Süddeutsche Zeitung

Wandern in der Corona-Krise:Berg in Sicht

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Wochenlang haben deutsche und österreichische Alpenvereine vom Wandern abgeraten. Nun ändert sich das - doch wie soll "freudvolle Bergsportausübung in Zeiten von Covid-19" aussehen?

Von Hans Gasser

Dass die Alpenvereine explizit von Bergtouren abraten, dürfte in deren weit über hundertjährigen Geschichte wohl noch nie vorgekommen sein - bis zur Pandemie 2020. Im März dieses Jahres gaben alle großen Bergsteigervereine in den Alpenländern eine solche Empfehlung an ihre vielen Millionen Mitglieder heraus. Man wollte die von der Epidemie strapazierten Gesundheitssysteme nicht zusätzlich mit Verunglückten belasten, zudem wollte man Bergretter und Bergsteiger vor Infektionen schützen.

Jetzt, da sich die Infektionslage in den meisten Alpenländern deutlich verbessert hat, und viele Bergsportler sich auch nicht mehr abhalten lassen, gehen die Vereine von ihrer Warnung ab und kommen mit Konzepten an die Öffentlichkeit, wie ihrer Meinung nach "freudvolle Bergsportausübung in Zeiten von Covid-19 ", (so formuliert es der Österreichische Alpenverein, ÖAV) möglich sein könnte.

In Österreich haben die alpinen Vereine, zu denen etwa auch die Naturfreunde zählen, Leitlinien aufgestellt, an denen Bergsportler sich ab sofort orientieren sollen. Dazu zählt etwa, gewohnte Rituale wie das "Gipfelbussi" und Umarmungen zu unterlassen, Zärtlichkeiten also, die angesichts der Empfehlung, generell zwei Meter Abstand zum Bergpartner zu halten, ohnehin schwierig sein dürften. "Zusätzlich zur Erste-Hilfe-Ausrüstung empfehlen wir, Desinfektionsspray und Schutzmasken in den Rucksack einzupacken", sagt Michael Larcher, Bergsportbeauftragter beim ÖAV.

Könne man, wie etwa an einem Stand beim Klettern, die zwei Meter nicht einhalten, solle man den Mund-Nasen-Schutz verwenden. Beim Mountainbikefahren sind die Abstandsregeln fünf Meter beim Bergauf- und 20 Meter beim Bergabfahren. Bei Klettersteigen solle man am Einstieg abwarten, um Staus zu vermeiden oder darauf verzichten, wenn schon zu viele Leute eingestiegen sind. Wie praktikabel diese Empfehlungen sind, muss sich im Alltag erst noch zeigen. Die maximale Gruppengröße liegt bei zehn Bergsportlern.

Der Deutsche Alpenverein (DAV), der sein Abraten vom Berggehen erst vor zwei Tagen revidiert hat - wohl auch, weil in Bayern bis vor zwei Tagen noch Ausgangsbeschränkungen galten - will sich an diesen Empfehlungen orientieren, sie an die deutsche Gesetzeslage anpassen, wie Sprecher Thomas Bucher sagt. So darf man etwa in Bayern weiterhin nur mit einer fremden Person unterwegs sein.

Wann und vor allem wie die zahlreichen Berghütten wiedereröffnet werden können, hängt an den Entscheidungen der Länder in Bezug auf Hotels und Gastronomie. So wird der Restaurantbetrieb in den Schutzhütten in Österreich ab 15. Mai wieder möglich sein; Übernachtungen sollen analog zu den Hotels ab 29. Mai erlaubt sein. Ähnlich wird es in Bayern sein, wo es ab 18. und 29. Mai wieder losgehen soll. Wie genau man sich das in den oft engen Zimmern und Lagern vorstellt, wird gerade erarbeitet. Die DAV-Hütten in Österreich sind meist im Hochgebirge und öffnen ohnehin erst Mitte Juni.

In der Schweiz ist man da schon etwas weiter. Ab 11. Mai können dort die Berghütten wieder öffnen, müssen aber die Abstandsregel von zwei Metern zwischen den Tischen und fremden Personen gewährleisten. Damit die Hütten das leisten können, werden sie wohl mit geringerer Auslastung fahren müssen, sagt eine Sprecherin des Schweizer Alpen-Clubs (SAC).

So soll es künftig eine Reservierungspflicht auf SAC-Hütten geben, die Bergsteiger müssen Desinfektionsspray, Schutzmasken, Hüttenschlafsack und eigene Handtücher mitbringen. In der Schweiz dürfen maximal fünf Personen (abgesehen von Familien) miteinander unterwegs sein, sowohl im Tal als auch am Berg. SAC-Kurse gibt es noch nicht, Bergführer dürfen aber schon seit Anfang Mai wieder mit Gästen Touren unternehmen.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2020
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