Süddeutsche Zeitung

#Realisbeautiful:Litauisches Tourismusamt wirbt mit Bildern aus Finnland

Lesezeit: 2 min

Mit der Kampagne "Real is beautiful" fordert Litauen Touristen auf, das Land zu bereisen. Bloß schade, dass die Bilder von ganz anderen Zielen stammen.

Von Lea Kramer

Mit leeren Straßen, ausgestorbenen Wanderwegen und verlassenen Landstrichen lässt sich schlecht werben. Wohl aber mit Fotos von fröhlichen Menschen beim Schlittschuhlaufen, malerischen Holzhütten und einer Hundeschlittenfahrt durch die verschneite Natur. Das dachte sich auch das litauische Tourismusministerium und verwendte entsprechende Aufnahmen für eine neue Social-Media-Kampagne mit dem Titel "Real is Beautiful", die für Reisen in das baltische Land warb.

"Real ist schön", blöd nur, wenn das Abgebildete zwar authentisch ist, aber eben nicht echt. Die Motive auf den Bildern gibt es zwar. Nur in Litauen sucht man nach vielen der gezeigten Orte vergebens. Bei einigen der Fotografien handelt es sich nämlich um Stockmaterial. Fotos, lizenfreie Bilder mit möglichst generischem Sujet. Aufgenommen wurden diese in Norwegen, Finnland oder der Slowakei.

Agentur bekam 140 000 Euro für Kampagne

Für die kreative Erweiterung der litauischen Landesgrenzen ernteten die Macher der Kampagne herbe Kritik. Das Tourismusministerium ließ diese nicht gelten. Auch Bilder anderer Länder könnten "Emotionen transportieren", verteidigte sich die Behörde zunächst.

Sie hatte im vergangenen Jahr einen mit 140 000 Euro dotierten Wettbewerb ausgelobt, um Touristen wieder vermehrt ins Land zu locken. Die Gewinner-Agentur hatte sich dazu verpflichtet, von Oktober an ein Jahr lang passende Bilder auf Instagram und Facebook zu veröffentlichen. Die litauische Zeitung 15min hat 700 der Bilder ausgewertet. Demnach stammen knapp die Hälfte von ihnen von der Bildagentur Shutterstock oder dem Fotoportal Flickr - immerhin der Rest soll "echt litauisch" sein. Im Interview mit 15min vergleicht ein Sprecher das Geschäftsgebaren seines Unternehmens mit dem in der Filmindustrie. "Ein großer Teil des Films 'Krieg und Frieden' wurde in Litauen gedreht, in der Vorstellung des Publikums handelt es sich um Russland oder Österreich, für die Zuschauer macht das alles keinen Unterschied."

Finanziell macht es für die Litauer womöglich doch einen Unterschied. Schließlich wurde die Kampagne öffentlich gefördert. 15 min vermutet, dass die beauftragte Agentur Geld sparen wollte, in dem sie das Stockmaterial selbst produzierten Landschaftsaufnahmen vorzog.

Reaktionen aus dem Netz

Nach Bekanntwerden des Schwindels ließen Reaktionen der Litauer in den sozialen Netzwerken nicht lange auf sich warten. Unter dem Hashtag #realisbeautiful machten sie sich mit Aufnahmen von Obdachlosen, Müllbergen, Betrunkenen und den Worten: "wirklich schön hier" über die Kampagne lustig.

Kurzzeitig hat sich sogar der neue litauische Premier Saulius Skvernelis in den Spott im Netz eingeschaltet. Mit den Zeilen "Ab Morgen beginnt die Arbeit in unserem neuen Regierungungsgebäude in Karoliniskes (einem Vorort der litauischen Hauptstadt Vilnius)" veröffentlichte er ein Foto des Sitzes der Europäischen Kommission in Brüssel. Dazu stellte er ein freudiges Smiley. Später ruderte er zurück und kündigte Ermittlungen in der "betrügerischen" Sache an.

Inzwischen hat Litauens Tourismusministerin Jurgita Kazlauskiene ihren Rücktritt eingereicht, viele der Bilder wurden gelöscht. Vielleicht kehrt sie zurück in ihren alten Job als Chefin der Vereinigung der litauischen Ferienorte und besucht dann zum Beispiel die Kurische Nehrung. Die berühmte Halbinsel an Litauens westlicher Ostseeküste gehört zum Unesco-Weltkulturerbe, war einst Thomas Manns Lieblingsferienort und hat das Prädikat "echt schön" wirklich verdient.

Mit Material von AFP.

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