Süddeutsche Zeitung

1. FC Köln:Fortuna küsst Köln

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Der 1. FC Köln landet mit großem Engagement und dem nötigen Glück den dritten Sieg binnen einer Woche und vergrößert die Not beim Gegner.

Von Milan Pavlovic, Köln

Wer hätte gedacht, dass Köln mal stolz sein würde, es dem rheinischen Konkurrenten Düsseldorf gleichzutun? Vor exakt einem Jahr war die Fortuna innerhalb einer Woche vom verlachten Tabellenletzten (mit nur neun Punkten) zum Dreimalsieger aufgestiegen, der im gesicherten Mittelfeld der Liga überwinterte. In dieser Saison ist es Köln, das sich vorerst aus der größten Not befreit hat. Am 14. Spieltag in den Keller der Liga durchgereicht, gelang den Kölnern nun innerhalb einer Woche die Kehrtwende: Unerwarteten Erfolgen gegen international aktive Klubs aus Leverkusen (2:0) und Frankfurt (4:2) folgte der eminent wichtige 1:0 (1:0)-Sieg gegen den direkten Tabellenrivalen Werder Bremen. In acht Tagen sammelte der FC mehr Punkte als zuvor in vier Monaten.

"Vor einer Woche sah die Welt noch anders aus", gab Innenverteidiger Rafael Czichos zu bedenken, "aber wir haben an uns geglaubt und wir haben uns belohnt." Er hatte seinen Anteil daran, indem er in der 39. Minute das entscheidende Tor mit einem langen Ball auf Dominick Drexler einleitete. "Wenn ich ihn vorne halb gebückt rumlaufen sehe, dann weiß ich schon, was er möchte", sagte Czichos, also schlug er einen 40-Meter-Pass, den Drexler nach links abtropfen ließ, wo der unaufhörlich rackernde Jhon Cordoba den Ball aus sechs Metern über die Linie bugsierte.

"Der war schon lange unterwegs", sagte Czichos über seinen Pass, den Bremens Kapitän Niklas Moisander falsch berechnete, während dessen Teamkollege Milos Veljkovic den Torschützen ziemlich allein ließ. Es verwunderte nicht, dass Czichos nach einer Kunstpause sagte: "Ich bin einfach froh, dass der Ball angekommen ist."

Dann fügte er hinzu: "Im Fußball ist so vieles Kopfsache", und auch wenn das wie eine Phrase klingt, steckt darin eine unbestreitbare Wahrheit. Das kann man perfekt an Werder Bremen sehen, das vor kurzem noch höhere Ziele verfolgte - bis die Hanseaten begannen, in Serie zu verlieren. Das 0:1 in Köln war die sechste Niederlage in den vergangenen sieben Spielen, aus sechs Punkten Vorsprung auf Köln sind in Windeseile drei Zähler Rückstand geworden.

Am Sonntag rutschte Werder sogar noch auf den direkten Abstiegsplatz 17 ab. Die Partie in Köln sei "eine einmalige Ausnahme" gewesen, sagte Coach Florian Kohfeldt, weil er sein Team aufgrund der personellen Not und der "greifbaren Verunsicherung" extrem defensiv aufgestellt hatte - in der Hoffnung, Köln werde wegen der jüngsten Erfolge "vielleicht zu mutig" sein. Doch diesen Gefallen taten ihm die Gastgeber nicht, die abwartend agierten und mit großem Engagement und etlichen Grätschen das Publikum bei Laune hielten. Nach dem Wechsel "mussten wir den Energieleistungen dieser Woche Tribut zollen", räumte Trainer Markus Gisdol ein.

Angesichts diverser Verletzungspausen und Wechsel - Hector (27.) und Ehizibue (63.) auf Kölner Seite, Augustinsson (67.) bei Bremen - nannte der FC-Coach die zweite Halbzeit "eine Materialschlacht". Sie verlangte eine extreme Flexibilität ("wir konnten nicht so früh wechseln, wie wir wollten, weil in jeder Sekunde einem anderen etwas passieren konnte"), stahlharte Nerven und jenes Glück, das den Kölnern im ersten Saisondrittel gefehlt hatte, bevor es sie in den abschließenden drei Spielen umso ungenierter anlächelte.

Köln mauerte nur noch und hoffte vergeblich auf Konter. Doch in der Schlussphase entschieden bei drei Kernszenen wenige Zentimeter pro FC: Zunächst traf der sonst gut abgeschirmte Bremer Rashica die Latte (82.), dann stand der eingewechselte Pizarro einen Fuß im Abseits, als der Ball im Kölner Tor landete (83.), und in der sechsminütigen Nachspielzeit parierte Horn eine satte Volleyabnahme von Moisander.

"Das war eine megaerfolgreiche Woche", bilanzierte Kölns Sportchef Horst Heldt erfreut, "das hat sich die Mannschaft verdient." Er war ihm herzlich egal, dass "Not gegen Elend" gespielt hatte, wie der Bremer Einwechselspieler Fin Bartels befand, und dass der FC in Halbzeit zwei nicht eine einzige gute Chance hatte. Markus Gisdol bemühte sich derweil, vor Übermut zu warnen, erste Fotomontagen im Internet hatten ihn in dieser Woche ja schon als Triumphator mit Meisterschale und Pokal gezeigt: "Wir wären nicht in Köln, wenn jetzt nicht wieder die Träume beginnen würden. Ich kann nur sagen: ganz ruhig bleiben!" Der Trainer fand in Czichos einen Partner: "17 Punkte werden nicht reichen." Hole man in der Rückrunde wieder 17, "dann hätten wir 34, und das wäre zu wenig".

Was sollten da die Bremer nach der schlechtesten Hinrunde der Klubhistorie sagen? Geschäftsführer Frank Baumann kündigte zwei Wintertransfers an, ohne Namen zu nennen. Aufsichtsratschef Marco Bode versuchte es mit stoischer Ruhe, Trainer-Diskussionen brauche Florian Kohfeldt nicht zu befürchten: "Das wird bei uns nicht passieren." Ja, "die Situation ist nicht besser geworden", sagte Bode. Aber Werder Bremen bleibe Werder Bremen: "Wir werden nichts Unvernünftiges tun. Wir sind gut aufgestellt und werden das zusammen angehen." Wichtig sei der Zusammenhalt: "Wir steigen alle zusammen ab, und wir bleiben alle zusammen drin."

Trainer Kohfeldt klang weniger missverständlich, als er sagte: "Mit 14 Punkten kannst du keine Kampfansage machen, da ist man lieber leise. Aber ich bin überzeugt vom Team und von mir. Wir werden nicht absteigen. Wir werden das schaffen." Ersten Aufschluss wird schon der Auftakt nach der Winterpause liefern. Da führt Werders Weg zum nächsten Abstiegsgipfel am Rhein: nach Düsseldorf.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2019
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