Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Gleisgespräche

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Bei der Kommunikation fängt alles an: Als Trainfluencer lassen uns Bahnmitarbeiter nun daran teilhaben, warum die Bahn funktioniert - und warum nicht.

Glosse von Hans Gasser

Zum Jahresende und insbesondere kurz vor Weihnachten wollen wir mal nicht so sein. Wir wollen hier nicht lamentieren, dass nur 69,4 Prozent aller Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn im November pünktlich waren; dass der Deutschlandtakt, also eine enge Abstimmung von Fern-, Nahverkehr und Bussen vielleicht, wahrscheinlich im fernen Jahr 2030 kommen soll (zum Vergleich: In der Schweiz gibt es das seit 1982). Und auch soll hier nicht das Schwert erhoben werden über dem ehemaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer, der 124 Steuermillionen statt wie vorgesehen in Gleisanschlüsse lieber in Fernstraßen und Fluggesellschaften investiert hat. Darüber sollten Gerichte urteilen. In Scheuers Fall muss man wohl auf das Jüngste Gericht hoffen.

Nein, hier soll es jetzt auch einmal um Positives gehen im Zusammenhang mit der Deutschen Bahn. Ähnlich wie die Politik mit Corona hatte die Bahn bei Defiziten, aber auch, was ihre Vorzüge betrifft, stets ein massives Kommunikationsproblem. Der Zug steht auf offener Strecke? Das wäre ja nicht so schlimm, wenn jemand mal durchsagte, was los ist. Ein Zug fährt von einem anderen Gleis? Kein Problem. Wenn nur nicht der Lokführer des bereitstehenden Zuges die Passagiere wieder rüber auf das andere Gleis schicken würde, von dem sie wegen der Durchsage gerade herkommen. Reden die eigentlich miteinander?

Damit wir Fahrgäste Antwort auf derlei Fragen bekommen, hat das Bündnis "Allianz pro Schiene", gefördert durch das Verkehrsministerium, 14 "TRAINfluencer" ausfindig gemacht. Das sind Bahnmitarbeiter vom Lokführer über die "Ideenbegleiterin" bis hin zum Gleisbauer, die uns auf allen möglichen Social-Media-Kanälen teilhaben lassen an dem, was sie beruflich so treiben. Neben manch belanglosen Tiktok-Videos sticht unter den Trainfluencern ein gewisser Peterle Sky hervor, seines Zeichens Lokführer mit einigem kabarettistischen Potenzial. Auf Youtube beantwortet er in Videos Fragen wie: Was ist eine Magnetschienenbremse? Wie fährt sich ein Zug bei Eis und Schnee? Kann ein Lokführer Verspätungen aufholen? Aus dem Führerstand seiner Lok unterhält er seine Follower nicht nur mit kurzweiligen Erklärungen, zum Beispiel, dass Schnee und Eis für Züge eigentlich kein Problem wären, gäbe es nicht Weichen und Signale! Während einer Frostwache, bei der er winters in der Nacht in seiner Lok alle Systeme am Laufen halten muss, damit nichts einfriert, stellt er die Frage: Kennen Sie die vier Schwachstellen der Bahn? Und gibt die Antwort: "Frühling, Sommer, Herbst und Winter."

So viel schonungslose Transparenz wird die Verkehrswende definitiv aufs Gleis bringen!

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