Teilzeit
Weniger arbeiten, aber wie?
Teilzeit
Weniger arbeiten, aber wie?
Öfter mal das Rennrad bewegen oder einfach in den Tag hineinleben: Knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland träumt von mehr Freizeit und wünscht sich, weniger als fünf Tage pro Woche zu arbeiten. Das zeigt der kürzlich erschienene Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Immer häufiger entscheiden sich auch Menschen, die keine Kinder zu betreuen oder kranke Angehörige zu pflegen haben, für einen Teilzeitjob. Aber kann man überhaupt einfach so kürzertreten im Job? Und gibt es einen Weg zurück? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Unter welchen Umständen kann ich meine Arbeitszeit vorübergehend reduzieren?
Seit ein paar Jahren haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hierzulande die Möglichkeit, in Brückenteilzeit zu gehen. Dabei können sie ihre wöchentliche Stundenzahl im Job nach ihrem Bedarf verkürzen, und zwar für mindestens ein und maximal fünf Jahre. „Man kann Brückenteilzeit beantragen, auch wenn man keine kleinen Kinder zu versorgen oder Angehörige zu pflegen hat“, sagt Paul Krusenotto, Rechtsanwalt bei der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Chevalier Rechtsanwälte. Allerdings muss der Antrag mindestens drei Monate vorher in Textform, also zum Beispiel per E-Mail, beim Arbeitgeber eingehen. Und: Der Anspruch besteht nur, wenn bei dem Arbeitgeber mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt sind.
Ansonsten aber darf ein Unternehmen die Brückenteilzeit nur dann nicht gewähren, wenn schon verhältnismäßig viele andere Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeitszeit reduziert haben oder „betriebliche Gründe“ dagegen sprechen. Aber ob ein Buchhalter in Brückenteilzeit die Arbeitsabläufe in der Firma wirklich wesentlich durcheinanderbringt, sodass ihm die Teilzeit nicht gewährt werden kann, darüber entscheiden im Zweifel die Gerichte. „Die Beweislast liegt dabei beim Arbeitgeber“, sagt Krusenotto. Der entscheidende Vorteil an der Brückenteilzeit liegt darin, dass der oder die Beschäftigte nach der vereinbarten Phase in Teilzeit wieder in seine alte Vollzeit-Stelle zurückkehren kann – allerdings: Frühestens nach einem Jahr kann man einen erneuten Antrag auf eine reduzierte Arbeitszeit stellen.
Eine andere Option, vorübergehend auf 15 bis 32 Wochenstunden herunterzuschrauben, ist die Teilzeit in Elternzeit. Hier sind die gesetzlichen Hürden für Arbeitnehmer noch geringer, aber: Ohne ein Kind zu Hause, das jünger als acht Jahre ist, wird daraus nichts.
Und was, wenn ich dauerhaft in Teilzeit arbeiten möchte?
Wer länger als sechs Monate bei seinem Arbeitgeber tätig ist, „kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird“– und zwar ohne zeitliche Begrenzung. So steht es im Gesetz. Ähnlich wie bei Brückenteilzeit und Teilzeit in Elternzeit ist dieser Anspruch an ein paar Bedingungen geknüpft: So müssen dafür mindestens 15 Beschäftigte beim Arbeitgeber tätig sein, und es dürfen auch hier keine „betrieblichen Gründe“ dagegen sprechen. Der Antrag muss ebenfalls drei Monate vor Beginn der gewünschten zeitlich unbegrenzten Teilzeit beim Arbeitgeber eingehen.
Ob man die Stunden reduzieren möchte, um sich um das Kind, ein Hobby oder ein Ehrenamt zu kümmern, ist für den Anspruch zunächst nicht relevant. „Die soziale Schutzbedürftigkeit spielt nur dann eine Rolle, wenn bei der Führungskraft mehrere konkurrierende Anträge auf Teilzeit eingehen“, sagt Rechtsanwalt Krusenotto. Der Nachteil, wenn man zeitlich unbegrenzt kürzertritt: Ein Rückkehrrecht an den Schreibtisch oder die Werkbank in Vollzeit gibt es nicht.
Mit welchen Verlusten bei der Rente muss ich rechnen?
Reduziert man die Arbeitszeit, wird man in aller Regel mit weniger Einkommen planen müssen. Das wiederum wirkt sich auf die gesetzliche Rente aus: Je weniger Bruttoverdienst auf dem Gehaltszettel steht, desto geringere Beiträge werden für die Rente eingezahlt, und desto kleiner wird die spätere Rente ausfallen. Ein Beispiel: Einer Gutverdienerin mit einem Jahreseinkommen von knapp 65 000 Euro würde nach 40 Jahren in Vollzeit eine gesetzliche Rente von rund 2160 Euro im Monat zustehen. Arbeitet sie während ihres Berufslebens zehn Jahre lang nur zu 75 Prozent, wären es noch gut 2020 Euro. Bei 20 Jahren mit einer Dreiviertelstelle wären es noch mal rund 130 Euro weniger. Wer sich darüber informieren will, was eine reduzierte Arbeitszeit für die spätere Rente bedeutet, kann sich an die Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung wenden.
Wie sage ich es meinem Arbeitgeber?
