Süddeutsche Zeitung

Neue Nachtzüge für Europa:Aufgewacht

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Die Deutsche Bahn baut ab 2021 mit Partnern das Nachtzugnetz aus - dabei hatte sie sich schon aus dem Geschäft verabschiedet

Von Markus Balser

Es klang ziemlich endgültig, als die Deutsche Bahn vor vier Jahren ein ganzes Geschäftsfeld aufgab: zu wenige Passagiere, zu hohe Kosten - zum Fahrplanwechsel im Dezember 2016 stieg die DB aus dem traditionsreichen Angebot von Schlaf- und Liegewagen aus. Zu groß seien die Verluste gewesen, klagte die Bahn damals und stellte einige Linien ganz ein, andere übergab sie an die österreichische Staatsbahn ÖBB. Man wollte lieber nichts mehr zu tun haben mit einem Angebot, das aus Sicht der DB keine Zukunft haben würde.

Doch offenbar haben die sich weiter verschärfende Klimakrise und die Corona-Pandemie, die Flugzeuge am Abheben hinderte, zu einem Umdenken geführt. Vor allem in der Politik.

In dieser Woche kündigten vier große europäische Bahnen, darunter auch die DB, eine kleine Renaissance der Nachtzüge an: Vom kommenden Jahr an werde es neue Verbindungen quer durch Europa geben. Vier neue Nachtzuglinien sollen künftig insgesamt 13 europäische Metropolen miteinander verbinden. Darauf hätten sich die vier Chefs der Schweizer SBB, der Deutschen Bahn, der österreichischen ÖBB und der französischen SNCF geeinigt, teilten die Konzerne mit.

Geplant sind ab Dezember 2021 zwei neue Linien, die Wien, München und Paris sowie Zürich, Köln und Amsterdam miteinander verbinden. Ab Dezember 2023 kommt die Nachtzugstrecke Berlin-Brüssel und ab Dezember 2024 dann auch Zürich-Barcelona hinzu. Europa solle so noch enger zusammenwachsen, teilten die Bahnen mit. Bereits zuvor war beschlossen worden, zum Fahrplanwechsel 2022 einen Nachtzug zwischen Zürich und Rom anzubieten.

Für das Projekt müssen auch neue Schlaf- und Liegewagen angeschafft werden, heißt es aus Konzernkreisen der Deutschen Bahn. Offenbar wollen die Unternehmen die Nachtzüge gemeinsam betreiben, es sei ein "Geschäft unter Partnern", erklärte Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz.

Noch stärker als der Wille der Bahn-Anbieter selbst könnte allerdings auch sanfter politischer Druck zum Ausbau des Angebots geführt haben. Die Ankündigung traf mit einer Verkehrsministerkonferenz am gleichen Tag zusammen: Europas Verkehrsminister, auch Andreas Scheuer, hatten sich zuletzt für einen Ausbau der Nachtzugstrecken eingesetzt. Bei allen vier Bahnunternehmen handelt es sich um Staatskonzerne, die sich den Wünschen der Verkehrsminister kaum verschließen können.

Der Rückzug der Deutschen Bahn aus dem Geschäft hatte 2016 schon heftige Proteste zur Folge. Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte, dass es noch immer Bedarf gebe. Nicht nur für Urlauber, sondern auch für Geschäftsleute sei es durchaus eine Alternative zum Flug, etwa von Hamburg nach Zürich im Schlaf- oder Liegewagen zu reisen. Bereits vor der Corona-Krise war der Druck der Politik gewachsen, das Angebot auf der Schiene in Deutschland wieder auszubauen.

"Keine Nostalgie, sondern attraktive Alternative zum Fliegen"

Ende vergangenen Jahres starteten mehrere deutsche Grünen-Politiker eine Initiative für ein europäisches Nachtzugnetz, "nicht aus Nostalgie", sondern als "attraktive Alternative zum europäischen Flugverkehr". Auch die FDP sprach sich dafür aus, Scheuer zeigte sich offen. Doch die Deutsche Bahn hatte stets signalisiert, nach dem eigenen Ausstieg vor einigen Jahren vorerst keinen neuen Einstieg in das Geschäft zu planen.

Und so kamen die entschlossensten Ankündigungen zum Ausbau des Geschäfts auch nicht von den Bahnkonzernen, sondern aus der Politik. "Nachtzüge sind die Zukunft der klimafreundlichen Mobilität innerhalb Europas", sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler aus Österreich. "Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, für ein gutes Angebot für die Menschen in Europa zu sorgen."

Abends in München oder Berlin in den Zug steigen und morgens entspannt in Paris oder Brüssel ankommen - in Europa könne man künftig noch klima- und umweltfreundlicher unterwegs sein, erklärte Scheuer.

Die bereits bestehenden Nachtzüge waren wegen der Corona-Pandemie vorübergehend ausgebremst, sie sollen aber auf manchen Strecken vom 9. Dezember an wieder fahren: Die Nightjets zwischen Österreich und Deutschland würden ihren Betrieb zumindest bis zum 10. oder 11. Januar wieder aufnehmen, teilte die ÖBB mit. Die neue Verbindung nach Amsterdam hat statt im Dezember nun erst im Frühjahr Premiere - voraussichtlich.

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