Süddeutsche Zeitung

Tour de France:Als der Hagel über die Tour hereinbricht

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Von Johannes Knuth, Tignes

Und dann, nachdem Frankreich wochenlang bei 40 Grad gefiebert hatte, wirkte es am Freitag plötzlich so, als breche der Winter über die Alpen herein - als wolle das Wetter auch noch mitmischen bei der 106. Tour de France, die einem zuletzt schon beim Zuschauen die Sinne benebelt hatte. Schwerer Hagel ging nieder, Bagger räumten Schlamm hinfort, der sich in einer 50 Zentimeter hohen Lawine über die Abfahrt vom Col de l'Iseran gewälzt hatte. Die ersten Fahrer stürmten da gerade vom Gipfel herunter, aber es half ja nichts: Der Abbruch war so kurios wie unvermeidlich, wie alle Beteiligten bald zugaben.

Die 19. Etappe ging dennoch in die Wertung ein: Sie wurde am 2770 Meter hohen Iseran beendet, 30 Kilometer vor dem ursprünglichen Ziel des 126,5 Kilometer langen Tagesabschnitts. Das reichte, um einen Wechsel im Klassement herbeizuführen, der erwartet worden war: Julian Alaphilippe, der Experte für die explosiven Eintagesrennen, verlor im Anstieg zum Dach dieser Tour den Kontakt zu den Besten und sein Gelbes Trikot an Egan Bernal: Der Kolumbianer war am Iseran allen Mitbewerbern enteilt wie schon am Vortag am Galibier. Am Freitag gewann er zwei Minuten auf Alaphilippe, eine halbe Minute auf die übrigen Favoriten, die das improvisierte Ziel gemeinsam erreichten: Vorjahressieger Geraint Thomas, Steven Kruijswijk, auch die deutsche Hoffnung Emanuel Buchmann. Aber nicht Thibaut Pinot. Der Franzose, der zuletzt so formidabel durch die Pyrenäen gestürmt war, stieg am Freitag nach 30 Kilometern vom Rad, tränenerfüllt: Er leide unter einer Muskelverletzung, teilte sein FDJ-Team mit, die Spätfolge eines Sturzes. Wieder ein Rückschlag in Pinots Biografie, die Pech für drei Sportlerleben bereithält.

Frankreichs Hoffnungen auf den ersten Gesamtsieg seit 34 Jahren kippten somit so tief ins Negative wie das Wetter: Bernal liegt im Klassement nun 45 Sekunden vor Alaphilippe, gefolgt von Thomas (1:03 Minuten), Kruijswijk (1:15), Buchmann (1:42). Und Alaphilippe dürfte es am Samstag noch weiter zurückwerfen, spätestens am 33 Kilometer langen Anstieg hinauf nach Val Thorens. Buchmann ("Ich habe noch nie so viel Hagel gesehen") darf also weiter hoffen, in Paris das Podium zu besteigen, er werde am Samstag zumindest alle Reserven heben, versprach er.

Für den Samstag sind in den Alpen erneut Unwetter angekündigt, bei Temperaturen von teils 10 Grad. Die Etappe wurde auf 59 Kilometer verkürzt, weil weitere Schlammlawinen abgegangen sind.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2019
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