Süddeutsche Zeitung

1860 München besiegt Duisburg:Grüße aufs Kreuzfahrtschiff

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Zweitligist 1860 München gelingt der erste Erfolg nach vier sieglosen Partie: Das 3:0 gegen Duisburg ist kaum überzubewerten. Der Gegner kam nicht nur mit dem neuen Interimstrainer Oliver Reck. Der schürte vor dem Spiel zusätzlich die Emotionen im Stadion.

Was hatte sich Oliver Reck nicht alles einfallen lassen vor dieser 0:3-Niederlage gegen den TSV 1860 München, um den Zweitligisten MSV Duisburg in der kurzen Zeit, die er zur Verfügung hatte, aus der psychologischen Starre zu erwecken. Am Freitag erst war offiziell bekannt gegeben worden, dass der Torwarttrainer als Interimscoach Milan Sasic folgen würde, auch wenn es Reck schon etwas länger gewusst haben mag.

Doch Sasic' Entlassung hatte sich verzögert. Weil der Aufsichtsrat des Klubs, der die Personalie noch absegnen musste, nun ja, nicht greifbar war. Stephan Bock, der MSV-Vizepräsident, befand sich auf der Rückreise von seinem Ostseeurlaub und Hermann Hövelmann weilte gerade auf der Aida, dem deutschen Kreuzfahrtschiff mit besonders familiärer Atmosphäre, weshalb er nur telefonisch zugeschaltet werden konnte.

Reck jedenfalls richtete vor Anpfiff der ersten Niederlage, die er als Trainer verantwortete, eine Ansprache an die Duisburger Fans. Er erschien auf der großen Videoleinwand der Arena und erklärte aus erhabener Position, an welchen "Stellschrauben" er drehen wolle, und warum er das Team gleich auf vier Positionen umgebaut habe.

Weil die Duisburger Kulisse darauf grölend und somit furchteinflößend reagierte, und weil Mannschaften mit einem neuen Trainer niemals einfach zu besiegen sind, ist dieser letztlich deutliche Sieg von 1860 kaum überzubewerten.

Der Schlüssel zum 3:0-Erfolg war eine gänzlich neue linke Seite, die Sechzigs Trainer Reiner Maurer eher aus der Not zusammmengestellt hatte: Auf der Außenbahn rückte Sandro Kaiser in die Partie für den verletzten Daniel Halfar; der kopfballstarke Stefan Buck ersetzte Arne Feick als Linksverteidiger, da Maurer vor allem eine Lufthoheit der Duisburger befürchtet hatte.

Dann ging es ordentlich los für 1860, wenn auch zunächst über rechts: Es lief die vierte Minute, als Stefan Aigner unbedrängt an der Seite entlang dribbelte, dann legte er flach ab in die Mitte, wo Daniel Bierofka 25 Meter vor dem Tor all den Raum der großen, weiten Fußballwelt hatte (um ihn ein Radius von zehn Metern ohne störende Duisburger) und von dort einfach abzog. Der Schuss traf noch Innenverteidiger André Hoffmann, von dort segelte der Ball unhaltbar vorbei am nunmehr verladenen Torwart Florian Fromlowitz - 1:0.

Maurers Mannschaft ließ nun vorübergehend den MSV spielen, nach dem Motto: Wir haben die frühe Führung, die wir wollten - jetzt könnt ihr's mal versuchen! Nacheinander vergaben Dzemal Berberovic (7.), Daniel Brosinski (10.) und noch einmal Brosinski (14.) gute Chancen, Duisburg drückte immer mehr, und dann, ja dann setzte Stefan Buck auf links zu einem Zauberball an: ein wunderbarer Pass aus der eigenen Hälfte, diagonal über den halben Platz bis in den Strafraum auf Aigner.

Der ersprintete den Ball, hob ihn über Fromlowitz, wollte dann links vorbeiziehen, ehe er mit einem Tritt auf Halshöhe zu Boden befördert wurde. Ein bizarres Foul, das noch für Gesprächsstoff gesorgt hätte, wenn Sechzig die Partie nicht auch so gewonnen hätte. Eine Tätlichkeit, die nicht nur einen Elfmeter für Sechzig, sondern auch noch Rot für Fromlowitz hätte nach sich ziehen müssen. Doch der Pfiff blieb aus.

Die Löwen ließen sich davon nicht beirren und begannen nun, den Zwischenstand zu verwalten: Offensiv, links wie rechts, hielten sie sich zurück. In der Abwehr entschärften sie die Bälle planlos, aber sicher mit Befreiungsschlägen.

Nach Wiederanfiff begann die kritischste Phase für Maurers Mannschaft: Reck brachte Valeri Domovchiyski ins Spiel, der legte ab auf Jürgen Gjasula, der hatte freie Schussbahn und setzte den Ball knapp neben den Pfosten (48.). Dann probierte es Domovchiyski persönlich (51.). Duisburg wurde immer druckvoller - allen voran Domovchiyski, der sich zu einer regelrechten Plage für Sechzigs Abwehr entwickelte. Aus kurzer Distanz köpfelte er auf das Tor von Gabor Kiraly, der mit einem starken Reflex den Ausgleich verhinderte (55.).

Kurz zuvor hatte Maurer Djordje Rakic für Benny Lauth eingewechselt, der an der Wade behandelt werden musste, dann rückte auch Dominik Stahl ins Spiel, für Aigner: Bierofka wechselte somit auf seine angestammte Position auf der rechten Außenbahn. Und dann dauerte es auch nicht lange, ehe er von dort einen feinen Pass auf Rukavina spielte, der in die Mitte flankte, wo Sandro Kaiser den Ball mit einem druckvollen Kopfball ins Netzt beförderte: 2:0(67.).

Ab diesem Moment gaben sich die Gastgeber geschlagen. Es war nicht einfach zu verkraften, dass sie dem Ausgleich näher gewesen waren als 1860 dem zweiten Tor. Für die Entscheidung sorgte schließlich Rakic, der, mit Ball schneller als Berberovic, zu einem Solo von Höhe der Mittellinie ansetzte. Niemand störte seine Kreise, angekommen im Strafraum nahm er das Tempo raus und passte seelenruhig in die Mitte auf Kevin Volland, der nur noch einschieben musste( 82.).

Für Sechzig war es der erste Erfolg nach vier sieglosen Partien. Das Ergebnis wird sich wohl bis auf die Aida herumsprechen. Bislang hat sich der MSV Zeit erbeten, um in Ruhe einen neuen Trainer zu finden. Notfalls bis Weihnachten.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2011
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