Süddeutsche Zeitung

Sicherheit bei Schnee und Eis:Guter Grip für Radfahrer

Lesezeit: 4 min

Spikes sind im Winter auf dem Rad am sichersten, aber laut und mühsam. Was ist die richtige Wahl: Sommer-, Winter- oder Allwetterreifen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Laura Pickert und Felix Reek

Wer Auto fährt, hat keine große Wahl: Bei winterlichen Straßenverhältnissen, also Glatteis, Schneeglätte oder Schneematsch, müssen Winterreifen aufgezogen werden. Für Fahrradfahrer gibt es eine solche situative Pflicht nicht. Das ist im Straßenbild auch gut zu sehen: Jedes Jahr nach dem Wintereinbruch schlittern Radler durch die Gegend. Das kann mitunter ziemlich gefährlich sein, die Verletzungsgefahr ist groß. Doch auch für Fahrräder gibt es seit einigen Jahren Winterreifen. Aber welche sind die richtigen? Braucht überhaupt jeder Radler spezielle Reifen für die kalte Jahreszeit? Und was sollten Radfahrer im Winter noch beachten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie unterscheiden sich Sommer- und Winterreifen für Fahrräder?

Die Winterreifen für Bikes orientieren sich an Autoreifen. Die Gummimischung ist weicher, das Profil besteht aus Lamellen. Das verbessert die Haftung und die Auflagefläche auf der Straße und sorgt im Vergleich zu einem Sommerreifen für ein besseres Fahrverhalten. "Sie funktionieren bei Schnee, egal ob festgefahren oder locker, sehr gut", erklärt René Filipek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). "Auch auf vereisten Oberflächen sind sie besser als normale Fahrradreifen."

Wann kommen Spikes zum Einsatz?

Auf Eis kommen Winterreifen aber an ihre Grenzen. Hier sind Spikes ideal. Im Mantel des Reifens sind Metallstifte in Zweier- oder Viererreihen versenkt, die bis zu 1,5 Millimeter aus dem Reifen hervorragen. "Auf vereistem Untergrund kann man so immer noch sicher bremsen und lenken", erklärt Filipek vom ADFC. Laut einem Test des ADAC verringert sich der Bremsweg sogar um die Hälfte im Vergleich zu herkömmlichen Winterreifen. Für den Dauereinsatz in der kalten Jahreszeit sind die Reifen mit Spikes allerdings in den meisten Regionen nichts. Abseits von Schnee und Eis ist der Fahrkomfort alles andere als angenehm. Der Rollwiderstand ist hoch, das Treten fällt schwerer als mit einem herkömmlichen Reifen und die Spikes sind auf dem Asphalt laut.

Ist eine Kombination aus Spikes und Winterreifen die Lösung?

Um diesen Nachteil zumindest ein wenig abzumildern, ergänzen einige Radfahrer einen Winterreifen um einen Pneu mit Metalldornen. Das bringt mehr Grip bei widriger Witterung, aber trotzdem Komfort. "Das ist aber nur eine Lösung, wenn man fahrtechnisch sehr versiert ist", sagt Filipek. Wer sich für diese Lösung entscheidet, sollte den Spike-Reifen auf jeden Fall vorne aufziehen. Alles andere ist zu gefährlich. "Wenn das Vorderrad auf Schnee oder Eis ausbricht, hat man keine Chance. Dann stürzt man, mitunter auch schwer. Das Hinterrad kann ein geübter Fahrer noch abfangen." Durchschnittsradler sollten besser beide Reifen wechseln.

Sind Allwetterreifen eine Alternative?

Alternativ zu Winter- und Spike-Bereifung bieten einige Hersteller Gummimischungen an, mit denen das ganze Jahr gefahren werden kann. Diese Allwetterreifen liegen irgendwo zwischen Sommer- und Winterreifen. Der Vorteil: Der lästige Reifenwechsel entfällt. "Allwetterreifen sind bei winterlichen Bedingungen nicht ganz so gut wie ein Winterreifen, aber besser als ein Sommerreifen", so René Filipek vom ADFC. Bei wärmeren Temperaturen ist dafür der Verschleiß höher. Der Allwetterreifen eignet sich für Regionen, in denen es eher selten schneit. "Bei wirklich winterlichen Bedingungen ist es besser, einen Winterreifen zu fahren", rät Filipek. "Wenn ich in Norddeutschland wohne, wo es dreimal im Jahr schneit, kann man auch einen Allwetterreifen fahren und ist dann besonders vorsichtig. Damit ist man immer noch besser unterwegs als mit einem normalen Fahrradreifen."

Benötigen Bikes mit Offroad-Bereifung überhaupt Winterreifen?

