Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Im Schaufenster

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Das Pokal-Viertelfinale zu Hause gegen RB Leipzig ist für den in der Liga inkonstanten FCA sportlich und wirtschaftlich enorm wichtig.

Von Maik Rosner, Augsburg/München

Wie sehr sie das Vorspiel in Nürnberg traf, war am besten an Manuel Baum abzulesen. Zwischen Fassungslosigkeit und Resignation bewegte sich seine Körpersprache, als er nach dem nächsten Gegentor auf der Bank zusammensackte. Zwischendurch wandte er sich Stefan Reuter zu, doch das Gespräch mit dem Manager wirkte eher negativ verstärkend, weil dieser den Verdruss des Trainers zu teilen schien. Es waren Szenen wie Musterbeispiele für jene Verärgerung, die sich einstellt, wenn ein wegweisendes Spiel im Abstiegskampf völlig missrät - und damit die Generalprobe für den vorläufigen Saisonhöhepunkt.

Die Verstimmung nach dem 0:3 beim 1. FC Nürnberg ist beim FC Augsburg inzwischen ein wenig gewichen. Das liegt auch daran, dass der Terminkalender schon für diesen Dienstag den größtmöglichen Kontrast zur maximalen Enttäuschung im Ligaalltag in Aussicht stellt. Das Viertelfinale im DFB-Pokal gegen RB Leipzig steht an, und weil sich der kleine FCA ausnahmsweise im Schaufenster der großen TV-Bühne der ARD präsentieren darf, bleibt keine Zeit, sich mit dem Frust aufzuhalten. "Wir können etwas Einzigartiges schaffen", sagt Baum und berichtete am Montag, dass die Mannschaft auf dem Rückweg aus Nürnberg im Bus Leipzigs 5:0 gegen Hertha BSC verfolgt habe. "Beeindruckend, das hat Spaß gemacht", sagte Baum, "aber wir wollen ihnen den Spaß nehmen."

Zum sportlichen Anreiz kommt für den vergleichsweise bescheiden wirtschaftenden Verein eine erhebliche monetäre Motivation. Die Prämien aus dem laufenden Wettbewerb würden mit dem Einzug ins Halbfinale von 2 490 000 Euro auf 5 146 000 Euro mehr als verdoppelt werden. Der Geldzufluss im Pokal könnte etwa in jene Dimension vorstoßen, die der FCA für seinen bisherigen Rekordtransfer Martin Hinteregger (2016/neun Mio. Euro Ablöse) aufgewendet hat, bestenfalls sogar deutlich mehr. Laut DFB kommen beim Titelträger 13,1 Millionen Euro an Prämien zusammen. Genau dieses Ziel hat Reuter forsch ausgegeben. "Wir wollen den Pokal gewinnen", sagte er ohne bescheidene Umschweife, ehe er die Verabredung mit dem formstarken Ligadritten noch einmal mit der Blamage beim Vorletzten in Verbindung setzte. Reuter erinnerte: "Dafür musst du auch das Viertelfinale gewinnen.

Es soll ein Spiel fürs Familienalbum werden

Aber mit so einer Leistung haben wir keine Chance." Mit einiger Zuversicht sprechen sie in Augsburg aber auch deshalb von einem "absoluten Highlight", weil sie durchaus berechtigt annehmen dürfen, dass der jüngste Ausrutscher nicht als Maßstab taugt. Schon mehrmals sind sie ja damit aufgefallen, dass ihre Konstante in dieser Saison die Inkonstanz ist. Achtungserfolge gegen die Großen der Branche wie das 1:1 beim FC Bayern oder die späte 3:4-Niederlage bei Borussia Dortmund gingen in rätselhafter Regelmäßigkeit einher mit akuten Leistungsabfällen und ausbleibenden Erträgen gegen die vermeintlich Kleinen.

Das galt zuletzt ganz besonders, als der FC Augsburg den FC Bayern beim 2:3 ziemlich in Bedrängnis brachte, danach 1:5 beim SC Freiburg unterging und sich dann mit sieben Punkten aus drei Spielen gegen Dortmund (2:1), in Leipzig (0:0, wie schon im Hinspiel) und gegen Hannover (3:1) der ärgsten Abstiegssorgen vorerst entledigte. Auch nach dem 0:3 in Nürnberg wirkt die Tabellenlage mit fünf Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz noch recht komfortabel. Acht hätten es bei einem Sieg beim Club sein können, womit sie das Treffen mit Leipzig weitaus beschwingter hätten angehen können.

Es soll aber auch so ein Spiel fürs Familienalbum werden. Gegeben ist das allein schon dadurch, dass es als eines der größten in der Vereinsgeschichte eingestuft werden darf. Die beiden Partien in der Zwischenrunde der Europa League gegen den FC Liverpool 2016 zählen dazu, ebenso wie das bisher einzige Halbfinale im Pokal, in dem der FC Augsburg 2010 noch als Zweitligist durch die 0:2-Niederlage bei Werder Bremen das Endspiel verpasste. Der heutige Kapitän Daniel Baier war damals als Einwechselspieler als Einziger aus dem aktuellen Kader schon dabei; er spricht zumindest intern vom Ziel Pokalgewinn. Um die Basis dafür zu legen, müsste dem überraschenden Abfall in Nürnberg nun wieder mal ein markanter Aufschwung folgen. "Wenn jeder macht, was er für richtig hält, wird es schwer", sagte der frühere Leipziger Rani Khedira in Nürnberg, stellte also taktische Disziplinlosigkeiten fest und zog gar strenge erzieherische Maßnahmen in Betracht. Der Defensivspieler befand: "Vielleicht braucht der eine oder andere einen Anschiss." Nach besten Voraussetzungen, die große Pokalbühne optimal nutzen zu können, klang das zwar nicht. Aber die Augsburger sind ja konstant inkonstant.

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SZ vom 02.04.2019
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