Test

Tief ins Glas geschaut

Industriell gefertigt oder mundgeblasen? Voller oder schlanker Kelch? Die Unterschiede zwischen Weingläsern sind riesig. Wir haben acht Allround-Modelle getestet.

Von Patrick Hemminger
7. Mai 2022 - 6 Min. Lesezeit

Der Markt für Weingläser boomt. In den vergangenen Jahren kamen immer neue Hersteller auf den Markt, von denen jeder von sich behauptet, den ultimativen Genuss zu bieten. Nun liegt der größte Unterschied zunächst in der Fertigung. Mit der Maschine gefertigte Gläser sind in der Regel schwerer, und der Kelch ist etwas dicker als bei mundgeblasenen. Das hat zwei Auswirkungen auf den Wein. Zum einen formt man Zunge und Lippen bei dicken und dünnen Gläsern jeweils anders, wenn man trinkt. Je dünner, umso ruhiger fließt der Wein in den Mund, und umso besser entfaltet sich der Wein im Mund. Zum anderen lassen filigrane Gläser jeden Wein hochwertiger wirken. Ebenso entscheidend ist die Form des Kelches: Sie bestimmt, wie sich die Aromen sammeln und wie der Wein in den Mund fließt. Beides hat enorme Auswirkungen auf Geruch und Geschmack.

Obwohl sich unser Experte Bernhard Meßmer seit fast 20 Jahren professionell mit dem Thema Wein auseinandersetzt, war er überrascht, wie groß die Unterschiede zwischen den Gläsern waren. „Mundgeblasen ist nicht immer ein Garant für großen Genuss“, sagt er. Für unseren Test bewertete er zunächst Haptik und Optik der Gläser. Anschließend wurden fünf verschiedene Weine verkostet: Ein leichter, im Stahltank ausgebauter Weißburgunder aus der Pfalz, ein kräftiger, holzbetonter Chardonnay aus dem Burgund, ein filigraner Spätburgunder aus Baden und eine opulente, rote Cuvée aus der Rioja. Den Abschluss bildete ein Champagner.

Der Experte

Bernhard Meßmer, 50, entstammt einer Pfälzer Winzerfamilie, die in Burrweiler ein renommiertes Weingut betreibt. 2003 gründete er in München „einfach geniessen“. Was damals mit ein paar Weinseminaren begann, ist inzwischen eine über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Institution. Zwölf Expertinnen und Experten geben Seminare zu Wein, Spirituosen und Meßmers Herzensthema, Champagner. 2016 wurde er als „Bester Champagner Ausbilder“ ausgezeichnet. Dieser Titel wird vom offiziellen Dachverband der Champagne an herausragende Kenner dieses Schaumweins verliehen. Außerdem gehören zu „einfach geniessen“ inzwischen ein Weinladen, ein Onlineshop und ein breit gefächertes Programm für Onlineseminare. Gemeinsam mit dem Weinexperten Stefan Metzner betreibt Meßmer zudem das „Weininstitut München“.

Das Unaromatische

Collection Phoenix Bordeaux von Spiegelwand

Fertigung: mundgeblasen

Preis: 44,40 Euro*

Bewertung: 5 von 10 Punkten

„Optisch gefällt es mir sehr gut, das ist ein hübsches Glas mit einer klaren, konischen Form. In der Hand wirkt es aber wie ein maschinengefertigtes Glas, da es recht schwer ist. Außerdem ist es etwas kopflastig und nicht perfekt ausbalanciert. Die Weine kommen in diesem Glas leider überhaupt nicht zur Geltung, es lässt sie nicht strahlen, sie wirken matter, die Frische fehlt. Manche werden in der Aromatik regelrecht zerlegt, alles steht nebeneinander. Für mich die Enttäuschung im Test.“

Das Individuelle

Josephine 2 von Josephinenhütte

Fertigung: mundgeblasen

Preis: 60 Euro*

Bewertung: 7 von 10 Punkten

„Optisch ein superfiligranes und sehr individuelles Glas. Es wirkt stimmig und edel, mir persönlich gefällt es aber nicht so. Außerdem dürfte es wegen der Vertiefung im Stiel schwer zu reinigen sein. Geschmacklich ist es für mich etwas indifferent. Manche Weine schmecken daraus ganz hervorragend harmonisch. Bei anderen betont das Glas bestimmte Elemente. Das kann gut gehen – etwa bei den Rotweinen, da stellt es die Frucht in den Mittelpunkt. Das kann aber auch nicht so gelungen wirken wie beim Champagner, der aus der Josephine sehr säurebetont wirkt.“

