Süddeutsche Zeitung

Sommerferien in Nordrhein-Westfalen:Endlich Urlaub

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Staus auf Autobahnen, Warteschlangen an Flughäfen, politische Krisen - nichts kann die Deutschen erschrecken. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen beginnen an diesem Wochenende die Sommerferien. Die wichtigsten Fakten und Trends zur Reisesaison.

Von Michael Kuntz

Das Urlaubsglück beginnt entweder im Stau auf der Autobahn oder in der Warteschlange vor dem Check-in-Schalter am Flughafen. Wem beides erspart bleibt, der hat Glück gehabt. Sehr wahrscheinlich hat er das jedoch nicht, denn an diesem Wochenende beginnen die Sommerferien in Nordrhein-Westfalen.

Viele der 17,6 Millionen Einwohner des bevölkerungsreichsten Bundeslandes werden gleichzeitig in den Urlaub aufbrechen. Die Forderung der Reiseindustrie nach einer Entzerrung der Ferienzeiten wird wieder neue Anhänger finden. Ein Land trifft sich auf der Autobahn.

Ferienzeiten entzerren und abwechseln

Das könnte man ändern, sagt Jürgen Büchy, der Präsident des Reiseverbandes DRV. "Die Zeiträume zwischen dem frühesten Ferienbeginn und dem spätesten Ferienende sind zu eng bemessen." Die führende Interessenvertretung von Veranstaltern und Reisebüros kämpft für längere Sommerferien, verteilt über die 92 Tage vom 15. Juni bis 15. September. Dummerweise haben die Kultusminister auch für 2014 nur 73 Tage vorgesehen. "Leidtragende sind Familien mit schulpflichtigen Kindern", findet Büchy. Für alle Urlauber wäre es gut, das Gedränge auf Autobahnen und an Flughäfen mehr zu entzerren. Die Kultusminister wollen Anfang 2014 über eine Neuregelung entscheiden, die dann von 2018 an gelten soll.

Derzeit pochen die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg auf einen regelmäßigen Ferienbeginn Ende Juli bei sich. "Diese Blockadehaltung verhindert bislang das sogenannte rollierende System als tragfähigen und fairen Ansatz." Bei dem würden sich die Bundesländer im Sommer bei den frühen, mittleren und späteren Zeiträumen abwechseln.

Eine Verlängerung der Ferienzeit brächte massive wirtschaftliche Vorteile, hat der DRV ausgerechnet. Mit jedem zusätzlichen Ferientag gehen danach rund eine Million Übernachtungen und Umsätze von rund 100 Millionen Euro für das Hotel- und Gastgewerbe einher. Die Reiseindustrie ist mit 2,9 Millionen Beschäftigten eine Schlüsselbranche, von ihr abhängig sind sieben Prozent der Arbeitsplätze.

Urlaub auch ohne Reisebüro

Dabei läuft viel auch ohne Reiseindustrie. Mehr als jeder zweite Deutsche fährt gern auf eigene Faust in den Urlaub. Nur 40 Prozent lassen sich ihren Urlaub von einem Reiseveranstalter oder einem Reisebüro organisieren. Gefragt ist Erholung, möglichst mit Garantie. Jeder zweite typische Urlauber steigt in sein Auto, ein Drittel steuert dann ein Ziel im Inland an. Die beliebtesten Ziele liegen in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, gefolgt von Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die gefragtesten Städte sind Berlin, München und Hamburg. Eine Urlaubsreise dauert im Schnitt zwischen zehn und elf Tagen, das ist seit Jahren so.

Pauschalurlaub am Mittelmeer

Wer eine Pauschalreise bucht, urlaubt meist rund um das Mittelmeer. Hier liegen die beliebtesten Ziele Spanien, Italien und die Türkei, gefolgt von Österreich, Kroatien und Frankreich als den weiteren Lieblingsländern deutscher Touristen. Nur sechs Prozent aller Urlaubsreisen gehen nach Osteuropa, noch weniger nach Skandinavien. Fernreisen machen nur 7,2 Prozent unter allen Urlaubsreisen mit einer Mindestdauer von fünf Tagen aus.

