Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Digitales Verkehrschaos

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Einen Wagen bestellt, aber sechs vor der Tür: Die selbst fahrenden Taxis in San Francisco haben noch Abstimmungsprobleme.

Glosse von Stefan Fischer

Was wäre ein Taxi ohne seinen Fahrer oder seine Fahrerin? Bloß ein weiteres Auto, das im Stau steht oder einem die Vorfahrt nimmt. Erst durch den Menschen am Steuer wird ein Taxi zu einem "Tagesschau"-Studio, einer rollenden Therapeuten-Couch oder einem Speed-Dating-Lokal. Je nach Agenda des Chauffeurs, manchmal auch des Fahrgasts.

Jim Jarmusch hat in seinem wunderbaren Episodenfilm "Night on Earth" fünf solcher Begegnungen inszeniert. Sie sind mal schonungslos, mal herzerwärmend, mal beides zur selben Zeit - Armin Mueller-Stahl als DDR-Flüchtling, der sich mit seinem Taxi nach Brooklyn verirrt. Roberto Benigni, der einen Priester durch seinen Fahrstil und seine Beichte in eine Herzattacke manövriert ... In Luc Bessons Actionfilm "Das fünfte Element" kann Bruce Willis überhaupt nur deshalb die Welt retten, weil er aber auch wirklich alles aus seinem Taxi herausholt.

Der Nimbus von Taxis rührt auch daher, dass sie nicht beliebig verfügbar sind. Braucht man eines, ist bestimmt gerade keines verfügbar. Die Neue-Deutsche-Welle-Band DÖF hat eine solche Tragödie besungen in ihrem Hit "Taxi": Darin ruft eine Frau ihren Liebhaber an, die Luft sei rein, ihr Mann gerade zur Tür raus, er könne also rasch vorbeikommen. Er ruft ein Taxi, steht dann in der Kälte "und wartet auf ein Taxi, aber es kommt nicht, kommt nicht, kommt nicht". Obwohl die Frau in der Taxizentrale verspricht: "Der Wagen 734 ist in drei Minuten hier."

Natürlich ist auch dieses Gewerbe längst vollauf digitalisiert und damit um vieles zuverlässiger. Speziell in der Silicon-Valley-Hauptstadt San Francisco kann niemand mehr etwas in einer Taxizentrale verbaseln, und man ist auch nicht von den Launen und der Ortskenntnis des Chauffeurs abhängig. Jedenfalls nachts. Dann sind in der Stadt führerlose Taxis unterwegs. Bestellt man ein solches Robotaxi, kommt es prompt. Und dann noch eines. Und noch eines. Insgesamt sechs dieser selbst steuernden Taxis haben sich unlängst am selben Ort eingefunden - und dort dann die Straße blockiert. Einige konnten schließlich per Funk fortgelotst werden, andere mussten von Mitarbeitern des Unternehmens weggefahren werden.

Nicht vom Fleck zu kommen, obwohl genügend Taxis da sind, ist noch bescheuerter, als keines auftreiben zu können. Und wenn sich all die Roboautos dann endlich entknäuelt haben, sitzt obendrein niemand drin, dem man sein Leid klagen könnte. Da kann man ja gleich U-Bahn fahren.

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