Das Klassische

Denk’Art von Zalto

Fertigung: mundgeblasen

Preis: 47,10 Euro*

Bewertung: 10 von 10 Punkten

„Das Denk’Art ist schön ausbalanciert und liegt mit seinen dünnen Stiel toll in der Hand. Auch optisch ist es großartig mit seiner klaren Linienführung – klassisch, einfach, schön. Bei der Verkostung fiel auf, dass vor allem Weiß- und Schaumweine hervorragend rüberkamen. Die Weine wirken im Zalto wie unter einem Brennglas, spannungsgeladen, druckvoll und konzentriert. Aber auch die Rotweine sind hier auf dem Punkt, sie sind allesamt frischer als in den meisten anderen Gläsern. Es fällt auf, dass das Denk’Art am besten von allen mit Holznoten umgeht. Ein ganz wundervolles, klassisches Glas.“

Das Ausbalancierte

Gabriel Glas

Fertigung: maschinell

Preis: 17,85 Euro*

Bewertung: 7 von 10 Punkten

„Optisch wirkt der dicke Stiel des Gabriel-Glases etwas plump im Vergleich zu anderen hier im Test. Aber es ist recht gut balanciert. Mit dem kräftigen Chardonnay tut sich das Glas zwar etwas schwer, da sticht der Alkohol deutlich heraus. Bei allen anderen Weinen aber liegt es weit vorne, das macht Spaß. Und bei diesem Glas muss ich einfach mal auf den Preis hinweisen. Da bekommt man sehr viel für sein Geld, das eignet sich sowohl für zu Hause als auch für die Gastronomie.“

Das Schwergewicht

Exquisit Royal Weißwein von Stölzle

Fertigung: maschinell

Preis: 9,95 Euro* (im 6er-Set)

Bewertung: 4 von 10 Punkten

„Das ist heftig schwer und ziemlich unbalanciert. Der Kelch wiegt so viel, es liegt kippelig in der Hand. In der Pizzeria ist das okay. Aber für zu Hause würde ich das eher nicht nehmen. Beim Schwenken der Weine muss man hier aufpassen, dass nichts danebengeht. Geschmacklich ist das Glas eine Enttäuschung. Die Weine wirken meist maskiert, das kann alles ein. Manchmal denke ich zu Beginn noch, dass das ganz nett ist. Aber kaum ist der Wein aus dem Mund, bleibt ein unschöner, spröder Bitterton zurück. Der einzige Vorteil ist der Preis.“

Das Überraschende

Vervino Allround von Zwiesel

Fertigung: maschinell

Preis: 14,95 Euro*

Bewertung: 6 von 10 Punkten

„Das Glas fasst sich ganz gut an. Der Stiel ist mir etwas zu dick, und es wirkt recht kopflastig, deshalb lässt es sich nicht so gut schwenken. Mir persönlich ist es zu schwer, deshalb würde ich es für zu Hause nicht anschaffen. Aber insgesamt war es eine positive Überraschung, auch Schaumwein kann man daraus gut trinken. Der Kelch hat ein schönes Volumen, die Weine haben Platz. In meinen Augen ist das ein ordentliches Glas für einfache Weine in der Gastronomie, da es die Weine allesamt überraschend gut präsentiert.“

Der Gaumen-Champion

Gabriel Gold Glas

Fertigung: mundgeblasen

Preis: 49,58 Euro*

Bewertung: 9 von 10 Punkte

„Hervorragend. Das Glas ist leicht und filigran, hat unten im Fuß etwas mehr Gewicht, das ist sehr angenehm. Beim Gabriel Gold fällt mir auf, dass die Nase meist etwas schwächer ist als der Gaumen, da ist es für mich das beste Glas im Test. Rieche ich an den Weinen, scheint der eine oder andere etwas verloren, wirkt leiser als in anderen Gläsern. Am Gaumen hingegen ist das einfach richtig gut. Die Weine sind frisch, straff und auf den Punkt. So müssen sich die Winzer das vorgestellt haben.“

Der Preis-Leistungs-Sieger

Definition Universalglas von Spiegelau

Fertigung: maschinell

Preis: 22,45 Euro*

Bewertung: 8 von 10 Punkten

„Dieses Glas ist echt beeindruckend. Es ist sehr filigran, leichter als manch Mundgeblasenes im Test, aber dank der maschinellen Fertigung sehr günstig. Es liegt deutlich besser in der Hand als die anderen Maschinengefertigten und wirkt sehr elegant. Die Weine präsentiert es alle sehr gut, wenn auch nicht herausragend. Das Spiegelau ist die beste Empfehlung für alle, die Wert auf gute Gläser legen, denen die mundgeblasenen aber zu teuer sind.“

Hinweis der Redaktion

*= Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers

Ein Teil der auf dieser Seite vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zur Verfügung gestellt und nach dem Test zurückgeschickt oder gespendet.

Illustration: Dirk Schmidt, Zalto

Fotos: Hersteller

Team
Text Patrick Hemminger