Süddeutsche Zeitung

Skihütte in den Dolomiten:Pizza für Pisten-Cowboys

Lesezeit: 2 min

Auf der Las Vegas Lodge in Südtirol begrüßt der Wirt seine Gäste freundlich mit der Faust. Und die sind zahlreich: Gut 600 Skifahrer wollen jeden Tag Carbonara, Speckknödel oder Hirschmedaillons essen. Viele bleiben bis in die Nacht.

Von Lars Reichardt

Er vermisst nichts da oben auf 2000 Metern Höhe, sagt der Hüttenwirt. Seinen Gästen gehe es ebenso, glaubt er zu wissen. Ulli Crazzolara bietet jedem an, ihn außerhalb der Gondelfahrtzeiten ins Dorf hinunterzubringen und auch wieder zu holen, mit dem Jeep, dem Schneemobil oder der großen Schneekatze, aber die allermeisten wollten gar nicht runter, solange sie sich auf der Las Vegas Lodge eingemietet haben. Sechs Minuten braucht die Gondel für die 500 Höhenmeter vom Dorf San Cassiano hinauf auf den Berg. Dort sei es ein komplett anderes Leben, "am zweiten Tag fällt der Stress von einem ab", meint Ulli, der so schnell redet, weil er im Winter kaum Zeit findet zum Plaudern, so viel Stress hat er selbst.

Gut 600 Skifahrer wollen jeden Tag im Winter Carbonara, Speckknödel, Hirschmedaillons oder Tagliata essen, die letzten gehen um ein Uhr nachts. Die Karte ist groß für eine Hütte, die meisten sind Stammgäste und wollen etwas Abwechslung. Viele Einheimische aus dem Dorf kommen hoch, auch die Carabinieri. Mittwoch ist Pizzatag, dann kommen die Tourengeher, die nachts die Piste herunterfahren. Oder rodeln. Und wenn sie zu viel getrunken haben, fährt sie Ulli mit dem Schneemobil.

Las Vegas, was für ein blödsinniger Name für eine Hütte in den Dolomiten. Dachte sich auch Ulli, als er die Hütte im Jahr 2000 kaufte. Die Vorbesitzerin hatte eine Freundin in Nevada, daher der Name. Ulli traute sich nicht, ihn zu ändern, er stand ja schon auf Landkarten. Mittlerweile ist er froh drum. Die ladinischen Namen der Nachbarhütten - "Üeti Pic Priz" liest man und kann sie sich nicht merken. Ein Las Vegas am Gipfel vergisst man nicht.

Neuneinhalb Monate lebt Ulli auf seiner eigenen Hütte. In Zimmer Nummer 1, die eins ist ihm ein wenig peinlich und soll nichts bedeuten, die anderen sieben Zimmer sind auch eher größer als seines. Aus dem Fenster von Nummer eins kann Ulli die Bunker am Lagazuoi sehen, nicht mehr als zwei Kilometer Luftlinie sind es zu den in Fels gehauenen Stellungen an der Grenze von Südtirol zum Veneto. Fünf Jahre lang haben sich die Soldaten in 2800 Metern Höhe hier in den Dolomiten im Ersten Weltkrieg beschossen.

19 Jahre führt Ulli jetzt das Leben eines Hüttenwirts. Davor war er Skirennfahrer, Riesenslalom, bis mit 22 sein Knie kaputt ging. Bis vierzig war er Skilehrer, nahm auch an den Skilehrerweltmeisterschaften in Japan teil, fuhr Motocross in Namibia und mit dem Mountainbike über die Dolomitenpässe, mehr als 100 Pokale und Medaillen liegen in Ullis Hütte verteilt. Nebenbei führte er einen Elektrobetrieb im Dorf, bis er schließlich die Hütte kaufte und renovierte. Sechs Geschwister hat er, fünf davon arbeiten in der Gastronomie. Ulli war in der Mitte. "Ich hatte es am schwierigsten, aber in der Mitte liegt das Beste, wie beim Sandwich." Alle gingen in Brixen auf eine Klosterschule. "Wenn ich Pech gehabt hätte, wäre ich Priester geworden, das war in kinderreichen Südtiroler Familien so üblich", erzählt er. Aber Ulli hat in Las Vegas sein Glück gemacht und begrüßt seine Gäste nach Snowboarder-Art mit der Faust.

Las Vegas Lodge, Piz Sorega 15, St. Kassian, Italien, Tel.: 0039 / 0471 / 84 01 38, lasvegasonline.it

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Quelle:
SZ vom 24.12.2019
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