Süddeutsche Zeitung

Hoteltest-Serie "Frisch bezogen":Eine Nacht bei den Bären

Lesezeit: 3 min

In einem belgischen Zoo hat ein Hotel mit Blick aufs Bärengehege eröffnet. Tierschützer sorgen sich - auch um die Menschen. Wie es sich anfühlt, dort tatsächlich zu übernachten.

Von Karoline Meta Beisel

Die Tiere sind unruhig. Sie recken die Köpfe in die Höhe und schnuppern, alle in einer Ecke des Geheges versammelt. Ganz offensichtlich merken die Bären, dass sie Gesellschaft bekommen haben. Ob es wirklich eine gute Idee war, direkt neben ihrem Revier sein Lager aufzuschlagen? Können die Bären die Gäste durch die dicken Scheiben hindurch riechen? Würden die Fenster einem Angriff standhalten?

Schnell kommt Entwarnung: Die Bären sind nicht wegen des menschlichen Besuchs so aufgeregt. Sondern wegen zweier Artgenossen, die aus den USA eingeflogen wurden und an diesem Abend eines der anderen Gehege beziehen. Der private Zoo "Pairi Daiza", etwa eine Stunde südwestlich von Brüssel, gehört zu den beliebtesten Attraktionen des Landes. Die Tiere, die man dort sehen kann, sind auf acht aufwendig gestaltete "Welten" verteilt: Pandas im "Reich der Mitte", weiße Tiger im "Königreich Ganesha", Fledermäuse in der Gruft unter der früheren Abtei, auf deren Gelände der Park entstand. Die neueste "Welt", genannt "The Last Frontier", hat erst im Sommer eröffnet. Das Besondere an diesem Teil des Zoos sind nicht die Tiere allein, das Besondere ist, wie viel Zeit der Mensch dort mit ihnen verbringen kann.

Das, was die Zoo-Manager auf ihrer Homepage als "immersive" Erfahrung bewerben, beginnt in einer Art Tipi, unterscheidet sich ansonsten aber kaum vom Check-in in einem normalen Hotel: Jeder Gast bekommt ein Armband mit einem Chip, der das Drehkreuz am Eingang zum Zoo und auch die Zimmertür öffnet. Die Zimmertüren allerdings sind rund, wie bei den Hobbits, und sie führen in Hobbithöhlen-artige Unterkünfte, in denen man zum Glück aber aufrecht stehen kann. Jede "Full Moon Lodge" besteht aus zwei rustikal, aber luxuriös eingerichteten Schlafzimmern mit Bad und Sauna und einem geräumigen Wohnzimmer mit Ausziehcouch. Aus dem Wohnzimmer, aber auch aus der Wanne und der Sauna schaut man direkt in das Gehege, das sich Bären und Wölfe teilen. Der Weg für die normalen Besucher führt über das Dach der Hobbithöhlen, die auf dieser Seite des Geheges also zugleich dessen Begrenzung bilden.

Das ist genauso spektakulär, wie es klingt. Gerade das Wohnzimmer lädt mit der gemütlichen Bank vor dem großen runden Fenster zum stundenlangen Nach-draußen-Starren ein, wo die Wölfe rastlos durch das Gehege traben und die Bären sich langsam an den Geruch der Neuankömmlinge gewöhnt zu haben scheinen. Direkt vor dem Fenster hat ein Bär außerdem einen großen Haufen gemacht. Und wann hat man schon die Gelegenheit, sich Bärenkot aus der Nähe anzusehen?

Die Idee zu dem Hotel im Zoo hatte dessen Gründer auf einer Reise nach Marokko, bei der ihm auffiel, wie anders Orte bei Nacht auf Besucher wirken. Außerdem nähmen viele Besucher des Zoos eine weite Anreise auf sich, sagt Olivier Bauden, Verkaufsleiter des Parks. "Wir wollten, dass die Gäste dann gleich im Zoo übernachten können, und nicht erst ein paar Kilometer weiter in einem Hotel."

Nach Sonnenuntergang wird es auf dem Beobachterposten dann aber doch recht schnell langweilig: Bären und Wölfe sind zwar dämmerungs- beziehungsweise nachtaktive Tiere. Aber das Gehege ist nachts nicht beleuchtet. So starren die Gäste durchs Fenster angestrengt ins Dunkle, ohne zu wissen, ob möglicherweise von draußen jemand zurückstarrt. Etwa fünf Minuten lang kann man das Schaudern ob dieser Unsicherheit genießen. Dann aber ist es Zeit, den Rest von "The Last Frontier" zu erkunden. Wer im Zoo übernachtet, kann dort auch um Mitternacht oder morgens um vier noch eine Runde drehen, auch wenn die anderen Teile des Zoos geschlossen sind. Die Seelöwen schlafen zwar, und der Berglöwe ist in seinem Gehege nirgendwo zu entdecken. Das Damwild aber zum Beispiel läuft in diesem Teil des Zoos frei auf den Wegen herum, und hebt auch nachts aufmerksam den Kopf, wenn ein Besucher vorbeispaziert.

Genau das ist der Grund, weswegen Tierschützer das neue Hotel im Pairi-Daiza-Zoo kritisch bewerten: "Jetzt werden die Tiere nicht mehr nur am Tag, sondern auch in der Nacht gestört", sagt etwa Ann de Greef, die Chefin der belgischen Tierschutzorganisation Gaia. "Zumindest nachts sollten sie in ihrem Gehege ihre Ruhe haben." Rudi D'Hooge, Tierverhaltensexperte von der Katholischen Universität Leuven, hingegen glaubt, dass sich die Tiere schnell an Aktivität in der Nacht gewöhnen. Er sorgt sich eher darum, wer im Zoo die Menschen bewacht, die nachts und möglicherweise angetrunken auf dumme Ideen kommen könnten. Olivier Bauden sagt, das sei kein Problem: "Wir haben Kameras und auch ausreichend Personal, das ein Auge auf die Gäste hat." Bis jetzt habe es keine Schwierigkeiten gegeben. Die Scheiben der Zimmer seien so dick, dass die Tiere die Gäste in ihren Zimmern nicht hören könnten. Außerdem werde ab 22 Uhr das Licht in den Bungalows gedimmt.

Den überwiegend einheimischen Besuchern jedenfalls scheint das Angebot bislang zu gefallen. Die Lodges und auch zwei weitere Unterkünfte auf dem Gelände von "The Last Frontier" sind seit der Eröffnung so gut ausgelastet, dass die nächste Themenwelt ebenfalls mit Hotel geplant werden soll. Von kommendem Frühjahr an kann man dann nicht nur bei den Braunbären, sondern auch bei den Eisbären übernachten. Oder eben wach bleiben.

Pairi Daiza Resort, Brugelette, Belgien. DZ inkl. HP für zwei Erwachsene, 1 Kind und 1 Baby ab 438 Euro, der Eintritt in den Zoo (34 Euro/Tag) ist im Zimmerpreis enthalten. Full Moon Lodges mit Blick ins Bärengehege, drei Erwachsene, drei Kinder ab 1015 Euro inkl. HP und Eintritt, pairidaiza.eu

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Quelle:
SZ vom 14.11.2019
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