Süddeutsche Zeitung

Ägyptens Mo Salah:Lächeln für den Autokraten

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Von Johannes Aumüller, Moskau

Der Mann mit dem grün-weißen Oberteil ist in seinem Element. Neben ihm steht im Stadion von Grosny einer der derzeit weltbesten Fußballer, der ägyptische Offensivspieler Mo Salah, dann gibt es ein paar schöne gemeinsame Fotos und einen kleinen Rundgang, ab und an macht er triumphierende Zeichen. Und so entsteht eines der vielen Beispiele dafür, wie es das politische Russland schafft, das WM-Turnier propagandistisch auszunutzen. Denn der Mann mit dem grün-weißen Oberteil, der nun auf so vielen Fotos neben Salah zu sehen ist, heißt Ramsan Kadyrow und ist der Präsident der Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus.

Seit fast zwei Jahrzehnten hat die Familie Kadyrow im muslimisch geprägten Tschetschenien das Sagen, erst Vater Achmat, seit dessen Tod 2004 Sohn Ramsan. Kadyrow, 41, genießt den Segen von Wladimir Putin, im Gegenzug gibt sich Tschetscheniens Führung als besonders fanatischer Unterstützer des russischen Staatschefs. Die Kritik von Menschenrechtlern an dem Regime ist immens: Von einer Willkür- und Gewaltherrschaft berichten sie, von Folter und Morden, Opposition und Meinungsfreiheit sind faktisch nicht existent.

Der Sport spielt dabei seit Jahren eine große Rolle, wenn sich Kadyrow inszenieren möchte. Zwar bevorzugt er gemeinhin eher Kampfsportarten, aber prominente Fußballer nutzt er in regelmäßigen Abständen zu PR-Zwecken. Diese Strategie hat er unter den Autokraten dieser Welt zwar nicht exklusiv, aber bei Kadyrow fällt doch eine ordentliche Ballung auf. Beim Einweihungsspiel des Stadions von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor sieben Jahren nahmen unter anderem Diego Maradona und Luis Figo teil, zu anderen Gelegenheiten zählten auch Lothar Matthäus und Ronaldinho zu den Gästen. Der Niederländer Ruud Gullit fungierte 2011 für ein halbes Jahr als Trainer des Klubs Achmat Grosny, den erst Kadyrow selbst und dann sein Vize Magomed Daudow führten. Und nun also als neuester Coup die Fotos mit Ägyptens derzeit noch an der Schulter lädierter Sturmhoffnung Mo Salah.

Die Bilder konnten kaum überraschen. Ägyptens Nationalmannschaft hat just in Grosny ihr Quartier bezogen, obwohl es strategisch kaum Sinn ergibt und ihr für die Gruppenspiele gegen Uruguay, Russland und Saudi-Arabien weite Reisen beschert. Kurz nach der Vergabe des Turniers hatte sich die tschetschenische Führung sogar Hoffnungen gemacht, ein Austragungsort zu sein. Aber das Echo, das auf einen solchen Schritt gefolgt wäre, erschien wohl selbst den WM-Verantwortlichen als zu gefährlich. So blieb als Kompromiss, dass eine Nationalelf dort Quartier bezieht. Menschenrechtler geißeln das schon seit Monaten. Die Fifa, die neuerdings stets darauf verweist, dass die Menschenrechte eine größere Rolle spielen würden, sieht darin kein Problem.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2018
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