Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Kampf den Kutschen

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Droschken rollen durch den Central Park in New York, Fiaker sind ein Wahrzeichen von Wien und auch in Berlin traben Rösser am Brandenburger Tor vorbei. Was Touristen gefällt, wollen nicht nur Tierschützer abschaffen.

Von Ulrike Heidenreich

King hat Anspruch auf fünf Wochen Urlaub auf dem Bauernhof. Er darf nicht mehr als neun Stunden am Tag arbeiten. Bei Temperaturen unter minus sieben oder über 32 Grad sollte er sich auf der Straße besser nicht blicken lassen, sonst schreitet die Polizei ein. Wann er eine Pferdedecke tragen muss, wie oft er den Hufschmied besucht - all dies ist gesetzlich geregelt.

King ist eines von 220 Kutschpferden im Central Park. Geht es nach dem neuen New Yorker Bürgermeister, steht er demnächst nur noch auf der grünen Weide - und 170 Fahrer werden arbeitslos. Denn Bill de Blasio will Pferdekutschen verbannen, aus Tierschutzgründen. In vielen europäischen Großstädten gibt es ähnliche Forderungen; vielerorts wurden bereits Konsequenzen gezogen.

68 Gespanne, dekoriert mit Blumen, kutschieren Touristen durch die grüne Lunge New Yorks. Doch um zum Central Park zu kommen, müssen die Pferde aus ihren Ställen nahe dem Hudson River durch die Straßenschluchten Manhattans traben. Immer wieder reißt sich eines in Panik los. Als ein Ross vor laufenden Kameras tot umfiel, war Amerika auf allen Kanälen entsetzt.

"Die Pferde arbeiten im Straßenverkehr mit ihren Nüstern an den Auspuffrohren", sagt eine Sprecherin der Tierschutzgruppe NYClass, die de Blasio im Wahlkampf mit hohen Spenden unterstützte. Der zeigt sich nun dankbar und will vom New Yorker Stadtrat die Zustimmung für ein Verbot einholen - nach dem Vorbild weiterer amerikanischer Städte. "Unmenschlich" und "nicht angemessen im Jahr 2014" seien die Kutschen, so der Bürgermeister. Die Fuhrunternehmer wappnen sich: Sie rufen zu Spenden auf für Rechtsstreitigkeiten, werden klagen.

Hitzefrei für Wiener Rösser?

In Wien, der Welthauptstadt der Fiaker, sind die Kutscher bereits sturmerprobt. Mal fordern Tierschützer Fahrverbot bei Glatteis, mal gibt es Mahnwachen auf dem Stephansplatz. Das geht seit Jahren so. Im vergangenen Sommer wollten die Grünen den Vierbeinern wenigstens ab 30 Grad hitzefrei geben.

Die Tierschutz-Organisation Peta verweist darauf, dass in Städten wie London, Toronto und Peking auf kommerzielle Kaleschen verzichtet werde, auch in Brüssel wird darüber diskutiert. "Pferde sind keine Maschinen, sie gehören nicht in den modernen Straßenverkehr" sagt Peter Höffken, Kampagnenleiter von Peta.

2013 verzeichnete die Organisation einen Höchststand: Bei 50 Kutsch-Unfällen in Deutschland starben fünf Menschen. Sechs Pferde verendeten, 98 Fahrgäste wurden verletzt. "Dass die Unfälle so schlimm verlaufen, liegt auch daran, dass Kutschen keine Airbags, keine Gurte haben." Peta kämpft nun in Berlin für ein Verbot. Dort lassen etwa 100 Tiere rund ums Brandenburger Tor Pferdeäpfel fallen.

Auf dem harten Pflaster der Touristenstadt Rothenburg ob der Tauber dürfen schon seit 2010 keine Fuhrwerke mehr fahren.

In New York sind die Menschen auf der Seite der Kutscher. In einer Umfrage lehnten 61 Prozent ein Verbot ab. Auch die New York Times will weiter Pferde durch die Stadt traben sehen. Auffällig sei, dass Immobilien-Investoren das Verbot vorantreiben, schrieb ein Kommentator. Die Pferdeställe stehen nämlich auf wertvollen Grundstücken im Trendviertel Hell's Kitchen.

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Quelle:
SZ vom 25.03.2014
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