Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Neue Kleider, alte Sorgen

Lesezeit: 3 min

Zum Jahresauftakt verliert der Club 0:1 gegen den FC St. Pauli. Mit Blick aufs Stimmungsbarometer muss er schon nach dem ersten Spiel des Jahres auf der Hut sein.

Von Sebastian Leisgang

Das neue Fußballjahr war gerade einmal zwanzig Minuten alt, als Peter Vindahl Jensen die Erfahrung machte, was es bedeutet, Torwart des 1. FC Nürnberg zu sein. Bei seinem ersten Spiel für den Club fing er eine Flanke ab und richtete den Blick nach vorne. Nürnbergs Torwart hätte jetzt einen Gegenangriff einleiten können, doch Vindahl Jensen, 24, zögerte einen Augenblick - und schon seufzte das Publikum im Max-Morlock-Stadion geschlossen auf.

Es stand noch 0:0 zwischen Nürnberg und dem FC St. Pauli, und im Grunde war Vindahl Jensen nichts anzulasten. Er war ja bloß auf Nummer sicher gegangen, dennoch zog Nürnbergs neuer Torhüter den Unmut des Volkes auf sich und stand damit in gewisser Weise exemplarisch für den missratenen Jahresauftakt des FCN.

Beim 0:1 gegen den FC St. Pauli hatten Vindahl Jensens Mitspieler ja zumindest in der ersten Hälfte einen durchaus ansprechenden Auftritt hingelegt und nicht weniger als 13 Torschüsse abgegeben. Während Nürnberg aber auch die beste Torchance in Person von Jan Gyamerah liegen ließ, genügten den Gästen aus Hamburg gerade einmal vier Annäherungen, um den Ball im Tor unterzubringen: Im Anschluss an eine kurz ausgeführte Ecke war es Jakov Medic, der Vindahl Jensen überwand - das 0:1, das letztlich den Unterschied ausmachte.

Eine gute erste und eine dürftige zweite Hälfte: Gerade einmal 90 Minuten haben im neuen Jahr ausgereicht, um den Nürnberger Hoffnungen auf bessere Zeiten einen ersten Dämpfer zu versetzen. Mit Vindahl Jensen und vier Feldspielern, von denen mit Florian Flick am Sonntag nur einer in der Startelf stand, hatte sich der Club in der Winterpause neue Kleider zugelegt - besser sah er allerdings nicht aus, im Gegenteil.

"Es ist ja unsere Aufgabe, diesen Pessimismus rauszukriegen", sagt Trainer Weinzierl

Mit Blick aufs Stimmungsbarometer muss der 1. FC Nürnberg schon nach dem ersten Spiel des Jahres auf der Hut sein, die Deutungshoheit nicht zu verlieren. Vor der Partie hatte Trainer Markus Weinzierl ja davon gesprochen, dass es für seine Mannschaft gegen St. Pauli auch darum gehe, den Anhang zum Umdenken zu bewegen. "Was vor Jahren war", sagte Nürnbergs Coach, "dafür kann so ein junger Spieler wie Jens Castrop zum Beispiel gar nichts. Es geht einfach darum, Positivität und Optimismus auszustrahlen. Dass die Vergangenheit in den Leuten drin ist, merke ich schon immer wieder, aber es ist ja unsere Aufgabe, diesen Pessimismus rauszukriegen."

Das war also der Plan. Und wenngleich das in nur 90 Minuten ohnehin nicht zu schaffen ist: Gegen St. Pauli ist es dem Club auch nicht gelungen, in Sachen Optimismus zumindest den Anfang zu machen. "Natürlich verstehe ich die Leute", sagte Johannes Geis nach der Partie, "wenn man ihnen was zurückgibt, stehen sie immer hinter uns. Und jetzt ist es an der Zeit, etwas zurückzugeben."

Am kommenden Samstag steigt das Frankenderby bei der SpVgg Greuther Fürth, ein Duell, bei dem es selbst in guten Zeiten nicht nur darum geht, drei Punkte zu holen. Jetzt aber, da die Lage beim Club schon wieder angespannt ist, steht auch die Gunst der Fans auf dem Spiel. "Jeder, der zum 1. FC Nürnberg kommt, muss damit umgehen können", sagte Geis am Sonntag, doch auch er weiß: Bei Traditionsvereinen wie dem FCN kann der Kampf um die Deutungshoheit ein endloser sein.

Weinzierl hat sich zwar vorgenommen, diesen Kampf anzunehmen, wie das in der Fußballersprache heißt - gegen St. Pauli reichte seine Mannschaft dem Anhang aber nur mit der ersten Hälfte die Hand. Obwohl die zweite in fußballerischer Hinsicht eine Enttäuschung war, hob Nürnbergs Trainer nach dem Spiel die Punkte hervor, die ihm gefallen hatten. "Wir sind 122 Kilometer gelaufen und hatten 23:9 Torschüsse", sagte Weinzierl und folgerte aus den Zahlen und seinen Eindrücken: "Ich kann der Mannschaft nichts vorwerfen. Es war möglich, das Spiel zu gewinnen."

Auf der anderen Seite des Podiums saß Fabian Hürzeler, der zwar sein Debüt als Trainer gegeben hatte, allerdings bereits zum vierten Mal in der ersten Reihe stand. In den vergangenen beiden Saisons hatte er seinen Vorgänger Timo Schultz bei einem 4:3 in Heidenheim, einem 3:2 in Nürnberg und einem 2:1 gegen Schalke vertreten. Nun trug Hürzeler, 29, nicht nur als Aushilfe die Verantwortung - und gewann erneut. Er durfte sich trotz einer durchwachsenen Leistung über drei Punkte freuen, Nürnberg verlor zum fünften Mal nacheinander das erste Spiel eines Kalenderjahres. Sollte nun auch das zweite in Fürth nicht von Erfolg gekrönt sein, wird der Wind am Valznerweiher noch rauer werden, als er ohnehin schon ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5741481
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.