Es stellt sich auch die Frage, ob eigentlich jedes Fahrrad Winterreifen braucht - vor allem bei Mountainbikes. Denn diese haben bereits sehr breite Pneus mit grobem Profil und geben mehr Halt bei Schnee. Das ist zumindest besser als die schmale und glatte Bereifung eines City-Bikes. Ein wirklicher Ersatz für eine passende Winterbereifung in Gegenden, wo es häufiger schneit, sind sie aber nicht. Wer sich trotzdem dafür entscheidet: Luftdruck verringern, um eine noch breitere Auflagefläche zu schaffen und den Grip zu erhöhen.

Wie gut sind Kombi-Lösungen?

Viele Radler hält vor allem die lästige Montage davon ab, Winterreifen aufzuziehen. Für all jene haben einige Hersteller eine einfache Lösung entwickelt: Der Spike-Reifen wird einfach wie ein Mantel über den Sommerreifen gezogen und mit einem Reißverschluss befestigt. Das Ergebnis ist erstaunlich gut. 2021 testete der ADAC Winterreifen mit und ohne Spikes, darunter auch die Kombi-Lösung des Herstellers Retyre, der die Gesamtwertung gewann. Der Sommerreifen lässt sich durch vier sogenannte Skins ergänzen - zwei Spike-Profile und zwei Gravel-Bereifungen. Der Nachteil ist der Preis. Basisreifen inklusive einer Skin kosten zwischen 49 und 89 Euro. Allerdings bekommt man dafür nicht einen, sondern eigentlich zwei Reifen und die Möglichkeit, spontan auf die Wetterlage zu reagieren. Wie langlebig diese Lösung ist, testete der ADAC allerdings nicht.

Brauchen E-Bikes spezielle Reifen?

Die Antwort ist einfach: nein. Die meisten Winterreifen für normale Fahrräder sind auch für Pedelecs geeignet. René Filipek vom ADFC rät aber, darauf zu achten, dass die Räder noch unter die Schutzbleche passen. Da Winterreifen, insbesondere mit Spikes oder gar als Kombi-Lösung mit zweitem Mantel, breiter und höher sind als die Sommerbereifung, kann es hier schnell eng werden. Dann nützt dem Radler auch der beste Winterreifen nichts.

Wie sollte man im Winter fahren?

Es versteht sich von selbst, dass in dieser Jahreszeit besondere Vorsicht geboten ist. Auf einer glatten Fahrbahn verlängert sich der Bremsweg deutlich. Nicht nur Schneematsch und Eis, auch Laub und Nässe können gefährlich werden. Das heißt: Langsamer fahren, immer bremsbereit sein und mit einem größeren Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern unterwegs sein. In Kurven sollte man möglichst nicht bremsen oder treten - sonst kann es sein, dass das Rad ins Schlingern gerät. Auf Glatteis ebenfalls nicht bremsen oder hektisch lenken, lieber Spur halten und ausrollen. Außerdem sollte man darauf achten, dass die Bremsen intakt sind. Bei Felgenbremsen sind die Bremsbeläge mit Einkerbungen versehen; diese sollten noch gut erkennbar sein. Bei Scheibenbremsen gilt als Richtwert eine Dicke von etwa 1,5 Millimetern.

Was ist im Winter noch wichtig?

Vor allem die Beleuchtung. Nebel, Dunkelheit oder Schneefall beeinträchtigen in der dunklen Jahreszeit die Sicht. Die Beleuchtung am Rad sollte daher funktionieren - und frei von Schmutz sein. Idealerweise schaltet man die Lichter noch vor dem Einsetzen der Dämmerung ein. Wer zusätzliche Beleuchtung kaufen möchte, sollte aufpassen: So gibt die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) klare Regeln vor für die Lichtanlage an Fahrrädern und E-Bikes. Blinkende Scheinwerfer oder Rücklichter sind zumindest am Rad selbst untersagt. Am Körper oder dem Rucksack hat der Gesetzgeber blinkende Leuchten hingegen erlaubt, erklärt der Herstellerverband ZIV. Die Nutzung eines Fernlichts bei Fahrrädern ist ebenfalls zulässig. Doch wie beim Auto darf auch auf dem Rad der Gegenverkehr mit dem Fernlicht nicht geblendet werden. Ist man bei Nebel unterwegs, sollte das Fernlicht besser deaktiviert bleiben - die feinen Wassertropfen reflektieren in der Regel das Licht der Scheinwerfer stärker und verschlechtern damit die Sicht. Gut ist eine möglichst tiefe Einstellung des Scheinwerfers, schlecht sind Helmleuchten.

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