„The Crown“

Diana und die anderen königlichen Gespenster

In der neuen Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ taucht die Princess of Wales angeblich als Geist auf. Die Aufregung ist groß, aber warum eigentlich? Das Herumspuken verblichener Monarchen hat in Großbritannien Tradition. Ein Blick ins royale Gruselkabinett.

„The Crown“

Diana und die anderen königlichen Gespenster

In der neuen Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ taucht die Princess of Wales angeblich als Geist auf. Die Aufregung ist groß, aber warum eigentlich? Das Herumspuken verblichener Monarchen hat in Großbritannien Tradition. Ein Blick ins royale Gruselkabinett.

10. November 2023 - 5 Min. Lesezeit

Vor dem Start der sechsten und letzten Staffel von „The Crown“ auf Netflix am 16. November hat im Vereinigten Königreich das Gerücht für Aufregung gesorgt, die 1997 tödlich verunglückte Lady Diana werde darin als Geist auftauchen. Laut – wie stets mit Vorsicht zu genießenden – Berichten der britischen Boulevardpresse ist unter anderem ihr Sohn William „angeekelt“ von der Vorstellung einer Diana-Erscheinung, die in der Serie posthum Gespräche mit Prinz Charles und Königin Elizabeth II. führt.

„The Crown“-Autor Peter Morgan hat sich gegen die Kritik verteidigt und im Magazin Variety zu Protokoll gegeben, er habe sich den Auftritt „nie als Dianas ‚Geist‘ im herkömmlichen Sinne vorgestellt“. Vielmehr sei es darum gegangen, dass sie in den Köpfen der Hinterbliebenen weiterlebe. „Diana war einzigartig, und ich nehme an, das hat mich dazu inspiriert, einen einzigartigen Weg zu finden, sie darzustellen“, so Morgan.

Dabei ist eine solch defensive Haltung ganz unnötig, denn ein Diana-Gespenst würde sich nahtlos in die Ahnenreihe royaler Geistererscheinungen in England einfügen. In der Geschichte des britischen Königshauses spukt es an allen Ecken und Enden. Hier eine Auswahl:

Anne Boleyn

Die Kopflose

Die zweite Frau von König Henry VIII., Königin Anne Boleyn, wurde am 19. Mai 1536 im Tower of London mit dem Schwert enthauptet, nachdem sie von ihrem Mann des Ehebruchs und des Inzests mit ihrem Bruder beschuldigt worden war. Bis heute streift Annes ebenso kopf- wie ruheloser Geist in der Nähe der Hinrichtungsstätte umher. Sie wurde auch an der Spitze einer Prozession geisterhafter Höflinge in der königlichen Kapelle St. Peter und Vincula gesichtet. Dort liegt sie unter dem Altar begraben.

Jane Seymour

Die Stille

Der Palast Hampton Court war einst Lieblingswohnsitz Henrys VIII., aber auch Schauplatz traumatischer Szenen. Königin Jane Seymour, die heißgeliebte dritte Frau des Monarchen, starb dort 1537, nur wenige Tage nach der Geburt des kurzlebigen Thronfolgers Edward. Alljährlich zum Jahrestag von Edwards Geburt am 12. Oktober soll Jane in Form einer stillen, bleichen Gestalt mit brennender Kerze auf den Silverstick Stairs auftauchen, einer Treppe, die einst zu dem Zimmer führte, in dem Jane entband und verschied.

Catherine Howard

Die Laute

Der Geist Catherine Howards, Henrys Ehefrau Nummer fünf, wird in Hampton Court nicht nur häufiger gesichtet als der ihrer Vorgängerin, er ist Berichten zufolge auch weitaus lauter als der von Jane Seymour. Howard wurde 1542 im Alter von 19 Jahren im Tower wegen Ehebruchs und Verrats enthauptet. Der Legende zufolge riss sie sich nach ihrer Verhaftung in Hampton Court kurzzeitig von ihren Bewachern los, rannte durch die heute (ihretwegen) so genannte „Haunted Gallery“ (Spukgalerie) und bat den König, der in der Palastkapelle betete, schreiend um Gnade. Die Wachen schleppten sie fort, sie sah Henry nie wieder. Angeblich wiederholt ihr gemarterter, lauthals um Mitleid bettelnder Geist diesen verzweifelten Spurt seitdem des Öfteren.

Henry VIII.

