Süddeutsche Zeitung

Strand-Gesetz in Italien:Rollt die Badetücher ein

Lesezeit: 2 min

Vor dem Frühstück noch schnell mit Handtuch und Sonnenschirm am Strand den besten Platz reservieren? Oder gar am Vorabend? In Italien könnte das nun richtig teuer werden.

Von Oliver Meiler

Man möchte meinen, Italien habe genügend Meeranstoß, um alle glücklich zu machen, Einheimische und Urlaubende: 7458 Kilometer insgesamt, einschließlich der Inseln. Die Küste ist zwar nicht überall ein Badestrand und auch nicht überall gleich schön, doch ein stattlicher Teil davon ist es schon.

Der Kampf um die vorderste Sitz- und Liegereihe wütet ungefähr schon so lange, wie die Strände, die früher als sinistre und unhygienische Gegenden galten, zum Phänomen des Massentourismus geworden sind - oder zu dessen Syndrom. Nicht nur an den adriatischen und tyrrhenischen, den sardischen und sizilianischen Stränden, aber da vielleicht noch etwas mehr als anderswo. Selten nämlich lief dieser Kampf gesittet und fair ab. Es gab immer welche, die versuchten, die besten Plätze der "Spiagge libere", der öffentlichen Strände, für sich zu reservieren, ja unrechtmäßig zu okkupieren. Die ganz vorne am Wasser eben. Sie pflanzen dafür schon am Vorabend oder im Morgengrauen ihre alten, gebleichten Sonnenschirme in Sand oder Kiesel, als wären es Fahnen der Eroberung. Oder sie legen Badetücher an ihr bevorzugtes Plätzchen, stellen ihre Liegestühle daneben und legen schon mal das Spielzeug der Kinder aus.

Das soll ab sofort nicht mehr möglich sein. Jedenfalls wird nun gebüßt, wer illegal öffentlichen Boden besetzt, bevor dieser für alle zugänglich ist - also vor 8.30 Uhr. Und zwar gesalzen: 200 Euro. Im Namen der Chancengleichheit.

Den rechtlichen Rahmen dafür bietet ein Regelwerk, das sich die Guardia Costiera, die italienische Küstenwache, ausgedacht hat. Es soll dafür sorgen, dass alle ihren Spaß haben beim Baden. "Mare sicuro", heißt das Normenpaket. Es geht darin, wie es der Name will, vordringlich um Fragen der Sicherheit. So sollen an jenen Stränden, an denen keine Bademeister auf dem Hochstuhl nach dem Rechten sehen, Schilder in allen möglichen Sprachen aufgestellt werden, damit die Gäste sich eben dessen gewahr sind, wenn sie sich trotz bewegter See in die Wellen wagen. Auf Postern wird darauf hingewiesen, dass man sich nach üppigem Mittagessen besser nicht gleich ins Wasser stürzt. Solche Dinge.

Der Kampf gegen die Okkupanten der vordersten Reihe erfreut sich nun, nach einem Bericht der römischen Tageszeitung La Repubblica und mitten in den Sommerferien, einer besonderen Aufmerksamkeit. Das Blatt nennt die Herrschaften "Furbetti dell' ombrellone", Schlaumeier mit Sonnenschirm. Man erfährt da, dass zum Beispiel im toskanischen Marina di Cecina allein am vergangenen Samstag 37 Strandstühle und 30 Sonnenschirme beschlagnahmt worden sind -und es gibt Bilder der Beute. Im kalabrischen Roseto Capo Spulico, am Ionischen Meer, trug die Küstenwache gar 200 Objekte weg, die der Jurist wohl Corpora Delicti nennen würde, Gegenstände des Verbrechens. In Castiadas bei Cagliari, im Süden Sardiniens, wo das Wasser so smaragden leuchtet wie in der Karibik, sollen die Ordnungshüter auch schon ganz strikt vorgehen.

Ach ja: Wer sich meldet, weil er seine Sachen nicht mehr findet, muss zahlen. Wahrscheinlich ist es billiger, einfach neue Ware zu kaufen und sich in Liegereihe 27 zu verkriechen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3113107
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.08.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.