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Wo bleibt der Sommer?

So viel Regen wie im April und bisher im Mai hat es in Deutschland schon lange nicht mehr gegeben. Wie nass war es bei Ihnen? Finden Sie es mit dem interaktiven SZ-Wetter-Dashboard heraus.

12. Mai 2023 - 4 Min. Lesezeit

Mitte Mai im Süden Deutschlands: Es regnet seit Tagen, gefühlt noch länger. Sollte nicht längst der Sommer vor der Tür stehen? Wo bleiben die milden Temperaturen und der Sonnenschein, mit denen uns der sogenannte Wonnemonat sonst verwöhnt?

Eine Auswertung der SZ der Daten von etwa 200 Wetterstationen in Deutschland zeigt: So viel Regen wie in diesem Jahr hat es in der Zeit vom 1. April bis zum 10. Mai in Deutschland seit 18 Jahren nicht mehr gegeben. An vielen Tagen hat es deutlich mehr geregnet als im langjährigen Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020.

Wenn Sie im Süden oder Westen Deutschlands leben, können Sie diese Beobachtung vermutlich nachvollziehen. Im Nordosten hingegen könnten Sie fragend in die Sonne blinzeln. Dort war und ist es überdurchschnittlich trocken. Die regionalen Unterschiede erklärt der Meteorologe Dominik Smieskol vom Deutschen Wetterdienst (DWD) so: „Die wechselhaften und überdurchschnittlich nassen Wochen im April und Mai waren einer Abfolge unterschiedlicher Wetterlagen geschuldet. Momentan herrscht weiterhin ein umfangreiches Hoch über Osteuropa vor. Die vom Atlantik heranziehenden Fronten laufen dabei erfolglos gegen dieses Hoch an und bleiben über Zentraleuropa hängen.“

Auch das Wetter im April wurde von einem relativ stabilen Hochdruckgebiet über Nordeuropa bestimmt, während der Mittelmeerraum zeitweise von Tiefdruckgebieten beeinflusst wurde. Dadurch regnete es in Süddeutschland besonders viel, während der Norden relativ trocken blieb.

Mithilfe des Wetter-Dashboards der SZ können Sie die Werte des DWD für den April 2023 an Ihrem Wohnort mit dem Durchschnitt früherer Jahre und anderer Orte vergleichen – von Temperatur und Niederschlag bis zum Sonnenschein. Als Referenzperiode haben wir hier die Jahre 1981 bis 2010 gewählt.

So hat sich das Wetter bei Ihnen verändert

Wie viel es regnet, hängt stark davon ab, wie Hoch- und Tiefdruckgebiete zueinander liegen, erklärt der Meteorologe Peter Hoffmann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Steht die Großwetterlage wiederkehrend unter Tiefdruckeinfluss, so kann es auch anhaltend Regen geben. Bevorzugt dann, wenn sich Tiefs sehr langsam fortbewegen und nicht den klassischen Weg von West nach Ost einschlagen.“

Rechnet man zusammen, wie viel Niederschlag an den von der SZ ausgewerteten Wetterstationen durchschnittlich in der Zeit vom 1. April bis zum 10. Mai vom Himmel gekommen ist, zeigt sich, dass es seit 2005 in diesem Zeitraum nicht mehr so viel geregnet hat.

Das Gefühl täuscht also nicht: Es hat zuletzt überdurchschnittlich viel geregnet. Der Vergleich mit früheren Jahren macht aber auch deutlich, dass solche Regenmengen im Frühjahr vor 2005 häufiger vorkamen. Smieskol vom DWD sagt daher: „Die Niederschlagsmengen der vergangenen Wochen bewegen sich im Bereich der klimatologisch wiederkehrenden Witterungsabschnitte für die entsprechende Jahreszeit.“ Dennoch sei der April in weiten Teilen Deutschlands und in Bayern zu nass verlaufen. Den Daten des DWD zufolge fiel in München mit 112 Litern pro Quadratmeter so viel Regen wie seit 1972 nicht mehr.

Auch Hoffmann betont, dass sich die Niederschlagsmengen im erwartbaren Bereich bewegen: „Die Dosis macht's. Auch wenn mal einzelne Monate oder auch Jahreszeiten überdurchschnittlich ausfallen, so ist das durchaus im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite. Problematisch wird es dann, wenn sich daraus eine Regel entwickelt.“ In Deutschland aber geht der Trend eher in Richtung von zu wenig Niederschlag. Wie genau sich gewohnte Regenmuster durch den Klimawandel verschieben, lässt sich nicht genau sagen. Klar ist Hoffmann zufolge aber, „dass extreme Witterungsbedingungen - mal zu wenig, mal zu viel - weiter zunehmen werden.“

Ein Muster ist dabei immer wieder zu beobachten: Im Süden Deutschlands regnet es deutlich mehr als im Nordosten.

PIK-Meteorologe Hoffmann erklärt das so: „Liegen Tiefs eher südlich von uns, streifen die Regenbänder westwärts ziehend bevorzugt den südlichen Teil Deutschlands, während es im Norden trocken bleibt. Dort, wo es regnet, kann es dann aber auch dauerhaft regnen. Die Neigung zu Überflutungen ist bei einer solchen Wetterlage erhöht.“

Und wo bleibt nun der Sommer? Die vergangenen Wochen waren ja nicht nur nass, sondern auch eher kalt – zumindest im Vergleich mit der jüngeren Vergangenheit.

Je weiter der Mai fortschreitet, desto unwahrscheinlich ist zumindest ein erneuter Kälteeinbruch. Es dürfte wärmer werden. Der Regen könnte uns vor allem in Süddeutschland aber noch eine ganze Weile begleiten. Schaut man sich an, wie viel es jeden Tag durchschnittlich zwischen 1991 und 2020 geregnet hat, so verändern sich die Niederschlagsmengen im Verlauf des Mais kaum.

Generell nehmen durch den Klimawandel extremere Wetterbedingungen zu. Das liegt an einer Tendenz zu weniger Westwindwetterlagen vom Atlantik, erklärt Hoffmann. „Als Ausgleich rücken neue dominante Wetterlagen nach, die uns einen stärkeren Kontrast der Witterungsverläufe bescheren. Es handelt sich um Wetterlagen, die eher zu Extremen neigen, weil die Luftmassentransporte dann vermehrt in Nord-Süd-Richtung oder umgekehrt erfolgen. Sie tendieren generell zu höherer Beständigkeit. Das schließt Hoch- und Tiefs gleichermaßen ein. Klimatologisch dominieren aber eher Hochdruckwetterlagen das Wettergeschehen in Deutschland.“

In Zukunft wird es also sehr wahrscheinlich viele trockene Frühlingsmonate geben, ähnlich wie in den vergangenen Jahren. 2023 aber lässt der Sommer noch auf sich warten. Der DWD sagt bislang kein trockeneres Wetter voraus: „Im Zeitraum unseres verlässlichen Vorhersagebereichs von etwa sieben bis zehn Tagen ist momentan keine Änderung zu hochdrucklastigerem Wetter oder einsetzender Warmluftzufuhr erkennbar.“

Team
Text Sören Müller-Hansen
Daten und Infografik Sören Müller-Hansen
Digitales Storytelling Sören Müller-Hansen
Teaserbild Luisa Danzer