Süddeutsche Zeitung

2. Bundesliga:TSV 1860 wirft Ex-Trainer Runjaic "Beratergeschäfte" vor

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Von Markus Schäflein

Irgendwann platzte einem 1860-Fan im Arbeitsgericht in der Winzererstraße der Kragen. "Können Sie bitte lauter sprechen", rief er dem Richter zu, "wir verstehen hier hinten gar nichts! Oder ist das Absicht?" Allzu viel Lust auf Öffentlichkeit hatten die Beteiligten offenkundig nicht, aber der Richter sprach dann eine Nuance lauter. Die Prozessserie von Angestellten gegen den Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München ging am Donnerstag mit den Klagen des ehemaligen Trainers Kosta Runjaic, des ehemaligen Geschäftsführers Thomas Eichin und des ehemaligen Scouts Peer Jaekel weiter - Klagen der ehemaligen Assistenztrainer Zvonko Komes und Tuncay Nadaroglu werden noch folgen.

1860-Anwalt Tassilo König bestritt alle drei Prozesse und saß jeweils ganz alleine auf der Beklagtenbank. Anthony Power, der Geschäftsführer des Vereins, war nicht erschienen, wie schon am Montag bei der Klage des Mittelfeldspielers Karim Matmour. Über Vergleiche ernsthaft zu verhandeln, wie es sich das Gericht bei Güteterminen erhofft, lag offenkundig nicht im Interesse des Klubs. Und konkrete Gründe, was den TSV 1860 und seinen Investor Hasan Ismaik in den Fällen Runjaic und Eichin dazu gebracht hatte, einen Schadenersatzanspruch zu vermuten und daher die Gehaltsfortzahlungen auf ein Minimum zu reduzieren, nannte König ebenfalls nicht.

Auf die Frage, welche Vorwürfe 1860 gegenüber Eichin gemacht habe, sagt dessen Anwalt: "Null."

Im Fall Runjaic erklärte er zumindest: "Es hängt mit dem Fehleinsatz eines Spielers und Beratergeschäften zusammen, weiter ins Detail möchte ich heute nicht gehen." Runjaics Anwalt Sidney Balan erklärte, er könne mit diesen Aussagen "nichts anfangen", sie seien "in höchstem Maße rufschädigend" - allerdings "nur relativ halbgare Andeutungen". So dass es schwer sein könnte, juristisch dagegen vorzugehen.

Balan berichtete in dem Verfahren von einem Schlichtungsverfahren beim Deutschen Fußball-Bund und sagte: "Wir hatten einen fast unterschriftsreifen Vergleich ausgehandelt, dann hat uns der Klub vier, fünf Tage später mitteilen lassen, dass er ihn doch ablehnt. Falls die Vorwürfe zum Anlass genommen werden, an den Eckpunkten zu rütteln, können wir uns die Zeit sparen." 84 000 Euro brutto Abfindung bot 1860-Anwalt König Runjaic an, nicht einmal die Hälfte der ursprünglich ausgehandelten Summe und einen Bruchteil des Streitwerts, also ging tatsächlich alles schnell.

Zeit sparen wollte nämlich auch der Richter: "Von mir werden sie keinen Vorschlag bekommen, weil mir der Sachverhalt fehlt. Um ihnen zu helfen, brauche ich mehr Details." Die bekam er nicht. Noch weniger sagte König zu den Vorwürfen des Klubs an Eichin. Der Richter merkte daher nur an: "Wer pokert, muss den Einsatz zahlen und damit rechnen, dass er verliert. Mehr kann ich ihnen nicht mit auf den Weg geben." Auf die Frage, welche konkreten Vorwürfe 1860 bislang gegenüber Eichin gemacht habe, sagte dessen Anwalt Alexander Kirsch: "Null." Eichin erklärte: "Ich mache mein Geschäft seit 20 Jahren nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der Fifa."

Dafür stand im Fall der Kündigungsschutzklage des Scouts Peer Jaekel ein konkreter Vorwurf im Raum. "Es soll eine Fehleinstellung eines Fußballers erfolgt sein", sagte Jaekels Anwalt Ralf Stempel. "Dieser Spieler spielt aber seit Monaten in der Stammelf." Es war kein Geheimnis, dass es sich hierbei um den Verteidiger Sebastian Boenisch handelt. "Es ist richtig, dass er jetzt spielt", entgegnete 1860-Anwalt König, "das sagt aber nichts über das Risiko einer Verpflichtung aus. Wir sind in einem Gütetermin, Stand jetzt müssen wir noch nichts vorlegen."

Stempel nannte den Vorwurf "absurd", der Richter wunderte sich: "Es haben sich doch mindestens zwei Ärzte geäußert, und Herr Jaekel ist ein medizinischer Laie. Die Kündigung hat gewisse Schwierigkeiten, aber das will ich jetzt nicht vertiefen." Zu einem Vergleich kam es auch hier nicht - Königs Angebot, den bis 30. Juni 2019 datierten Vertrag zum 30. Juni 2017 ohne Zahlung einer Abfindung zu beenden, lehnte Jaekel ab. "Das ist ja ein Abschlag von zwei Dritteln", sagte der Richter, "ich würde eher Richtung ein Drittel gehen." Hierauf ging König nicht ein.

So werden sich alle drei Prozesse fortsetzen - bei Jaekel geht es am 19. Mai weiter, bei Runjaic und Eichin stehen die Termine noch nicht fest. Denkbar ist zumindest bei den beiden Letztgenannten nach wie vor, dass sich der Klub und die Angestellten außergerichtlich einigen: "Wir haben kein Interesse, weiter zu bohren, weil es am Ende allen schadet, wenn es eskaliert", sagte Eichins Anwalt Kirsch. Dann nützt es den Beteiligten auch nichts, wenn sie nuscheln.

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SZ vom 17.03.2017
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