Süddeutsche Zeitung

American Football:Der heimliche Held des Super Bowl

Lesezeit: 3 min

Nur durch den spektakulären Fang von Julian Edelman konnten die New England Patriots die Aufholjagd starten, die ihnen den Titel bescherte. Die entscheidenden Szenen eines historischen Spiels.

Von Jürgen Schmieder

Kurzzeitig wirkt Julian Edelman verzückt und verängstigt zugleich. Wie ein Vater, der erstmals sein Kind in den Armen wird halten dürfen. Der Ball scheint in der Luft zu verharren, der Passempfänger der New England Patriots zu schweben - doch in Wirklichkeit passiert alles innerhalb von weniger als zwei Sekunden: Ein Verteidiger der Atlanta Falcons berührt einen Pass von Tom Brady und schickt das Spielgerät auf eine ungewöhnliche Flugbahn. Der Football hüpft erst an die Wade des einen, dann an den Unterarm eines anderen Falcons-Verteidigers. Edelman greift zu und verteidigt die Beute gegen drei Gegner.

Dieser spektakuläre Fang zwei Minuten vor dem Ende ist der aufregendste Moment in diesem ohnehin aufregenden Finale, eine Mischung aus wahnwitzigem Zufall und artistischer Körperbeherrschung. In einem Hollywood-Film würde so eine Szene zu Beginn gezeigt - und dann in Rückblenden erklärt, wie es dazu kommen konnte.

Feuerwerk? Viele Experten hatten angesichts der beiden besten Offensiven der Liga ein Spektakel mit zahlreichen Punkten erwartet. Zu Beginn jedoch dominieren die Verteidiger, Patriots-Spielmacher Tom Brady wird gleich zweimal umgerissen. Nach dem ersten Viertel lautet der Spielstand: Falcons 0 - Patriots 0.

Fehler bestrafen, Teil 1: Patriots-Laufspieler LeGarrette Blount verliert den Ball an einen Gegner - in 108 Sekunden schaffen die Falcons 71 Yards (etwa 65 Meter) Raumgewinn und den ersten Touchdown dieser Partie durch Devonta Freeman. 7:0.

Feuerwerk! Die Falcons-Offensive holt nun die besonders spektakulären Raketen aus dem Köcher. Spielmacher Matt Ryan schafft in kurzer Folge drei erfolgreiche Pässe für insgesamt 61 Yards, bei einem scheint Empfänger Julio Jones die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen: Er streckt sich nach dem Ball, behält beide Füße auf dem Boden und wirkt dabei wie eine Comicfigur, die sich selbst länger machen kann. Deshalb steht es 14:0.

Fehler bestrafen, Teil 2: Brady wirft nach einigen schönen Spielzügen den Ball ohne Not zu Falcons-Verteidiger Robert Alford, der das Spielgerät 80 Yards in die gegnerische Endzone trägt. Brady überholt damit unfreiwillig Brett Favre in der Liste der meisten Interceptions der Playoff-Historie (31). Er zerstört aus Wut eine Kiste mit Polaroid-Fotos, auf denen geplante Spielzüge zu sehen sind. Immerhin gelingt den Patriots kurz danach noch ein Field-Goal. Zur Halbzeit steht es dennoch: 21:3.

Das Spiel ist aus! Ryan führt die Falcons-Offensive wieder beinahe über das komplette Spielfeld (85 Yards), einige US-Sportexperten verkünden bei Twitter das Ende der Partie, der Bundesligaverein Hertha BSC gratuliert den Falcons ebenfalls bereits zum Sieg. 28:3.

Alles läuft schief! Da schaffen die Patriots den ersten Touchdown - doch New Englands Kicker Stephen Gostkowski vergibt den Extrapunkt. 28:9.

Hoffnung! Nun leistet sich die Falcons-Offensive nach einem Patriots-Field-Goal zum 28:12 plötzlich den ersten bedeutsamen Fehler: Ryan verliert den Ball in der eigenen Spielhälfte. Brady nutzt die gute Ausgangsposition, er schafft den zweiten Touchdown (sechs Punkte) und danach auch noch die zwei Extrapunkte. 28:20.

Das Spiel ist aus! Jetzt aber wirklich! Einen kurzen Moment lang wirkt Julio Jones verzückt und verängstigt zugleich. Wie ein Vater, dem die Schwiegermutter das neugeborene Baby wegnehmen möchte. Dieser zu ihm geworfene Ball, er wird ganz sicher in den Armen des Gegenspielers landen. Jones jedoch streckt sich über den Verteidiger hinweg und pflückt das Spielgerät auf dem Weg ins Seitenaus aus der Luft. Im Fallen drückt er beide Fußspitzen in den Kunstrasen, damit der Versuch gültig bleibt. Der Ball befindet sich 4:40 Minuten vor dem Ende an der 22-Yard-Linie der Patriots. Die Falcons müssen Zeit verplempern und bloß ein Field Goal kicken. Dann wäre alles entschieden.

Drei Rückschläge: Doch zuerst wird Freeman gestoppt, dann wird Ryan umgerissen und ein gültiger Passversuch durch ein Halten annulliert und in eine Zehn-Yard-Strafe verwandelt. Innerhalb von drei Spielzügen verlieren die Falcons insgesamt 23 Yards, sie können aufgrund der Entfernung kein Field Goal mehr kicken, sondern müssen den Patriots den Ball an deren Neun-Yard-Linie überlassen. Verbleibende Spieldauer: 3:30 Minuten.

Ausgleich! Brady führt die Offensive der Patriots 91 Yards weit in die gegnerische Endzone - Julian Edelman hält die Serie mit seinem spektakulären Fang (siehe oben) am Leben. Auch der Zwei-Punkte-Versuch ist erfolgreich, zum ersten Mal in der Geschichte des Super Bowls gibt es eine Verlängerung. 28:28.

Verlängerung: Die Patriots gewinnen den Münzwurf und entscheiden sich für Ballbesitz. Brady zerlegt die Falcons-Defensive mit Pässen von chirurgischer Präzision: sechs Yards auf White, 14 auf Amendola, 18 auf Hogan, drei auf White, 15 auf Edelman. Dann übergibt er den Ball an James White, der aus zwei Yards Entfernung in die gegnerische Endzone pflügt.

Endstand: Falcons 28 - Patriots 34.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2017
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