Spargel

Edle Blässe

Um kein Gemüse wird jedes Jahr mehr Gewese gemacht als um Spargel, kein Land in Europa baut mehr davon an als Deutschland. Ein Streifzug durch Kultur, Geschichte und Botanik zum Saisonauftakt.

Von Tobias Bug, Anne Goebel und Marten Rolff
21. April 2023 - 5 Min. Lesezeit

Die Delikatesse

Spargel war schon immer ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten – so etwas spendet Trost in unbehaglichen Zeiten. Der Habsburger-Kaiser Franz I. ließ sich, 1809 in Schloss Wolkersdorf verschanzt auf der Flucht vor Napoleon, täglich frischen Spargel liefern. Dann gab es Points d’asperges (Spargelspitzen) oder überbackene Asperges au gratin. Das umliegende Marchfeld im Weinviertel ist bis heute ein wichtiges Anbaugebiet in Österreich, ähnlich wie Schrobenhausen in Oberbayern oder das Braunschweiger Land. Als Heimat des Gemüsespargels gelten sandige Flusstäler im östlichen Mittelmeerraum, der römische Kaiser Diokletian setzte Höchstpreise fest für die begehrten Stangen – botanisch sind sie die Sprossen der mehrjährigen Pflanze Asparagus officinalis. Man kannte die heilende Wirkung (entwässernd) und schrieb ihnen aphrodisierende Wirkung zu. Dass der bleiche Spargel – grüne und violette Sorten gedeihen oberirdisch – lange ein Edelgericht an Fürstenhöfen blieb, hat mit dem aufwendigen Anbauen (Licht wurde mit übergestülpten Tontöpfen ferngehalten) und Stechen zu tun: Nichts für den einfachen Küchengarten, der eine hart arbeitende Großfamilie satt machen soll. Außerdem, sagt Ingrid Haslinger, funktioniert ja genau das eben nicht: „Spargel hat kaum Kalorien, damit kann man sich nichts hinessen. Er ist ein Elite-Gemüse.“ Die Österreicherin erzählt in ihrem schmalen, aber informativen Spargel-Band (mit vielen Rezepten, Mandelbaum-Verlag) von Wandbildern in Pompeji und der Gourmet-Metropole Paris: Dort lag um 1900 der jährliche Verbrauch bei 200 000 Kilo, in Wien, immerhin Residenz- und Weltstadt, waren es 30 000. Kein Wunder, dass Édouard Manet sein „Spargelbündel“ so liebevoll in Weiß und Violett hintupfte. Und Haslinger zitiert Wilhelm Busch, wie immer dem handfesten Genuss zugetan. „Denn Spargel, Schinken, Koteletts / sind doch mitunter auch was Nett’s.“

Der Anbau

Wenn der Frühling so langsam in Gang kommt, spätestens Anfang Mai, entscheiden die Deutschen, dass nun die Spargelsaison beginnt. Für die Bauern ist das ein Problem, denn so früh können sie bei der hiesigen Witterung noch gar keinen Spargel ernten. Deswegen liegen auf 98 Prozent der Felder Folien, die den Spargel einige Wochen früher erntereif machen. Das entspricht dem Wunsch der Konsumenten, aber der künstliche Wärmehaushalt ist aufwendig, und Umweltschützer kritisieren den massiven Einsatz von Plastik. Durchsichtige Folien sorgen dafür, dass sich der Boden schneller erwärmt, die Erntehelfer stechen den Spargel einfach durch die Plastikschicht hindurch. Die Stangen sind allerdings der Sonne ausgesetzt, die sie violett verfärbt. Weil sich in den Läden weiße Stangen am besten verkaufen, greifen viele Landwirte zur Schwarz-Weiß-Folie: Deren Wärmewirkung variiert, je nach gewählter Außenseite (Schwarz sorgt für höhere Temperaturen), und der Spargel wird vor der Sonne geschützt. Nachteil: Die Folie muss täglich abgedeckt und danach wieder aufgelegt werden.

