Süddeutsche Zeitung

Politisch korrekt verreisen:Wir wollen das nicht, Herr Rikschafahrer!

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Deutsche reisen nach Asien, weil es dort schön ist und billig noch dazu - und stecken angesichts der Armut in einer moralischen Zwickmühle.

Hilmar Klute

Manchmal muss man als Tourist ja gleich zwei oder drei Länder - sagen wir Thailand, Malaysia und Singapur - mitnehmen, da fällt die Zeit für kürzere Ausflüge zwangsläufig knapp aus.

Wenn er beispielsweise mit einem innen wie außen luxuriös ausgestatteten Zug wie dem Eastern und Oriental Express im Bahnhof von Butterworth ankommt, erwartet der Bahnreisende, einen kurzen, aber lehrreichen Ausflug auf die malayische Insel Penang angeboten zu bekommen. Eine Fähre setzt einen Teil der Bahnreisenden über - andere der zumeist älteren Herrschaften ziehen dagegen die angenehme Klimaanlage des Zuges einem Aufenthalt in der immerhin an die 35 Grad warmen Luft vor.

Zumal die Hitze bei der Überfahrt nach Penang trotz des Seewindes nicht nachlässt, aber es soll hier gar nicht so sehr um die Bekömmlichkeit des tropischen Klimas gehen, als vielmehr um die Frage, wie man sich als europäischer Reisender politisch korrekt fortbewegt.

Eine eigentümliche Problemstellung auf den ersten Blick, zumal wenn einer ohnehin bereits mit einem Zug des Luxussegments unterwegs ist, was ja schon eine kleine Provokation respektive eine touristische Dekadenz darstellt. Auf der Insel Penang angekommen, wird der Reisende mit dem Bus weitergefahren zum Khoo Kongsi, das ist das ziemlich aufwändig gestaltete Haus eines chinesischen Clans, kurz, eine profitable Touristenattraktion.

Der Reisende durchmisst das Gebäude, wie er bereits in den Wochen zuvor Dutzende von Tempeln und vergleichbaren religiösen Anlagen durchschritten hat.

Aber als er herauskommt, erschrickt er doch sehr vor dem, was sich da während seines Rundgangs in aller Stille und mit logistischem Bienenfleiß aufgebaut hat:

Der Kopfsteinpflasterplatz ist randvoll mit Fahrrad-Rikschas, und der Reisende weiß, dass er keine andere Wahl hat, als mit einem dieser Fahrzeuge zu seiner nächsten Station gebracht zu werden, dem feinen Eastern and Oriental Hotel von Georgetown.

Und jetzt endlich die Frage: Darf man das? Soll man wirklich in dieser Kutsche Platz nehmen und sich als kräftiger junger Europäer von einem sehr dünnen und, Verzeihung, auch ziemlich alten Mann durch die Straßen kutschieren lassen?

Die Frage brennt noch, während man schon sitzt und spürt, wie der Kutscher sich bei Steigungen sogar ein bisschen von seinem Fahrradsattel erheben muss.

Der Mann ist sogar so freundlich, zwischendurch zu erklären, was es mit den Gebäuden links und rechts auf sich hat, mit dem blauen Haus dort zum Beispiel, mit der christlichen Kirche, dem alten, schön eingewachsenen Friedhof linker Hand und den Einrichtungen der chinesischen Bevölkerung auf Penang.

Er bemüht sich um uns, er möchte nicht nur ein guter Fahrer, sondern auch ein verlässlicher Gastgeber und Fremdenführer sein, und wir können lediglich schon mal die Dollarscheine abzählen, die wir ihm am Zielort zustecken werden.

Was, wenn man sagen würde, nein, wir fahren da nicht mit, wir wollen Sie nicht ausbeuten, Herr Rikschafahrer, und außerdem halten wir das Kräfteverhältnis für unausgewogen: Sie so zart und wir so feist.

Aber das geht natürlich nicht, weil wir dem Mann damit noch mehr schaden würden als mit unserem Körpergewicht. Der Rikschafahrer würde kein Geld erhalten, denn nur wenn er westliche Touristen durch Penang fahren kann, stimmt seine Kasse. Verdammte Globalisierung!

Als er endlich am Hotel ankommt, stecken die Reisenden dem Mann verschämt die Dollars zu und dann treten sie in die gut gekühlte Lobby, wo man ihnen einen Longdrink in die Hand drückt. Draußen auf der Terrasse haben sie dann gottseidank einen so schönen Blick auf den Pazifik, dass sie den dünnen alten Mann ganz schnell vergessen.

Was bleibt ist die bange Frucht, dass irgendjemand ein Foto von der peinlichen Dienstleistung geschossen haben könnte.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2008
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