Süddeutsche Zeitung

Bad Ischl:Alles Operette

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Kaiser, Künstler, Sommerfrische: Bad Ischls Villen und ihre Geschichten. In der Kaiservilla etwa wohnt nach wie vor ein Nachkomme von Franz Joseph I. und Sisi.

Von Johanna Pfund

Sommerfrische. Das klingt nach grünen Wiesen, Bergen, Wasser, Sonne, das steht für einen wochenlangen Ferienaufenthalt, bei dem Zeit keine Rolle spielt. Ein Inbegriff der mondänen Sommerfrische war Bad Ischl im Salzkammergut bis ins 20. Jahrhundert hinein. Noch heute scheint diese sommerliche Stadtflucht - trotz all der oft nur kurz durchreisenden Touristen in der kleinen Stadt lebendig zu sein, nicht zuletzt wegen der Villen- und Kaiserzeitarchitektur. Franz Joseph I. sei Dank.

Vielleicht kann man es auch umgekehrt betrachten: Kaiser Franz Joseph I. verdankte sein Leben Bad Ischl. Denn in den 1820er-Jahren hatte der Hofarzt Franz Wirer den kleinen von Salzabbau und -handel lebenden Ort Ischl als Kurort etabliert, eine Alternative zum weit entfernten Meran. Solebäder sollten die Leiden der Wiener Gesellschaft kurieren, und Wirer setzte viel daran, Badehäuser und passende Unterkünfte bauen zu lassen. Nachdem die Ehe von Franz Josephs Eltern lange kinderlos geblieben war, empfahl der Hofarzt Kuraufenthalte im Salzkammergut. Das Resultat: die drei Salzprinzen, einer davon Franz Joseph.

Der 1830 geborene Kaiser sollte Ischl ein Leben lang treu bleiben. 80 Aufenthalte sind dokumentiert, 60 Sommer verbrachte er in Ischl, wie Regina Scheutz, ausgebildete Austria Guide, erzählt. Seine Frau Elisabeth, bekannt als Sisi, lernte er hier kennen, hier fand die romantische Verlobung statt, hier jagte er, hielt über Monate hinweg Hof. Er regierte sein Weltreich von Ischl aus, hier unterzeichnete er auch die verhängnisvolle Kriegserklärung an Serbien, die letztendlich den Untergang der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie bedeutete. "Er war ein Arbeitstier, die Jagd war seine einzige Zerstreuung", sagt Scheutz. Davon zeugen noch ungefähr 2000 Trophäen, die in schicker geometrischer Anordnung die Wände der Villa schmücken. Die Kaiservilla hoch über dem Fluss Ischl war übrigens ein Verlobungsgeschenk seiner Mutter Sophie. Sie ließ die einstige Villa Eltz für das junge Paar eigens um- und ausbauen.

Macht zieht an, viele folgten der Kaiserfamilie ins Sommerdomizil - Künstler, Wohlhabende, Adelige. Franz Lehár, Schöpfer der Operette "Die lustige Witwe", kaufte sich von den Einnahmen des Stücks im Jahr 1912 eine Villa samt Möblierung direkt an der Traun. Eine unglaubliche Mischung aus dunklen Barock- und Renaissancemöbeln findet sich in den großen Räumen. Wie der Kaiser, so liebte auch Lehár die Sommerfrische in Ischl. "Er kam 46 Jahre lang jeden Sommer hierher", erzählt Helga Leitner bei einer Führung durch die Villa. Lehár empfing Schauspieler, Librettisten oder auch seinen Lieblingstenor Richard Tauber, dem er manche Rollen auf den Leib schrieb, in der Sommerfrische. Die Wände der Villa sind mit Fotografien und Widmungen tapeziert. Alles im Originalzustand: Denn der Komponist hinterließ die Villa der Stadt Bad Ischl, mit der Auflage, sie als Museum zu erhalten. Im Sommer erinnert Jahr für Jahr das Lehár-Festival an den berühmten Gast.

Lehár war natürlich nicht die einzige Berühmtheit, die das oberösterreichische Kurbad schätzte. Johann Nestroy kam zur Erholung und kaufte sich auch eine eigene Villa, Stefan Zweig weilte im Ort, Emmerich Kálmán, mit Lehár Begründer der Silbernen Operettenära ab etwa 1900, war ebenfalls gerne Gast. Unter den Nationalsozialisten hatte das mondäne Leben erst mal ein Ende. Viele der Villen, die jüdischen Familien gehörten, wurden enteignet, wie Marie-Theres Arnbom in ihrem jüngst erschienenen Buch "Die Villen von Bad Ischl" beschreibt.

Aber Bad Ischl blieb. Weiterhin zog es die Gesellschaft an, auch nach dem Krieg. Viele Villen überlebten, manche nicht. In der Kaiservilla wohnt nach wie vor ein Nachkomme von Franz Joseph I. und Sisi, das Café Zauner im Stadtzentrum stellt immer noch süße Spezialitäten in kaiserlichem Ambiente her. Der Kurpark ist im Gegensatz zu vielen Häusern unangetastet geblieben: Denn der Stifter, Franz Wirer, verfügte, dass der Park niemals bebaut werden solle. Auf die "Lustige Witwe" muss auch heute niemand verzichten: Regelmäßig steht sie während des Lehár-Festivals auf dem Programm. Das lockt immer noch: 88 000 Gäste kommen jedes Jahr in die Stadt. Ein anderer wichtiger Termin steht seit 1830 jeweils am 18. August an: Kaisergeburtstag.

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SZ vom 29.06.2017
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