Diesen Aufwand gibt es bei Christine und Josef Rehm auf ihrem Bio-Spargelhof im bayerischen Schrobenhausen nicht. Sie bauen den Spargel an wie früher: ohne Folie, ohne Maschinen, ohne Pestizide. „Spargel, der unter Folie wächst, hat einen schlechteren Geschmack“, findet Josef Rehm. Auf einem Teil ihrer Felder bauen die Rehms nur alte Sorten an – keine hochgezüchteten niederländischen Hybridsorten, die früher geerntet werden können und doppelten bis dreifachen Ertrag bringen. „Unsere alten Sorten und auch die deutschen Hybridsorten haben deutlich mehr Aroma“, sagt Rehm. Darauf legten seine Kunden großen Wert – dafür nehmen sie in Kauf, dass der Spargel ein paar Wochen später kommt.

Die Zeremonien

Die Deutschen sind verrückt nach Spargel. Sie huldigen ihm mit Namen wie „königliches Gemüse“, „weißes Gold“ und „essbares Elfenbein“, zahllose Städte von Beelitz in Brandenburg bis zum niederbayerischen Abensberg küren jedes Jahr eine Spargelkönigin. Jeder Deutsche vertilgt 1,5 Kilo der weißen, violetten oder grünen Stangen im Jahr – macht insgesamt 127 000 Tonnen. Größtenteils essen die Deutschen heimischen Spargel, mit 21 000 Hektar nimmt kein Gemüse eine größere Anbaufläche ein. Und 120 000 Tonnen machen Deutschland zum größten Erzeuger in Europa, und zwar mit riesigem Abstand zum zweitplatzierten Spanien, das nur etwa die Hälfte anbaut. Ganz gleich, wann die Spargelsaison beginnt, sie endet am 24. Juni, dem Johannistag: „Stich den Spargel nie nach Johanni“, heißt eine Bauernregel. So bleibt der Pflanze genug Erholungszeit, um Kraft für die nächste Saison zu sammeln.

Die Frische

Stangen, die beim Aneinanderreiben quietschen, sich nicht biegen lassen und an der Schnittstelle beim Zusammendrücken Flüssigkeit abgeben: die Test-Methoden beim Einkauf von möglichst erntefrischem Spargel sind vielfältig. Solange kein Schimmelbefall vorliegt (säuerlicher Geruch!), kann das Gemüse auch im nicht ganz taufrischen Zustand verarbeitet werden, wobei der Geschmack kurz nach dem Stechen nun mal am besten ist. Für die Aufbewahrung zu Hause hat sich bewährt, die Stangen in ein feuchtes Tuch zu wickeln und im Kühlschrank zu verstauen. Zusätzliche Frühlingslaune, abgesehen vom ersten Spargelessen, macht das Geschirrtuch von Almedahls mit dem schönen Namen „Picknick“. Der schwedische Traditionshersteller hat das Design aus dem Jahr 1956 von Marianne Westman, ein Klassiker und ursprünglich für ein Porzellanservice entworfen, als Textildruck im Sortiment: ein Arrangement in lichten Farben aus Hering, Kräutern und Gemüsen, darunter auch eine stilisierte Spargelstange – sehr appetitanregend (etwa 16 Euro, almedahlshome.com).

Der Wein

Welcher Wein passt zu Spargel? Wo es nur um das Gemüse geht, werden oft die Rebsorten Silvaner oder Grauburgunder genannt. Milde Frucht, zarte Kräuternoten, zurückhaltende Säure sind viel zitierte Attribute, weil das elegante Stangengemüse umschmeichelt und nicht überflügelt werden soll. Doch weil es – junge Kartoffeln, cremige Hollandaise, rauchiger Schinken, Käse, Fisch – selten um den Spargel allein geht, gilt eine (auch mal kräftige) geschützte Weinspezialität aus Wien ebenfalls als idealer Begleiter für Spargelessen: der Gemischte Satz, Englisch „Field Blend“. Für diese Cuvée wird derselbe Weinberg mit unterschiedlichen Rebsorten bestockt, die gleichzeitig geerntet und zusammen vergoren werden. Die Mischung aus überreifen Trauben (viel Körper), der genau richtig reifen sowie der zu früh gelesenen Trauben (Säure, Frische) sorgen für Spannung. Es geht also um eine Wundertüte, aus der auf magische Weise irgendetwas immer zu passen scheint. Ein von Sommeliers gern genannter Gemischter Satz stammt vom Weingut Wieninger (wieninger.at).

