Süddeutsche Zeitung

Tirol:Heu machen für Anfänger

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Bergbauernleben im Urlaubspaket: In Tirol können Touristen bei der Heumahd helfen - doch zu viel Realität will man ihnen doch nicht zumuten.

Von Hans Gasser

Familie Triller geht zum Heumachen. Die Großeltern, der Sohn und zwei Enkel im Teenager-Alter bekommen je einen Rechen in die Hand gedrückt. Die Trillers sind aus Sachsen. Sie machen in Pfunds in Tirol Urlaub. Jetzt stehen sie an den sehr steilen Bergwiesen des Weilers Übersachsen, oberhalb von Tösens, weil sie das Angebot "Erlebnis Heumahd" gebucht haben. Vorgesehen war eigentlich sechs Uhr morgens, weil da das Gras noch feucht und leichter mähbar ist. Aber im Urlaub wollten die Gäste dann doch lieber nicht so früh aufstehen, weshalb der Tourismusverband es auf die Mittagszeit gelegt hat.

Bauer Benny Achenrainer begrüßt jeden mit Handschlag. Zusammen mit seiner Familie hat er bereits einen Großteil der Wiese gemäht. "Bis gestern Abend um zehn, mit Lampen, weil das Wetter so gut war." Nun dürfen die Gäste das Heu runter auf den schmalen Weg rechen, wo er es mit dem Heulader aufnehmen und in den Stadel fahren kann. "Aber Achtung," warnt der Bauer, "das trockene Heu ist rutschig wie Seife. Wenn ich da oben mit der Maschine mähe, habe ich Steigeisen an."

Tatsächlich sind die Bergmähder genannten Wiesen hier bis zu 50 Grad steil, was bedeutet, dass man an manchen Stellen die Hände zu Hilfe nehmen muss, wenn man hinauf will. Die zwei Teenager mühen sich nach Kräften, das Heu runter zu rechen, auch wenn sie immer wieder darauf ausrutschen. Auch die Oma hilft mit. Der Großvater hält sich abseits, sammelt Samen der Bergblumen auf, um sie zu Hause auszusäen. "Ich wollte den Kindern mal die Berge hier zeigen und ihnen eine naturnahe Lebensweise näherbringen", sagt Wilfried Triller. Sein Sohn macht begeistert Fotos mit dem Smartphone: "Wahnsinn. Ich habe die Berge noch nie grün gesehen." Er sei bisher nur zum Skifahren in den Alpen gewesen.

Das Angebot zur Mithilfe bei der Bergmahd ist neu. Es ist Teil des Projekts "Futourist", mit dem die Tiroler Umweltanwaltschaft nachhaltige Angebote fördert, die im Kontrast zum Wintersporttourismus stehen. "Wir wollen den Gästen zeigen, welchen Wert die Kulturlandschaft hier hat", sagt Stefanie Pontasch von der Umweltanwaltschaft. Sie greift sich ein Bündel Heu, fischt einzelne Halme heraus: "Klappertopf, Wiesensalbei, Schafgarbe - es gibt bis zu 100 verschiedene Pflanzenarten hier, zehnmal so viel wie auf gedüngten und häufig gemähten Wiesen im Tal." Die vielen Heuschrecken und Grillen, das alles sei ein Beweis für die hohe Artenvielfalt dieser Bergmähder, die nur einmal geschnitten werden: "Würde hier nicht gemäht, würde alles mit Bäumen zuwachsen." Bauer Achenrainer, der im Hauptberuf Bürgermeister von Tösens ist, erklärt: "Für uns ist das Bergwiesenmähen auch ein schöner Ausgleich für den Stress unten im Tal." Man mache die Arbeit aus Traditionsbewusstsein, aber auch, weil man für die Pflege der Bergwiesen EU-Subventionen erhalte.

Früher waren die steilen Bergmähder eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Da im Tal die meisten Flächen mit Äckern belegt waren, schnitt man hier wichtiges Winterfutter für das Vieh. Es wurde in kleinen Heuschobern aufbewahrt, um es bei Bedarf im Winter mit Schlitten zum Hof zu bringen. Gemäht wird heute nicht mehr mit der Sense, sondern mit teuren Mähmaschinen, die selbst im steilsten Hang nicht umkippen.

Weil die Gäste nach einer Stunde Heuarbeit aber auch sehen sollen, wie es früher war, bekommen sie vor der Brotzeit noch eine Einführung in die Sensenmahd. Senior Hermann Achenrainer, mehrfacher Meister im Wettmähen, wetzt die Sense und macht vor, wie man sie führt. Eine Fläche von 64 Quadratmetern habe er mal in unter zwei Minuten niedergemäht. Die Gäste staunen. Danach darf jeder selbst die Sense schwingen, was zu Gelächter führt, aber ohne Verletzungen ausgeht.

Helfen bei der Bergmahd kann man Anfang September, Tel.: 0043 / 50 22 53 00 www.futourist.at

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Quelle:
SZ vom 16.08.2018
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