Urlaub in politischen Krisenländern

Die Urlaubsindustrie erweist sich auch in diesem Jahr als krisenfest. Gereist wird immer, nur die Vorlieben ändern sich. Griechenland kehre zurück, berichten die großen Veranstalter übereinstimmend. Es sind allerdings nicht immer die solventen Stammgäste von früher, die nun eines der zahlreichen Sonderangebote buchen, mit denen die Griechen den Ausweg aus ihrer Staatsschuldenkrise suchen. Nach einem Rückgang der Gästezahlen um 50 Prozent legt das Land wieder zu.

In der Türkei haben sich die Demonstrationen in den Großstädten bisher nur auf Städtereisen und Ausflüge nach Istanbul ausgewirkt. Am Mittelmeer läuft alles normal. Die Pleite der Fluggesellschaft Sky Airlines wird von einer Branche offenbar gut aufgefangen, die früher regelmäßig Überkapazitäten beklagte.

Schwieriger ist die Situation in Ägypten, wo die anhaltenden politischen Unruhen die Nilkreuzfahrten praktisch zum Erliegen gebracht haben. Auch für die Hotels am Roten Meer, wo die Urlauber in einer abgeschotteten Parallelwelt wenig von den Verhältnissen im Land mitbekommen, gibt es kaum noch neue Buchungen.

FTI-Eigentümer Dietmar Gunz spricht von einer "sozialen Verantwortung" auch für seine 500 Mitarbeiter vor Ort. FTI baut zum Winter sein Angebot in Ägypten um ein Drittel auf, im Vertrauen auf eine baldige Stabilisierung der Verhältnisse. Der viertgrößte Reiseveranstalter macht aber nur sechs Prozent seines Umsatzes in Ägypten, "deshalb ist das wirtschaftliche Risiko für uns relativ überschaubar", so Gunz. DER-Touristik mit den Marken IST, Jahn Reisen und Tjaereborg senkt die Preise für Flugreisen nach Ägypten im Winter um drei Prozent. "Wir glauben mittel- und langfristig an das attraktive Ganzjahresziel Ägypten", sagt DER-Chef Sören Hartmann.

Alternative Spanien, in Exklusivhotels

Doch die Reiseveranstalter besitzen natürlich einen Plan B für den Fall, dass Ägypten noch längere Zeit als Ferienziel ausfällt. Sie chartern deutlich mehr Flugzeuge nach Spanien. Sie sichern sich Betten auf den Kanarischen Inseln, möglichst ganze Hotels, die sie dann allein anbieten. Bei Alltours sind 90 der 270 Hotels auf den sechs Atlantikinseln exklusiv.

Damit entziehen sich die Veranstalter einerseits lästigen Preisvergleichen für ein Hotel, wie sie vor allem im Internet in Mode gekommen sind. Andererseits können sie in eigenen Häusern leichter ihre Standards durchsetzen, mit denen sie dann wiederum entsprechende Garantieversprechen abgeben können.

Angefangen hat das alles vor ein paar Jahren mit speziellen Hotelmarken für anspruchsvolle ältere Paare. Meerblick, edles Essen und Wellness alles inklusive. Das System wurde verfeinert auch für Familienurlaube, und der neueste Trend besteht darin, nun auch eher schlichte Ferienhotels aufzupeppen. Frei nach dem Motto: Das Motel One für den Urlaub.

Rettung in die Pauschalreise

Zur Not sollen die Kanaren bringen, was sich in Ägypten und vielleicht auch der Türkei derzeit nicht verdienen lässt. Durch die Bank wollen die Reiseveranstalter beim Umsatz zweistellig zulegen. Gerade in unruhigen Zeiten wissen offenbar viele Menschen die Vorteile einer Pauschalreise zu schätzen, bei der in schwierigen Situationen mit Unterstützung zu rechnen ist.

Hochsaison für Urlaubsretter

Rechtzeitig zur Reisesaison melden sich die Urlaubsretter zu Wort. Sie erklären, wie man sich am wirkungsvollsten beschwert und dabei möglicherweise sogar einen Teil des Reisepreises zurückbezahlt bekommt. Oder zumindest einen Gratisdrink an der Bar oder einen Tag Mietwagen. Generell aber gilt bei im vorigen Jahr 53,6 Millionen Reisenden: Die meisten Deutschen fahren in den Urlaub, um sich zu erholen, nicht um sich zu beschweren.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2013
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