Spargel

Edle Blässe

Um kein Gemüse wird jedes Jahr mehr Gewese gemacht als um Spargel, kein Land in Europa baut mehr davon an als Deutschland. Ein Streifzug durch Kultur, Geschichte und Botanik zum Saisonauftakt.

Die Delikatesse

Spargel war schon immer ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten – so etwas spendet Trost in unbehaglichen Zeiten. Der Habsburger-Kaiser Franz I. ließ sich, 1809 in Schloss Wolkersdorf verschanzt auf der Flucht vor Napoleon, täglich frischen Spargel liefern. Dann gab es Points d’asperges (Spargelspitzen) oder überbackene Asperges au gratin. Das umliegende Marchfeld im Weinviertel ist bis heute ein wichtiges Anbaugebiet in Österreich, ähnlich wie Schrobenhausen in Oberbayern oder das Braunschweiger Land. Als Heimat des Gemüsespargels gelten sandige Flusstäler im östlichen Mittelmeerraum, der römische Kaiser Diokletian setzte Höchstpreise fest für die begehrten Stangen – botanisch sind sie die Sprossen der mehrjährigen Pflanze Asparagus officinalis. Man kannte die heilende Wirkung (entwässernd) und schrieb ihnen aphrodisierende Wirkung zu. Dass der bleiche Spargel – grüne und violette Sorten gedeihen oberirdisch – lange ein Edelgericht an Fürstenhöfen blieb, hat mit dem aufwendigen Anbauen (Licht wurde mit übergestülpten Tontöpfen ferngehalten) und Stechen zu tun: Nichts für den einfachen Küchengarten, der eine hart arbeitende Großfamilie satt machen soll. Außerdem, sagt Ingrid Haslinger, funktioniert ja genau das eben nicht: „Spargel hat kaum Kalorien, damit kann man sich nichts hinessen. Er ist ein Elite-Gemüse.“ Die Österreicherin erzählt in ihrem schmalen, aber informativen Spargel-Band (mit vielen Rezepten, Mandelbaum-Verlag) von Wandbildern in Pompeji und der Gourmet-Metropole Paris: Dort lag um 1900 der jährliche Verbrauch bei 200 000 Kilo, in Wien, immerhin Residenz- und Weltstadt, waren es 30 000. Kein Wunder, dass Édouard Manet sein „Spargelbündel“ so liebevoll in Weiß und Violett hintupfte. Und Haslinger zitiert Wilhelm Busch, wie immer dem handfesten Genuss zugetan. „Denn Spargel, Schinken, Koteletts / sind doch mitunter auch was Nett’s.“

Der Anbau

Wenn der Frühling so langsam in Gang kommt, spätestens Anfang Mai, entscheiden die Deutschen, dass nun die Spargelsaison beginnt. Für die Bauern ist das ein Problem, denn so früh können sie bei der hiesigen Witterung noch gar keinen Spargel ernten. Deswegen liegen auf 98 Prozent der Felder Folien, die den Spargel einige Wochen früher erntereif machen. Das entspricht dem Wunsch der Konsumenten, aber der künstliche Wärmehaushalt ist aufwendig, und Umweltschützer kritisieren den massiven Einsatz von Plastik. Durchsichtige Folien sorgen dafür, dass sich der Boden schneller erwärmt, die Erntehelfer stechen den Spargel einfach durch die Plastikschicht hindurch. Die Stangen sind allerdings der Sonne ausgesetzt, die sie violett verfärbt. Weil sich in den Läden weiße Stangen am besten verkaufen, greifen viele Landwirte zur Schwarz-Weiß-Folie: Deren Wärmewirkung variiert, je nach gewählter Außenseite (Schwarz sorgt für höhere Temperaturen), und der Spargel wird vor der Sonne geschützt. Nachteil: Die Folie muss täglich abgedeckt und danach wieder aufgelegt werden.

