Süddeutsche Zeitung

Anfeindungen im Tennis:Bedroht auf großer Bühne

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Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Heather Watson hätte am Mittwochabend vor allem eines sein sollen: glücklich. Die 23-Jährige hatte gerade auf dem großen Court Number 1 mit Leichtigkeit Daniela Hantuchova besiegt. Als einzige Britin steht sie nun in der dritten Runde in Wimbledon - ein großer Erfolg für die Nummer 59 der Weltrangliste. Am Freitag darf sie gegen Serena Williams antreten, die wohl beste Tennispielerin der Geschichte. Und das mit ziemlicher Sicherheit auf einer noch größeren Bühne: dem Center Court.

Doch Heather Watson hörte auf der Pressekonferenz nach ihrem Sieg plötzlich auf zu strahlen. Sie zupfte den Pferdeschwanz zurecht, kratzte sich am Rücken. Es ging um Morddrohungen gegen sie.

Immer wieder wurde Watson in den vergangenen Wochen in sozialen Netzwerken beschimpft, beleidigt, bedroht. Manche wollten sie und ihre Familie umbringen, andere wünschten, sie möge an Krebs erkranken oder einen qualvollen Tod sterben. "Ich glaube, diese Menschen haben kein Leben", sagte Watson. "Sie sind Feiglinge, die denken, dass sie im Internet alles sagen können. Sie verstehen nicht, dass wir am Ende des Tages alle Menschen sind."

Pressekonferenzen in Wimbledon laufen immer gleich ab. Die Tennisprofis nehmen Platz, sprechen über ihr Match, ihre Form, ihre Emotionen, ohne allerdings viel von sich preiszugeben. Bei Watson war das am Mittwochabend anders. Sie öffnete sich. "Wenn ich gewinne, sind die Reaktionen meist postitiv", sagte die 23-Jährige. Ganz anders, wenn sie verliert. Wie Watson mit den Hasskommentaren umgehe? "Ich schaue sie mir einfach nicht mehr an", meinte sie.

Die junge Frau von der Insel Guernsey ist nicht die einzige Tennisspielerin, die Drohungen erhält. Nachdem Petra Kvitova im vergangenen Jahr Wimbledon gewonnen hatte, wurde ein Mann in Tschechien festgenommen. Er soll sie am Telefon bedroht haben, weil sie aus Steuergründen ihren Wohnsitz nach Monaco verlegt hatte. Die Weltranglistendritte Simona Halep wiederum bekam vor ein paar Wochen eine üble Nachricht über Twitter: "Ich werde dich zu 100 Prozent zerstören. Du stirbst", schrieb ein User aus Dänemark. Beim Turnier in Stuttgart wurden daraufhin die Sicherheitsvorkehrungen für die 23-Jährige verstärkt.

Die Vorfälle wecken Erinnerungen an das furchtbare Attentat auf Monica Seles im Jahr 1993. Beim Turnier in Hamburg stach ein Mann mit dem Messer auf die damalige Weltranglistenerste ein. Seles erholte sich körperlich von dem Angriff, psychisch kam sie jedoch nie darüber hinweg.

Nach Haleps Erstrunden-Aus in Wimbledon wollte ein Reporter wissen, wie sehr sie der Vorfall beeinflusst habe. Die Rumänin sprach nicht so offen wie Watson, sie ließ kaum in ihr Inneres blicken. "Es bedeutet Stress für einen selbst", sagte sie, relativierte dann jedoch sofort: "Ich habe das Gefühl, dass nun alles wieder gut ist."

Doch das ist es nicht. Viele Hasskommentare in sozialen Netwerken stammen von Glücksspielern, die Wetten verloren haben. In Watsons Profilen bei Twitter und Facebook beschweren sich Menschen, weil die Spielerin ein Match aus der Hand gegeben hatte und den Wettern offenbar viel Geld durch die Lappen gegangen war. Der Kommentar der Britin dazu? "They shouldn't gamble." Sie sollten nicht um Geld spielen. Da lächelte sie endlich wieder.

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