Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Das verflixte letzte Drittel

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Der Club zeigt beim 0:0 zum Auftakt gegen Aue gute Ansätze - in der Nähe des gegnerischen Tores fehlen ihm jedoch Ruhe, Cleverness und Genauigkeit.

Von Christian Bernhard

Seinen Oberkörper hatte Robert Klauß voll im Griff, dieser rührte sich hinter dem Pressekonferenzpult keinen Millimeter. Seine Mundwinkel verzog der Trainer des 1. FC Nürnberg allerdings sichtlich. Trotzdem bewahrte Klauß die Etikette: Er bedankte sich für die "warmen Worte", schob aber direkt hinterher, dass solche hier in Nürnberg ein "bisschen schwierig" seien, da sie automatisch eine hohe Erwartungshaltung mit sich brächten. Ausgelöst hatte Klauß' Reaktion die Aussage seines Trainerkollegen Aliaksei Shpileuski. Der war mit dem FC Erzgebirge Aue am Sonntagnachmittag in Nürnberg zu Gast und freute sich über das 0:0 am ersten Spieltag der neuen Zweitligasaison. Seine Freude über den Punkt war deshalb so groß, da er den FCN als einen der "absoluten Favoriten der Liga" einstufte, weshalb er seine Ausführungen mit dem Satz beendete: "Ich bin überzeugt, dass Nürnberg am Ende auf den ersten drei Plätzen landen wird." Dies löste Klauß' mimische Reaktion aus.

Statistisch gesehen waren in den ersten 90 Minuten der Saison mehr als genug Möglichkeiten da, um Klauß' Mundwinkel schon während der Partie in Bewegung zu bringen. 20 Torschüsse gaben die Franken ab, allerdings gingen nur drei davon auf das Tor des erfahrenen Aue-Torhüters Martin Männel. Die mangelnde Präzision im Abschluss war die FCN-Geschichte des ersten Pflichtspiels der Saison. Die Entscheidungen im letzten Drittel seien entweder falsch, überhastet oder nicht konsequent genug gewesen, erklärte der Club-Trainer. Seine Spieler sahen das ähnlich: Johannes Geis fehlte dort die "Ruhe und Cleverness", Tim Handwerker die "Genauigkeit".

Klauß und Shpileuski haben eine gemeinsame Vergangenheit bei RB Leipzig: Shpileuski trainierte von 2013 bis 2018 diverse Jugendteams der Leipziger, im selben Zeitraum war auch Klauß für RB tätig. Am Sonntag interpretierten sie ihre Rollen an der Seitenlinie ziemlich unterschiedlich: Während Klauß bis kurz vor der Halbzeitpause ruhig auf seinem Holzstuhl auf der Nürnberger Laufbahn saß, tigerte Shpileuski in seiner Coachingzone gestikulierend und viel kommunizierend auf und ab. Shpileuski hatte seinen Spielern von Beginn an viel mitzuteilen, da der Club sofort das Spiel bestimmte. Die Gäste machten die Räume eng und nahmen mit ihrer Defensivdreierkette Nürnbergs Offensivtrio Möller-Daehli/Shuranov/Borkowski im letzten Drittel meist in Manndeckung. "Wir wussten, dass es eklig wird", sagte Geis - und behielt damit Recht. Club-Trainer Robert Klauß vertraute im Abwehrzentrum Florian Hübner, der im Sommer von Union Berlin nach Nürnberg gewechselt war. Im Angriff setzte Klauß auf die Abteilung "Jugend forscht": Eric Shuranov und Dennis Borkowski sind beide 19 Jahre jung.

"Wir mussten auf jeden Fall leiden", sagt Aues Trainer Shpileuski

Johannes Geis dirigierte das Club-Spiel aus dem zentralen Mittelfeld gut, seine Verlagerungen auf die Außenbahnen initiierten mehrmals vielversprechende Aktionen, doch den Franken fehlte oft der Zug zum Tor oder die Abschlusspräzision. Stellvertretend dafür stand die Aktion von Borkowski in der 25. Minute, als er einen direkt gespielten Chip-Ball von Geis von der Strafraumgrenze weit über das Gäste-Tor setzte. Die einzig wirklich gute Möglichkeit der ersten Hälfte leitete Nürnbergs Zehner Mats Möller-Daehli ein: Der Norweger lief mit Tempo über die linke Seite Richtung Aue-Strafraum und steckte den Ball gut auf Shuranov durch. Der junge Club-Angreifer kam mit links aus zehn Metern zum Abschluss, scheiterte aber an Männel, der den Winkel gut verkürzte und den Schuss zur Ecke abwehrte (33.). Die wenigen Konterversuche spielte Aue nicht gut aus, zweimal in Person von Nicolas Kühn, der 21-jährigen Leihgabe des FC Bayern München.

In der zweiten Hälfte wurde der Druck seitens des Clubs, angefacht von 11089 lautstarken Zuschauern, immer größer - auch weil Trainer Klauß in Manuel Schäffler und Robin Hack früh zwei frische Offensivkräfte brachte (59.). Borkowski ging dadurch auf Linksaußen, Hack kreiste um Schäffler, und Möller-Daehli rückte etwas nach hinten ins Mittelfeld. Doch es fehlte weiterhin an Präzision im Abschluss: Borkowski versuchte es mehrmals, etwa nach feinem Zuspiel von Geis (63.), allerdings neben das Tor. "Wir mussten auf jeden Fall leiden", sagte Shpileuski.

An der Schlussviertelstunde bemängelte Klauß, dass sein Team "etwas kopflos" agiert habe. Einen Vorwurf macht er seiner Mannschaft deshalb aber nicht: "Lieber einmal zu viel nach vorne statt quer spielen", lautete sein Motto. Geis fügte an: "Wir haben gekämpft und wenig zugelassen. Das muss das Ziel sein in der zweiten Liga." Wenn demnächst auch noch bessere Entscheidungen in Tornähe getroffen werden, könnte für den Club in dieser Spielzeit tatsächlich einiges drin sein.

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