Energiekrise

So steht es um die Gasversorgung

Erdgas ist mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine ein knappes Gut geworden. Wir zeigen, wie viel weniger Gas in Europa ankommt und wie voll die Speicher sind. Auch die aktuellen Daten zu Einsparungen finden Sie hier – täglich aktualisiert.

Versorgungslage Erdgas

Gasspeicher
Sie sind gut gefüllt, gesetzliche Vorgaben und EU-Speicherziele werden erfüllt.

Importe
Ein erheblicher Teil der ausbleibenden russischen Importe kann durch zusätzliches Flüssiggas aus anderen Ländern ersetzt werden.

Verbrauch und Einsparungen
Sowohl Industrie als auch Haushalte in Deutschland benötigen weniger Erdgas als in den Vorjahren.

Preise
Neukundenpreise für Verbraucher sind nach zwischenzeitlichem Anstieg wieder auf Vorkriegsniveau.


Erdgas-Importe

Die Länder der Europäischen Union (EU) importieren insgesamt weniger Erdgas als vor dem Krieg in der Ukraine. Während nur noch sehr wenig russisches Gas über Pipelines nach Europa gelangt, wird deutlich mehr Flüssiggas (LNG) eingeführt als in den Jahren vor dem Krieg.

Der russische Überfall auf die Ukraine führte dazu, dass die Erdgas-Importe nach Europa sukzessive zurückgegangen sind. Nach dem Drosseln der Lieferungen über die Ostseepipeline Nordstream Mitte Juni vergangenen Jahres und dem endgültigen Ausfall der Pipeline Ende August ist ein deutliches Minus an Erdgas-Lieferungen in die Europäische Union im Vergleich zum Vorkrisenniveau zu verzeichnen.

Mehr als 40 Prozent der Erdgas-Importe kamen 2021 per Pipeline aus Russland, knapp ein Viertel aus Norwegen und etwa ein Fünftel erreichte die Europäische Union über den Seeweg in Form von Flüssiggas. Die Lieferungen aus Russland sind infolge des Kriegs in der Ukraine eingebrochen, sie können aber zu großen Teilen durch zusätzliche Lieferungen aus anderen Ländern ersetzt werden.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei mit dem Schiff ankommendes Flüssiggas. Während bestehende Anlagen in ganz Europa stärker genutzt werden, sind seit dem Jahreswechsel mit Wilhelmshaven und Lubmin auch in Deutschland zwei LNG-Terminals in Betrieb – Weitere sind in Planung.

Speicherstände

Das Auffüllen der Speicher hat über den Sommer besser als erwartet funktioniert. Noch im Juli teilte Klaus Müller, der Chef der Bundesnetzagentur, mit, er halte das Ziel eines Füllstands von 90 oder 95 Prozent am 1. November für unrealistisch.

Deutschland erreichte das Ziel im Herbst, wobei sich das gesetzliche Ziel auf jeden einzelnen Speicher bezieht und nicht alle Speicher das Ziel erfüllten. EU-weit lagen die Mengen etwas darunter. Die hohen Füllstände wurden auch durch EU-weite Regeln für Mindestspeicherstände erreicht.

In Europa steht Speicherkapazität für etwa ein Viertel des Jahresbedarfs an Erdgas zur Verfügung – wobei der Bedarf im Winter deutlich höher als im Sommer ist. Die Gasspeicher sind dafür ausgelegt, saisonale Bedarfsspitzen auszugleichen.

Verbrauch und Einsparungen

Um ohne Mangellagen über den Winter zu kommen, muss laut Bundesnetzagentur der Erdgas-Verbrauch um mindestens zwanzig Prozent sinken.

Besonders dynamisch ist der Gasverbrauch bei den Haushalten und im Gewerbe – zusammengefasst als Kleinverbraucher. In den Haushalten wird Erdgas hauptsächlich zum Heizen verwendet, weswegen der Verbrauch im Winter auf ein Vielfaches des Sommerverbrauches steigt. Aktuelle Auswertungen zeigen einen niedrigeren Verbrauch als in den Vorjahren, das Ziel von zwanzig Prozent Einsparung wird aber nicht erreicht.

Der Verbrauch von Haushalten und Gewerbe ist besonders stark von der Temperatur abhängig – niedrige Außentemperaturen führen zu einem hohen Verbrauch und umgekehrt. Ob deutsche Gasverbraucher:innen ihr Heizverhalten tatsächlich geändert haben, zeigen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Open Energy Tracker, die den Verbrauch um die Temperaturschwankungen bereinigen und so die Einsparungen aufgrund von Verhaltensänderungen sichtbar machen:

Auch die Industrie verbraucht seit Monaten konstant weniger Erdgas als in den Vorjahren. Das hängt damit zusammen, dass einige Produkte durch die hohen Erdgaspreise nicht mehr wirtschaftlich hergestellt werden können.

Zum Industrieverbrauch zählt auch die Stromerzeugung aus Erdgas. Über den Sommer gab es hier keine markanten Einsparungen – im Gegenteil, teilweise mussten Ausfälle von Kernkraftwerken in Frankreich durch deutsche Gaskraftwerke kompensiert werden. Im Winter waren in manchen Wochen Einsparungen sichtbar.

Generell erzeugen viele Gaskraftwerke durch Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur Strom, sondern auch Wärme, die in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Das Verstromen von Gas ist damit auch ein wichtiger Faktor bei der Versorgung deutscher Haushalte mit Heizenergie und Warmwasser.

Verbraucherpreise

Ein Grund für die erreichten Einsparungen beim Erdgas war, dass die Verbraucherpreise schon im Herbst 2021 erhöht waren und im Sommer 2022 einen extremen Anstieg verzeichneten. Mit Anfang 2023 sanken sie wieder auf das Niveau vor Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022. Im Vergleich mit Anfang 2021 sind sie aber weiterhin erhöht.

Die Grafik zeigt den durchschnittlichen Preis je Kilowattstunde, den deutsche Haushalte im für sie günstigsten Tarif mit zwölfmonatiger Preisbindung zahlten – gemittelt über alle Landkreise. Nicht berücksichtig werden Bestandskunden. Während die Preise für Neukunden mit Preisbindung zurückgingen, sind die Tarife der Grundversorger zu Jahresbeginn deutlich teurer geworden.

Team
Text Markus Hametner, Oliver Schnuck
Daten Markus Hametner, Sören Müller-Hansen, Oliver Schnuck
Illustration Stefan Dimitrov, Julia Franzsika Kraus