Der Hinkende

Windsor Castle gilt als meistbespukte Residenz der britischen Königsfamilie. So kann Henry VIII. seine schreiende Ex-Frau Catherine wahrscheinlich schon deshalb nicht hören, weil er rund 25 Kilometer weiter westlich selbst durch die Dean’s Cloisters geistert, einen verglasten Kreuzgang in Windsor Castle. Angeblich humpelt der überaus fettleibige Monarch – die Folge seiner Gicht, die ihn offenbar bis ins Reich der Untoten verfolgt hat. Kein Wunder, dass er laut Berichten „wütend und polternd auf und ab geht“.

Elizabeth I.

Die Allgegenwärtige

Auch Henrys Tochter Elizabeth I. spukt in Windsor, und zwar in der Royal Library. Man hört das Klackern ihrer hohen Absätze auf den Dielen, bevor ihre imposante Gestalt erscheint und durch die Bibliothek schreitet. Ihre Namensvetterin Elizabeth II. hat davon berichtet, in ihrer Jugend selbst Zeugin dieser Erscheinung gewesen zu sein. Ihr Vater George VI. wiederum will die Tudor-Königin kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sogar an acht aufeinanderfolgenden Abenden gesehen haben.

Charles I.

Der Bücherwurm

König Charles I. verlor 1649 bekanntermaßen sein Haupt durch das Henkersbeil. Das prädestiniert ihn geradezu für ein Nachleben als Gespenst. Dieses hat es sich in Oxford häuslich eingerichtet, wahrscheinlich, weil die Universitätsstadt im Englischen Bürgerkrieg lange eine Hochburg der Royalisten war. So ist Charles von Studenten in den Korridoren des Christ Church College gesehen worden. In einigen Fällen erkannten sie ihn daran, dass er kopflos war. Aber auch in der Bodleian Library, der Zentralbibliothek der Universität, soll der Geist des Königs bisweilen auftauchen. Im Jahre 1645 hatte der damalige Bibliothekar John Rouse den Antrag des Königs auf Leihe einer Weltgeschichte des französischen Chronisten Agrippa d’Aubigné abgelehnt, es handle sich bei der Bodleian Library schließlich um eine Präsenzbibliothek. Womöglich rebelliert der König nun posthum gegen dieses Ausleih-Verbot. Charles’ Geist laufe nachts im Upper Readig Room herum, heißt es. Er nehme das besagte Buch aus dem Regal, lese nur eine einzige Zeile und stelle es dann wieder zurück.

George III.

Der Sehnsüchtige

Der möglicherweise an Porphyrie leidende „Mad King“ George, der dritte Hannoveraner auf dem englischen Thron, erscheint in Windsor ein Stockwerk tiefer als Elizabeth I., direkt unter der Bibliothek. Hier war der aufgrund der psychischen Erkrankung regierungsunfähige König in seinem letzten Lebensjahrzehnt oft eingesperrt. Angeblich kann man von außen sehen, wie George III. sehnsüchtig aus dem Fenster schaut. Der im Jahr 1820 verblichene König wurde aber nicht nur in diesem Zimmer, sondern auch in einem Schlafgemach des Schlosses gesichtet, und zwar – ähnlich wie Diana in „The Crown“ – kurz nach seinem Tod, als er noch aufgebahrt lag. Einer seiner Armeeoffiziere sah während der Parade der Schlosswache den König an seinem Schlafzimmerfenster stehen. Instinktiv gab er den Soldaten den Befehl „Die Augen rechts!“, woraufhin alle den Kopf zum Palast wendeten und die Gestalt des Königs an seinem alten Platz die Parade abnehmen sahen. Angeblich erwiderte George sogar den Salut der Garde.

Victoria

Die Naturfreundin

König Edward VIII. dankte 1936 zugunsten seines Bruders George ab, um die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson heiraten zu können. Bevor klar war, dass Edward als Herzog von Windsor nicht weiter in Windsor residieren würde, hatte Mrs. Simpson ambitionierte Pläne für die Umgestaltung des Schlossparks. Ein massiver Eingriff wäre die Entfernung alter Bäume gewesen, die der Urgroßvater ihres Liebhabers, Prinz Albert, gepflanzt hatte. Doch der Plan wurde nie in die Tat umgesetzt, da die Holzfäller es mit der Angst bekamen: Niemand anders als der offenkundig empörte Geist Königin Victorias, die Albert und seine Fichten abgöttisch geliebt hatte, soll sie armwedelnd und grauenhaft stöhnend vertrieben haben.

Redaktion und digitales Storytelling: Nadeschda Scharfenberg, Bildredaktion: Niklas Keller