Süddeutsche Zeitung

Journalistik-Studium:Leerfach? Lehrfach!

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Der Studiengang Journalistik soll angehende Journalisten ausbilden. Doch ist für den Beruf nicht Fachwissen wichtiger? SZ-Leser sagen ihre Meinung.

Zum Bericht darüber, was angehende Journalisten studieren sollten und was nicht schreiben Leser:

"Es gehört zur düsteren Seite der Geschichte des deutschen Journalismus, die Gesinnung für wichtiger zu nehmen als die Information. Und noch heute sind manche Journalisten vor Rückfällen in die Gesinnungsschreibe nicht gefeit. Zum Beispiel Detlef Esslinger, der einen Text veröffentlicht hat, der Fakten so weit verdreht, bis sie zum Vorurteil passen.

Wie in früheren Zeiten deutet er Journalismus als ein Talent wie Komponieren, Dichten und Bildermalen. Er behauptet, für einen guten Journalisten reiche es, irgendein Sachgebiet (egal, welches) möglichst lange - am besten Bachelor und Master - zu studieren, um anschließend in einer Redaktion das Handwerk gezeigt zu bekommen. Basta. Sein Kernsatz: "Die Hochschule ist dazu da, junge Menschen zu Fachleuten auf wenigstens einem Gebiet zu machen. Wer Journalistik studiert, ist anschließend Fachmann in nichts."

Die Wirklichkeit ist ganz anders. Hätte Esslinger in seiner Zunft recherchiert, hätte er zum Beispiel erfahren, dass die Mehrheit der Wirtschaftsredakteure deutscher Tageszeitungen keineswegs graduierte Wirtschaftswissenschaftler sind; dass die Kollegen des Sportressorts alles Mögliche und nur ausnahmsweise eine Sportdisziplin gelernt haben; dass die überwiegende Mehrheit der Lokalredakteure mitnichten Kommunalverwaltung studiert haben, sondern über ganz andere Qualifikationen verfügen. Ihre wichtigste lautet: journalistische Kompetenz. Und die muss mehr denn je geübt, studiert und begriffen werden.

Wir verbinden aus gutem Grund Fach- und Vermittlungskompetenz. Beides ist gleichermaßen wichtig. Und der Leipziger Journalistik-Studiengang war schon immer so konzipiert, dass die Studierenden auch beides erwerben: die Fachkompetenz in einem Sachgebiet und zugleich die Vermittlungskompetenz als Journalismus.

In den Studiengängen der Universitäten Dortmund und Leipzig ist im Übrigen das Redaktionsvolontariat integriert. Die Studierenden lernen bei uns, die Aufgaben des Journalismus in der Gesellschaft professionell wahrzunehmen, also keine Gesinnungen und Vorurteile hochzuschreiben, sondern kritisch nachzufragen. Und das Richtige vom Falschen zu trennen."

Prof. Dr. Michael Haller Leipzig

Verbindung von Fachwissen und Praxis

Sie haben zwar richtig dargestellt, dass Wirkungsforschung und Mediensysteme Bestandteil eines Journalistikstudiums sind. Die Eichstätter Journalistik auf den kommunikationswissenschaftlichen Anteil zu reduzieren, wird unserem Studiengang aber nicht gerecht. Mehr als ein Drittel unserer Ausbildung besteht aus einem Fachstudium.

Wir wählen einen Schwerpunkt, zum Beispiel Politik, Wirtschaft oder Lateinamerikanistik - so verbinden wir das von Ihnen vermisste Fachwissen mit journalistischer Praxis. Wir schreiben Texte, drehen Filme, machen Radio. In den Semesterferien absolvieren wir zusätzliche Praxisseminare. Dabei arbeiten wir mit Journalisten wie Thomas Steinmann von der Financial Times Deutschland oder Thomas Schuler von Netzwerk Recherche. Das ergänzt Praktika und freie Mitarbeit.

Natürlich macht uns dieses Studium nicht automatisch zu guten Journalisten. Das täte ein Fachstudium auch nicht. Kombiniert mit Engagement und Erfahrung ist der Eichstätter Studiengang aber eine gute Berufsgrundlage.

Bodo Straub für das 2. Semester Journalistik der Universität Eichstätt

Kein Abschluss ohne Volontariat

"Unsere Erziehung konnte nicht verhindern, dass aus den Kindern etwas geworden ist." Was der Vater aus dem eigenen Elternhaus immer als Scherz verstand, scheint Detlef Esslinger in seinem Beitrag über das Studium der Journalistik tatsächlich ernst zu meinen: Die vielen hundert Journalisten aus Dortmund, die deutschlandweit und nicht selten in leitender Position beim Fernsehen, beim Radio sowie im Print- und Onlinejournalismus arbeiten, sind höchstens ein Beispiel dafür, dass "Absolventen nicht wegen, sondern trotz ihres Studiums Chancen haben".

Statt Journalistik solle man lieber etwas anderes studieren - Indologie oder vielleicht sogar Chemie, so wie der ehemalige SZ-Redakteur und Autor dieses Leserbriefes, der als "Beleg" angeführt wird. Nach dem Studium eines Egal-was, so die Empfehlung in dem als Bericht platzierten Meinungsbeitrag, sei eine Journalistenschule oder ein Volontariat der Königsweg in den Journalismus.

Allein: Die praxisorientierten Dortmunder Studieninhalte haben viel mit der Ausbildung an Journalistenschulen gemeinsam - und gehen darüber hinaus. Neben der Journalistik wird zudem immer ein zweites Fach studiert. Ein einjähriges Volontariat bei anerkannten Medien - von A wie ARD bis Z wie Zeit - ist ebenfalls Teil des Studiums (was, wegen der begrenzten Plätze, der Grund für den Numerus clausus ist). Ohne Volontariat, kein Studienabschluss in Dortmund.

Fazit: Was Herr Esslinger anführt, mag für das Studium der (theoretischen) Kommunikationswissenschaften gelten. Für ein praxisorientiertes Journalistikstudium gilt es nicht. Sonst würden nicht sogar SZ-Redakteure nach Dortmund kommen, um dort zu lehren. Erhellend mag abschließend ein Vergleich mit der Lehrerausbildung sein: Würde man angehenden Lehrern heute noch raten, erst allein Biologie oder Englisch zu studieren und die eigentliche Qualifikation dann irgendwie nachzuholen?

Prof. Holger Wormer Dortmund

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Quelle:
SZ vom 22.08.2009
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