Süddeutsche Zeitung

Overtourism in den Bergen:Parken muss teurer werden

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Leere Bergstraßen sind Vergangenheit, viele Alpenorte und Täler ersticken im Verkehr. Die Zeit ist reif für klare statt halbherzige Maßnahmen dagegen.

Kommentar von Dominik Prantl

Die Gäste am Pragser Wildsee haben offenbar ein echtes Problem; so ist es vielmals auf dem Bewertungsportal Tripadvisor nachzulesen: Das Parken rund um die Südtiroler Touristenattraktion ist ihnen zu teuer. Auf jenem Areal, das dem See am nächsten liegt, kosten drei Stunden sogar sechs Euro.

Ein gewisser Rainer meint, das Üble daran sei, dass man aus dem Auto steigen müsse, um die Höhe der Parkplatzgebühren überhaupt zu erkennen. Dabei sind die Autostellplätze an dem Touristentreff noch viel zu billig.

Denn inzwischen hat auch am Pragser Wildsee die Kombination aus TV-Serien-Drehort - in diesem Fall die "Bergpolizei" mit Terence Hill - und Instagram-fähiger Szenerie den gewohnt unheilvollen Schneeballeffekt entfaltet.

Wobei weniger die Menschen als die Fahrzeuge das Ärgernis sind. Zuletzt wurden auf der Stichstraße, die zum See führt, an Spitzentagen bis zu 7000 Autos gezählt. Als damit im vergangenen Jahr das Maß des Erträglichen endgültig überschritten zu sein schien, sperrte die Gemeinde die letzten fünf Anfahrtskilometer für die Eigenanfahrt mit dem Pkw, erst einmal nur für zwei Monate im Sommer, und zwar zwischen 10.30 und 14 Uhr. Wer zum See wollte, war auf Busse oder seine Füße angewiesen.

Die kurze Pkw-Pause kann aber nur ein Anfang gewesen sein. Gleiches gilt für die Experimente an den Dolomitenpässen, wo der Verkehr zuletzt durch eher zögerliche Eingriffe reduziert werden sollte. Darauf zu warten, dass ein Großteil der Urlauber das Auto freiwillig in der Garage stehen lässt, ist jedenfalls naiv.

Schluss mit "Alles für das Auto"

Um die Blechlawinen und damit eines der Hauptprobleme der Alpen zu entschärfen, braucht es vielmehr klare Maßnahmen von der Besucherlenkung über eine rigide Preispolitik bis hin zu Verboten - so sehr diese vordergründig auch mit dem Freiheitsverständnis des Reisenden und dem Gewinnstreben mancher Hoteliers kollidieren mögen.

Zwar häufen sich gute Initiativen wie das neue "Anschlussticket Südtirol", mit dem Eurocity-Reisende für einen geringen Aufpreis Linienbusse und öffentliche Seilbahnen nutzen dürfen. Doch ist in vielen Alpenregionen weiterhin eine ziemlich engstirnige Ausrichtung auf den motorisierten Untersatz als Heilsbringer festzustellen.

Nicht nur Bergtäler, auch Transitstrecken würden entlastet

An der - zeitlich begrenzt befahrbaren - Seiser Alm etwa ist der sündhaft teure Parkplatz immer noch günstiger als Hin- und Rückfahrt vom Talort mit Bus oder Gondelbahn für 18 Euro pro Person. Im Engtal des Karwendels wird zwar über die hohe Verkehrsbelastung gejammert, aber weiterhin auf eine lächerlich geringe Pkw-Mautgebühr gesetzt.

Dabei zeigt sich an Beispielen wie dem weitgehend autofreien Zermatt in der Schweiz, dass die Gäste auch bei der Anreise eher öffentliche Verkehrsmittel wählen, wenn sie nicht mehr mit dem eigenen Auto bis zu jedem Bergweg rollen können.

Derartige Begrenzungen entlasten also nicht nur die hintersten Täler, sondern auch die Transitstrecken. Und die Tripadvisors vom Wildsee müssten sich neben den Gebühren auch nicht mehr über den Parkplatzmangel aufregen.

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Quelle:
SZ vom 18.04.2019
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