Süddeutsche Zeitung

Persischer Golf:Dieses Flugzeug wurde versenkt - als Spielplatz für Taucher

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Vor der Küste von Bahrain liegt neuerdings eine Boeing "747" auf Grund. Es ist nicht der erste fragwürdige Unterwasserpark dieser Art.

Von Monika Maier-Albang

Dubai hat feine Sandstrände, riesige Aquarien, Wasserparks, Wolkenkratzer, unökologische Golfplätze und die Dubai Mall, in der man auch noch bei 46 Grad Außentemperatur auf einer Eislaufbahn seine Kreise ziehen kann. Oman hat all das nicht, bewusst, weil es auf sanften Naturtourismus setzt. Und Bahrain? Das kleine Emirat im Persischen Golf zieht bislang vor allem Formel-1-Liebhaber an. Es gibt dort noch die königliche Kamelfarm, den beeindruckenden King Fahd Causeway, eine Brücke, über die sich jeden Morgen die Expats stauen, die in Saudi-Arabien arbeiten, aber das Leben im liberaleren Bahrain bevorzugen. Touristen können einen relativ unspektakulären Souk besuchen, ins Nationalmuseum gehen und sehr viele Bohrtürme auf dem Weg Richtung Süden sehen, den die Einheimischen nehmen, wenn sie einen Wochenendausflug zum Schadscharat al-Haya machen, dem Lebensbaum.

Mit seinen Nachbarn mithalten kann der Inselstaat mit all dem nicht. Insofern ist es nachvollziehbar, dass das Königreich nun zu einer touristischen Notwasserung ansetzt. Voraussichtlich im August wird in Bahrain ein Unterwasser-Themenpark eröffnen. Auf einer Fläche von 100 000 Quadratmetern, in 20 Meter Tiefe, soll so eine "einzigartige Attraktion für Taucher im glasklaren, warmen Wasser des Arabischen Golfs" entstehen, wie die offizielle Ankündigung verheißt. Hinabtauchen können Gäste dann zur Nachbildung eines Perlenhändlerhauses, aus dem die traditionellen Windtürme Bahrains aufragen. Vor allem aber werden die Taucher eine Boeing 747 umrunden, "das größte jemals im Meer versenkte Flugzeug", wie die Tourismusbehörde des Königreichs mitteilt.

Auf der Insel ist die Begeisterung über den neuen Unterwasserpark groß. Und die staatliche Tourismusbehörde ist sichtlich bemüht, das Versenken von Schrott im Meer als ökologischen Akt zu bewerben. Das Gelände sei "nach sorgfältigen Untersuchungen" ausgewählt worden, "um sensible Ökosysteme zu schützen".

Der Unterwasserpark liegt 30 Kilometer nördlich der Hauptinsel, die vor allem von flachem Wasser umgeben ist. Es gebe dort keine Korallenriffe, nur Sandboden. Bevor die Boeing auf den Meeresgrund hinabgelassen wurde, sei sie gründlich "gereinigt und dekontaminiert" worden. Man habe alle Kabel, das Tanksystem, alle Plastikteile und "andere potenziell schädlichen Substanzen" wie Öl- und Kerosinrückstände entfernt. Der reine Aluminium-Rumpf liege nun also im Meereswasser, dieser sei unschädlich, werde vielmehr schon bald Wohnstatt für allerlei Meeresgetier wie Fische, Korallen, Algen und Schwämme.

Was die Fische betrifft, stimme das, sagt Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen. Fische nähmen jede neue Versteckmöglichkeit dankbar an. Einen richtigen Riff-Ersatz gebe ein Flugzeug jedoch nicht ab, dazu sei das Aluminium zu glatt, zu hart. Schwämme beispielsweise bräuchten eine "poröse Struktur", so Ferse. Und ob die ökologischen Standards eingehalten wurden, sei nicht überprüfbar. Gänzlich verdammen will der Wissenschaftler derartige Unterwasser-Aktionen allerdings nicht. In einer Zeit, in der der Tauchtourismus stark zunehme und vor allem Gästen aus Fernost oft jegliches ökologische Bewusstsein fehle, sei ein versenktes Flugzeug eine Alternative. Also lieber ein Taucher, der sich vor einer Boeing fotografiert, als einer, der über sensible Korallen latscht.

Das Versenken von Flugzeugen für Taucher hat übrigens Tradition. Vor der Küste Miamis liegt seit 1993 eine Boeing 727, genannt Spirit of Miami; der Tropensturm Gordon ließ sie 1995 auseinanderbrechen. Vor Vancouver Island wurde 2006 eine Boeing 737 platziert. Vor der türkischen Hafenstadt Kaş liegt seit 2009 eine Douglas DC-3/C-47 Skytrain. Das Militärflugzeug wohl aus den 1940ern hat mittlerweile schon Patina.

Und nur zwei Tage nach Bahrain hat die Türkei ein weiteres Flugzeug zum Meeresboden hinabgelassen. Ein ausgedienter Airbus A330 wurde im Ägäischen Meer im Golf von Saros vor der Halbinsel Gallipoli in 30 Meter Tiefe versenkt. Die türkische Regierung erhofft sich wie die Tourismusbehörde Bahrains, dass das versunkene Flugzeug Taucher ins Land lockt.

Beim Bau von Unterwasserparks sind der Kreativität zwar keine Grenzen gesetzt, die meisten Initiatoren bevorzugen allerdings neutrale Objekte wie Schiffe, Flugzeuge, historische Gebäude. Der Brite Jason deCaires Taylor durchbricht dies mit seiner Unterwasserkunst, die mittlerweile in der Karibik, auf den Malediven und in Spanien zu sehen ist. Die Betonskulpturen, die er versenkt, sind Statements. Vor Lanzarote etwa erinnert er an Menschen, die auf ihrer Flucht über das Mittelmeer ertrunken sind. Auch seine Skulpturen sollen zu künstlichen Riffen werden, deCaires Taylor will damit für den Schutz der Ozeane eintreten.

Und man nimmt ihm dies leichter ab, als man einem Flugzeug zutraut, dass es in seinem zweiten Leben zum Retter der Umwelt wird. Aber wie heißt es doch in der Mitteilung aus Bahrain: "Hunderttausende Tonnen Metall liegen auf dem Grund der Weltmeere." Im Vergleich dazu sei das Versenken eines Flugzeugs "statistisch unbedeutend".

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SZ vom 04.07.2019
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