Süddeutsche Zeitung

ATP-Turnier:Die Tränen des Vaters

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Titelverteidiger Alexander Zverev, 21, steht beim Turnier in München wieder im Halbfinale. Dort trifft er auf den gleichaltrigen Südkoreaner Hyeon Chung.

Von Gerald Kleffmann

Und dann wurden die Augen feucht, klar, Vater Zverev ist nah am Wasser gebaut. Da stand er, das Familienoberhaupt, mit seiner Kappe, woran er meist zu erkennen ist, und lauschte den Worten seines jüngeren Sohnes auf dem Centre Court des MTTC Iphitos. "Mein Vater ist einer der besten Trainer der Geschichte. Für mich ist er der beste Trainer aller Zeiten. Er hat aus dem Nichts zwei Söhne in die Top-25 geführt", trug Alexander vor, mit 21 Jahren gut zehn Jahre jünger als Bruder Mischa. Kurz schilderte Alexander Zverev, worin die Kunst seines Vaters bestand, Alexander senior habe mit zwei völlig unterschiedlichen Typen arbeiten müssen, der eine, Mischa, ist Linkshänder, er selbst Rechtshänder, wie ein Visionär habe er zehn Jahre im Voraus gesehen, wie beide Söhne mal spielen würden, vom Stil, von der Taktik her. Dann umarmten sich die beiden, während Ulrich Klaus, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes, daneben ausharrte und applaudierte, wie die 4000 Zuschauer im Stadion der BMW Open. Der DTB war der Initiator der nicht angekündigten Ehrung gewesen, Trainer des Jahres 2017 darf sich Papa Zverev nun nennen.

Es war bereits das zweite Mal, dass der Senior auf dem Hauptplatz in München zu weinen anfing, nach dem Titelgewinn Alexanders im Vorjahr, und wenn man es so auslegen will, symbolisieren seine Tränen den Aufstieg seiner Söhne, wobei Alexander junior selbstverständlich die größere Perspektive besitzt. Der Weltranglisten-Dritte hat bilanztechnisch eine einzige Schwäche, das sind seine Statistiken bei Grand-Slam-Turnieren, bei den vier wichtigsten Veranstaltungen kam er nie übers Achtelfinale hinaus. "Irgendwann knacken junge talentierte Spieler diesen Code", hatte ihn Boris Becker diesbezüglich in München verteidigt. Der Head of Men's Tennis des DTB wehrte dabei lässig Mutmaßungen ab, er werde als zweiter Coach zum Team Zverev stoßen. Bei Matches im Best-of-five-Format, also über drei Gewinnsätze, könnte Zverev vielleicht wirklich mal als Inspiration helfen (er und Becker reden ohnehin schon öfter miteinander), bei Turnieren über zwei Gewinnsätze beweist Zverev aber immer wieder, dass er diesen Code geknackt hat.

Zwei Masters-Trophäen hielt er schon hoch, sechs Titel sammelte er insgesamt. In München erreichte er am Freitag müheloser als von ihm selbst prognostiziert erneut das Halbfinale. In 1:02 Stunden fertigte er den Davis-Cup-Kollegen Jan-Lennard Struff, 28, mit 6:3, 6:2 ab. Zverev schlug stark auf und gewann 28 von 39 ersten Service-Versuchen. Er returnierte gefährlich und holte bei Struff, wenn der über den zweiten Aufschlag kam, 19 von 23 Punkten. In Monte Carlo war es jüngst noch über drei Sätze gegangen zwischen den beiden, "das war eines meiner schlechtesten Aufschlagmatches meiner Karriere", urteilte Zverev. Drei Wochen später machte er es deutlich besser. Dass er weiß, wie man Schlüsse aus Fehlern zieht, ist eine seiner Fähigkeiten, die er auch seinem Vater zu verdanken hat.

Im Halbfinale misst sich Zverev mit Hyeon Chung, der ebenfalls zu dieser dynamischen Generation junger Profis gehört. "Seine Beine sind zweimal breiter geworden", diagnostizierte Zverev bei dem Koreaner, 21, der Probleme am Fuß überstanden hat. Chung gewann sein Viertelfinalspiel gegen den Slowaken Martin Klizan 6:3, 6:4. "Er macht keine Fehler, er ist wie Djokovic in seinen besten Zeiten", sagte Zverev über seinen nächsten Gegner, gegen den er bei den Australian Open in fünf Sätzen am Ende kraftlos verloren hatte. Die Chancen, dass zum dritten Mal in Serie ein Deutscher am Aumeister siegt, sind durch die Erfolge von Philipp Kohlschreiber und Maximilian Marterer am Freitag gestiegen. Drei Einheimische waren zuletzt 2013 im Halbfinale (Kohlschreiber, Daniel Brands, Tommy Haas, der gewann). Der 22 Jahre alte Linkshänder Marterer besiegte den Ungarn Marton Fucsovics 6:3, 6:4 und zog erstmals in die Runde der letzten Vier ein. "Es war eine unglaubliche Erleichterung, als ich den Matchball verwandelt habe, ich spiele ja nicht jeden Tag ein Viertelfinale auf der ATP-Tour", sagte der Nürnberger. Kohlschreiber, der dreimalige München-Champion, bezwang Roberto Bautista Agut 6:4, 6:4. Der Spanier ist auf Position 14 in der Weltrangliste geführt und damit in jener Region, die Kohlschreiber anvisiert. In München bestreitet der 34-Jährige sein erstes Event mit Lars Uebel als neuem Trainer, der Chefprofitrainer des Leistungszentrums in Oberhaching wird Kohlschreiber nun begleiten, sie haben das Ziel ausgerufen, Kohlschreibers höchstes Ranking zu übertreffen (16.). "Ich freue mich, wie die Entwicklung ist", sagte Kohlschreiber. Er denkt vorerst "step by step", das Klettern komme von allein. Eile hat er nicht, zumal eine neue Topplatzierung kostspielig würde. "Die wollen immer Belohnungen haben", scherzte er über sein Team. "Klar bin ich heiß drauf, ins Finale einzuziehen", sagte Kohlschreiber trotzdem natürlich und strahlte.

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SZ vom 05.05.2018
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