinier. Messi per Kopf, auch das blieb der Bayern-Defensive also nicht erspart. Das 1:0 durch Medhi Benatia (7.) nach einer Alonso-Ecke war schon nichts mehr wert, als das Publikum sich gerade warmgebrüllt hatte.

"Es war heute möglich, aber wir haben wieder in zwei, drei Szenen nicht gut ausgesehen", meinte Thomas Müller. "Immerhin haben wir gezeigt, dass wir in der Lage sind, sie zu besiegen." Der unverwüstliche Müller und sein Sturmkollege Robert Lewandowski nahmen die Sache schließlich in die Hand: Wenn schon ausscheiden, dann wenigstens widerspenstig wie ein Kind, das nicht vom Spielen nach Hause möchte. Als Barcelona schon den Schongang eingelegt hatte, gelangen ihnen noch zwei hübsche Geschosse vorbei am zuvor kaum bezwingbaren Marc-André ter Stegen (59. Und 74.). Aber da hätten die Bayern schon insgesamt sechs Treffer gebraucht. Soviel Fußballwahnsinn wollte das Schicksal dann doch nicht bereitstellen.

"Wir haben heute alles reingelegt und deshalb muss man sagen: Wir haben es nicht hier verloren, sondern vergangene Woche", erklärte Philipp Lahm. "Vielleicht sogar in den letzten zwei Minuten in Barcelona." Ein 0:2 aufzuholen, das wäre den Bayern in ihrer besten Phase Mitte der zweiten Hälfte vielleicht sogar zuzutrauen gewesen. Ein 0:3 aber kaum - und ein 1:5-Gesamt-Zwischenstand schon gar nicht.

Schweinsteiger, der sich in dieses aufreibende Spiel hineingewerkelt hatte wie ein Baustellen-Leiter, hatte eine ähnliche Sicht: "Wir sind schon enttäuscht, vor allem über die Fehler im Hinspiel." Kronzeugen für diese These gab es genug, auch Neuer sagte: "Die letzte Viertelstunde in Barcelona war der Knackpunkt für das Aus."

Was den Bayern jetzt bleibt, da auf niederschmetternde Weise das zweite Halbfinale daneben ging, fasste Guardiola treffend zusammen. "Wir freuen uns, am letzten Spieltag gegen Mainz die Meisterschaft zu zelebrieren." Richtig, ein Titel ist ja doch herausgesprungen in dieser Saison. Gut möglich also, dass bald noch mehr Guardiola-Zärtlichkeiten folgen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2477631
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.