Am besten in Textform, um auf der sicheren Seite zu sein. Damit man im dazugehörigen persönlichen Gespräch mit der Chefin oder dem Chef selbstbewusst auftreten kann, sollte man den Schritt genau durchdacht und durchgerechnet haben, rät der Karriereberater Bernd Slaghuis. „Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass man auch mit weniger Tagen im Job kein schlechterer Angestellter ist.“ Zwar hat der Vorgesetzte in der Regel kein Recht darauf zu erfahren, weshalb man künftig seltener ins Büro oder in die Fertigungshalle kommen will. Für „fair und sinnvoll“ hält Slaghuis es aber trotzdem: „Nur wer klar und offen kommuniziert, kann Verständnis erfahren.“
In Zeiten des Personalmangels dürften die wenigsten Führungskräfte jubeln, wenn ein Mitarbeiter seine Arbeitszeit reduzieren will. „Gleichzeitig haben sie genau deswegen aber auch kein Interesse daran, gute Leute zu verlieren“, sagt Slaghuis. Trotzdem weiß er von seinen Klienten, dass so mancher Arbeitgeber misstrauisch bis ablehnend auf den Wunsch nach Teilzeit reagiert – etwa, weil man das „noch nie gemacht“ habe oder „dann ja jeder“ ankommen könne. Der Coach empfiehlt, konstruktiv zu bleiben und gemeinsam zu überlegen, welches Modell möglich wäre. Wer sich auch dann weiterhin verschließe, sei möglicherweise nicht mehr der passende Arbeitgeber.
Und wie weihe ich die Kollegen ein?
Willigt die Führungskraft ein, sollte man als angehende Teilzeitkraft auch den Kollegen mitteilen, dass man künftig zum Beispiel freitags nicht mehr da ist. „Nur so können alle gemeinsam überlegen, wohin sich etwa das Meeting verschieben ließe, das bislang immer an diesem Tag stattgefunden hat“, sagt Slaghuis. Was man nicht tun sollte, ist, sich doch regelmäßig am freien Tag in Besprechungen einzuwählen. „Konsequent zu bleiben, ist ganz wichtig, wenn man die eigene Arbeitszeit verkürzt“, sagt Slaghuis. Sonst hat man im neuen Arbeitsmodell nur weniger Geld, nicht aber mehr Zeit als bislang.
Wie bewerbe ich mich auf eine Stelle, die mit mehr Stunden ausgeschrieben ist, als es für mich passt?
Für Karrierecoach Slaghuis hängt das davon ab, wie entschlossen man ist, in Teilzeit zu arbeiten. „Für wen es bei einem Wechsel des Arbeitgebers unverhandelbar ist, sollte offen damit umgehen und das schon im Anschreiben oder beim ersten Kontakt thematisieren“, sagt Slaghuis. Anders bewertet er es, wenn man sich auch andere Modelle vorstellen kann, um den Beruf besser mit der Familie und Freizeit zu vereinbaren, etwa frei einteilbare Arbeitszeiten oder mehrere Tage im Home-Office. Dann reiche es aus, im Vorstellungsgespräch darauf einzugehen.
Was er Jobsuchenden mit Teilzeitwunsch rät: „Wer eher vollzeitnah arbeiten möchte, also zum Beispiel vier Tage pro Woche, sollte nicht nur nach Teilzeit-, sondern auch Vollzeitstellen suchen.“ Bernd Slaghuis spricht vom „Mutti-Image“, das der Teilzeit leider noch immer anhafte und es vor allem hoch qualifizierten Berufserfahrenen erschwere, passende Positionen zu finden. „Es wird Zeit, dass die Teilzeit den Low-Performer-Stempel verliert“, sagt Slaghuis. Die Arbeitgeber müssten neue, flexible Arbeitszeitmodelle schaffen, die den Werten vieler Menschen im Leben und Beruf stärker entsprächen.
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um die Arbeitszeit wieder aufzustocken?
So erfüllend es für viele Menschen sein kann, weniger zu arbeiten: Ganz ohne Grund existiert der Begriff „Teilzeitfalle“ nicht. Manch einer will nach einer Phase mit weniger Stunden die Arbeitszeit erhöhen, um mehr Geld zu verdienen und zusätzliche Rentenpunkte zu sammeln. Andere wollen beruflich vorankommen oder haben schlicht Freude am Job. Hat man das Angebot der Brückenteilzeit oder Teilzeit in Elternzeit genutzt, landet man nach Ablauf der vereinbarten Zeit automatisch wieder beim vorherigen Umfang an Stunden. „Es gibt allerdings keinen Anspruch darauf, vorzeitig in den Vollzeitjob zurückzukehren“, sagt Jurist Krusenotto. Das klappe nur, wenn sich der Arbeitgeber darauf einließe.
Wer eine zeitlich unbegrenzte Teilzeitstelle hat, kann nicht einfach so aufstocken. „Ich würde dazu raten, das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und zu hoffen, dass mehr Arbeit für mehr Stunden da ist“, sagt Krusenotto. In Zeiten des Fachkräftemangels könnten die Chancen dafür gut stehen. Einmal mehr ist es sinnvoll, den Wunsch in Textform zu äußern: Denn wenn eine Stelle frei ist, müssen Arbeitgeber bei gleicher Eignung eigene Beschäftigte, die aufstocken wollen, gegenüber externen Bewerberinnen und Bewerbern bevorzugen. Jedenfalls dann, wenn keine „dringenden betrieblichen Gründe“ dagegen sprechen.