Diesen Aufwand gibt es bei Christine und Josef Rehm auf ihrem Bio-Spargelhof im bayerischen Schrobenhausen nicht. Sie bauen den Spargel an wie früher: ohne Folie, ohne Maschinen, ohne Pestizide. „Spargel, der unter Folie wächst, hat einen schlechteren Geschmack“, findet Josef Rehm. Auf einem Teil ihrer Felder bauen die Rehms nur alte Sorten an – keine hochgezüchteten niederländischen Hybridsorten, die früher geerntet werden können und doppelten bis dreifachen Ertrag bringen. „Unsere alten Sorten und auch die deutschen Hybridsorten haben deutlich mehr Aroma“, sagt Rehm. Darauf legten seine Kunden großen Wert – dafür nehmen sie in Kauf, dass der Spargel ein paar Wochen später kommt.

Die Zeremonien

Die Deutschen sind verrückt nach Spargel. Sie huldigen ihm mit Namen wie „königliches Gemüse“, „weißes Gold“ und „essbares Elfenbein“, zahllose Städte von Beelitz in Brandenburg bis zum niederbayerischen Abensberg küren jedes Jahr eine Spargelkönigin. Jeder Deutsche vertilgt 1,5 Kilo der weißen, violetten oder grünen Stangen im Jahr – macht insgesamt 127 000 Tonnen. Größtenteils essen die Deutschen heimischen Spargel, mit 21 000 Hektar nimmt kein Gemüse eine größere Anbaufläche ein. Und 120 000 Tonnen machen Deutschland zum größten Erzeuger in Europa, und zwar mit riesigem Abstand zum zweitplatzierten Spanien, das nur etwa die Hälfte anbaut. Ganz gleich, wann die Spargelsaison beginnt, sie endet am 24. Juni, dem Johannistag: „Stich den Spargel nie nach Johanni“, heißt eine Bauernregel. So bleibt der Pflanze genug Erholungszeit, um Kraft für die nächste Saison zu sammeln.

Die Frische

Stangen, die beim Aneinanderreiben quietschen, sich nicht biegen lassen und an der Schnittstelle beim Zusammendrücken Flüssigkeit abgeben: die Test-Methoden beim Einkauf von möglichst erntefrischem Spargel sind vielfältig. Solange kein Schimmelbefall vorliegt (säuerlicher Geruch!), kann das Gemüse auch im nicht ganz taufrischen Zustand verarbeitet werden, wobei der Geschmack kurz nach dem Stechen nun mal am besten ist. Für die Aufbewahrung zu Hause hat sich bewährt, die Stangen in ein feuchtes Tuch zu wickeln und im Kühlschrank zu verstauen. Zusätzliche Frühlingslaune, abgesehen vom ersten Spargelessen, macht das Geschirrtuch von Almedahls mit dem schönen Namen „Picknick“. Der schwedische Traditionshersteller hat das Design aus dem Jahr 1956 von Marianne Westman, ein Klassiker und ursprünglich für ein Porzellanservice entworfen, als Textildruck im Sortiment: ein Arrangement in lichten Farben aus Hering, Kräutern und Gemüsen, darunter auch eine stilisierte Spargelstange – sehr appetitanregend (etwa 16 Euro, almedahlshome.com).

Der Wein

Welcher Wein passt zu Spargel? Wo es nur um das Gemüse geht, werden oft die Rebsorten Silvaner oder Grauburgunder genannt. Milde Frucht, zarte Kräuternoten, zurückhaltende Säure sind viel zitierte Attribute, weil das elegante Stangengemüse umschmeichelt und nicht überflügelt werden soll. Doch weil es – junge Kartoffeln, cremige Hollandaise, rauchiger Schinken, Käse, Fisch – selten um den Spargel allein geht, gilt eine (auch mal kräftige) geschützte Weinspezialität aus Wien ebenfalls als idealer Begleiter für Spargelessen: der Gemischte Satz, Englisch „Field Blend“. Für diese Cuvée wird derselbe Weinberg mit unterschiedlichen Rebsorten bestockt, die gleichzeitig geerntet und zusammen vergoren werden. Die Mischung aus überreifen Trauben (viel Körper), der genau richtig reifen sowie der zu früh gelesenen Trauben (Säure, Frische) sorgen für Spannung. Es geht also um eine Wundertüte, aus der auf magische Weise irgendetwas immer zu passen scheint. Ein von Sommeliers gern genannter Gemischter Satz stammt vom Weingut Wieninger (wieninger.at).

Team
Text Tobias Bug, Anne Goebel, Marten Rolff
Bildredaktion Julia Hecht
Digitales Storytelling Christian Helten