Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Hin und weg:Geliebte Kälte

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Erst das Virus, jetzt die Energiekrise: Warum wir uns das Skifahren trotzdem nicht vermiesen lassen.

Glosse von Hans Gasser

Die einen lieben sie, die anderen würden am liebsten vor ihr abhauen, wieder andere leben von ihr. Die Rede ist, natürlich, von der Kälte, der winterlichen Kälte wohlgemerkt, vorzugsweise draußen zu genießen und nicht in unterheizten Büros oder Wohnungen.

Was gibt es Schöneres, als an einem klirrend kalten, sonnigen Wintertag vor die Tür zu treten, die eisige Luft in der Nase zu spüren, den glitzernden Schnee zu sehen, mit der Aussicht, an diesem Tag zum Skifahren, Eislaufen oder einfach spazieren zu gehen?

Ja, nach Teneriffa oder Sansibar zu fliegen, werden die notorischen Wintermuffel sagen, die lieber bei 30 Grad und 95 Prozent Luftfeuchte in ihrem eigenen Saft schmoren. Sollen sie gerne, jeder, wie er mag.

Nur wurde den Freunden des Winters und der Kälte in den vergangenen Jahren übel mitgespielt. Wir erinnern uns: Team Vorsicht (jetzt: Team Laissez-faire) hielt Skifahren an der frischen Luft und Grenzübertritte nach Österreich für derart schädlich für die öffentliche Gesundheit, dass beides kurzerhand verunmöglicht wurde.

Jetzt, wo die Pandemie ihren Schrecken verloren hat, ja sich womöglich dem Ende zuneigt, hätte eigentlich alles für einen ungetrübten Spaß in Schnee und Eis und Kälte gesprochen. Noch dazu, wo es diesmal schon vor Weihnachten kalt und alles weiß ist.

Doch die Rechnung haben wir Winterfreunde ohne Väterchen Frost gemacht, der ja bekanntlich aus Russland kommt, diesmal aber in Gestalt einer hässlichen Fratze und nicht eines lieben, knollennasigen Opas. Energie ist teuer, und deshalb wird Skifahren noch teurer, als es ohnehin schon war.

Wer es sich trotzdem ab und zu leisten möchte und kann, muss - große allgemeine Wehklage! - mit abgeschalteter Gesäßheizung am Sessellift und etwas langsameren Fahrten rechnen. Pah! Was hätten wir Winterliebhaber früher getan, möchte man den Jüngeren zurufen, als die Sesselliftfahrt in der Kindheit geschlagene 20 Minuten gedauert hat bei minus zwölf Grad? Man bekam vom Liftmann eine alte graue Militärdecke zugesteckt und warf sie sich wie ein Zelt über den Kopf.

Nein, das wird die Wintermenschen nicht abhalten von ihrem Spaß. Ungemach droht neben den hohen Ticketpreisen von ganz anderer Seite. So forderte jüngst der Vorsitzende des Bund Naturschutz Bayern, die Skigebietsbetreiber sollten doch wegen der Energiekrise in diesem Winter aus "Solidarität" die energieintensiven Beschneiungsanlagen ausgeschaltet lassen.

Hm. Mal abgesehen davon, mit wem die Skigebietsbetreiber da Solidarität zeigen sollten; und auch davon, dass man natürlich den ganzen Zirkus kritisieren kann, ja muss - der Vorschlag ist ungefähr so, als würde man einem Milchbauern sagen: Hör auf mit dem Kühemelken, denn das verbraucht zu viel Energie.

Und so werden die Betreiber ein bisschen empört lachen, ihre Kanonen anschmeißen und sich über die aktuelle Kälte freuen, die ihr Geschäftsmodell überhaupt erst ermöglicht.

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