Jugendsprache
Wer smash sagt, ist hip
Seit 2008 wird in Deutschland das „Jugendwort des Jahres“ gekürt. Dieses Jahr ist es „smash“, eine Art modernes „Geil“. Doch nichts ist flüchtiger als die Jugend und ihre Ausdrücke. Nur eines bleibt konstant: Die Jugend definiert sich über das, was angesagt ist, was sie gut oder eben „smash“ findet. Daher blicken wir noch einmal zurück auf Wörter, die einst für das Lebensgefühl einer oder mehrerer Generationen standen. Ausdrücke, die den Titel „Jugendwort des Jahres“ allemal verdient gehabt hätten, wenn es ihn damals denn schon gegeben hätte.

Kein anderes, noch immer gebräuchliches Jugendwort dürfte über eine ältere Geschichte verfügen als „geil“. Seine Wurzeln sind wohl indogermanisch, seit dem 15. Jahrhundert wird damit auf die sexuelle Begierde angespielt – ein wesentlicher Grund dafür, dass der Ausdruck im deutschsprachigen Raum noch heute recht beliebt ist. Auch seine traditionelle Verwendung in der Botanik (für senkrecht nach oben stehenden Triebe eines Baumes) gibt dem Wort eine Süffisanz, an den der aktuell bei der Jugend beliebte, onomatopoetische Ausdruck „Smash“ (wörtlich: zertrümmern, Slang-Bedeutung: jemanden abschleppen) in seiner Vielschichtigkeit nicht heranreicht. Und so dürfte „geil“ auch in den kommenden Jahren noch ziemlich steil gehen, denn egal ob man damit Erregung, Attraktivität oder Versessenheit ausdrücken möchte (karriere-, geld- und machtgeil) – sexuell konnotierte Wortspiele gehen immer.

Geht es gerade irgendwo heiß zu, so ist derjenige zu beneiden, der einen kühlen Kopf bewahrt, also „cool“ bleibt. Kühle, das vergisst man in Tagen des Gaspreisdeckels gerne, muss nicht unbedingt was Schlechtes sein. Und so preist die Musikwelt bis heute das Album „Birth of the cool“ des Jazztrompeters Miles Davis (1926-1991). Denn „Cool Jazz“ war weniger extrovertiert wie Bebop, aus dem er hervorging, und gerade deshalb besonders. Als gebräuchliche Metapher für einen Gefühlszustand ist „cool“ in England bereits für das 18. Jahrhundert belegt, in Deutschland soll es in den 1990er-Jahren gar das am häufigsten verwendete Adjektiv des Jahrzehnts gewesen sein. Ein Erfolg, der „kühl“ bis heute verwehrt geblieben ist.

Hip hat weder etwas mit der englischen Hüfte zu tun (und somit auch nichts mit dem Hip-Hop), noch mit der Babynahrung, dem Einzigen, was bei frischen Eltern noch wirklich hip(p) ist, wie die Wise Guys sangen. Es kommt vielmehr von „hep“ und beschrieb als solches in der afro-amerikanischen Jazz-Szene der 1920er-Jahre alles, was angesagt war. Als „hip“ schlich sich das Wort in den folgenden Jahrzehnten auch in die Jugendsprache der Weißen ein und schließlich aus den USA hinaus. Am Wörtchen „hip“ lässt sich wunderbar studieren, wie Jugendsprache über Abgrenzung und Aneignung funktioniert: Wer sich im Amerika der 50er-Jahre für modern und hip hielt, nannte sich Hipster und wurde von Konservativen als Hippie belächelt. Die Hipster wiederum nannten Möchtegern-Hipster ebenfalls Hippies. Die friedliebende Jugend der 60er, aus der Hipsterbewegung entwachsen, nahm den Begriff kurzerhand an und bezeichnete sich selbst als Hippies. Der Hipster dagegen geriet vorerst in Vergessenheit, ehe er Anfang des 21. Jahrhunderts plötzlich mit Vollbart, Undercut und Jutebeutel wieder auftauchte und nach Club Mate fragte.

In keinem Kinderbuch taucht das Wörtchen „prima“ (französisch: chouette) häufiger auf als in der deutschen Übersetzung von „Der kleine Nick“, wo es Anfang der 1970er-Jahre grundsätzlich für alles steht, was eine glückliche Kindheit ausmacht: Glasmurmeln, Fußball, Fahrrad, Astronautenkostüme oder Röhrenfernseher. Ältere Gymnasiastinnen und Gymnasiasten besuchten damals noch erst die „Unterprima“ und dann die „Oberprima“. Die Freudenschreie „Prima!“ und „Klasse!“ stammen also gewissermaßen aus der Schule. Offenbar ging man früher dort wesentlich lieber hin als in den heutigen Zeiten des etwa vom bayerischen Schulministeriums vorgegebenen MINT-Lehrplans.

Jemanden bärig zu finden, muss nicht bedeuten, dass derjenige stark und haarig ist. Der, die oder das Beschriebene kann auch einfach großartig sein. Vor allem im Süden des deutschsprachigen Raums ist das Wort nach wie vor verbreitet. Ein berühmter Verwender ist Hansi Hinterseer – bei dem 68-jährigen Tiroler ist der Begriff sowohl geografisch als auch generationell genau richtig verortet. Was die Wenigsten wissen: Ursprünglich kommt „bärig“ nicht vom Teddy-, Braun- oder Schwarzbär, sondern vom mittelalterlichen Begriff für Zuchteber. Noch heute wird das männliche Schwein von so manchem Bayern, Schwaben oder Österreicher Bär oder Saubär genannt. Bärig hieß früher also: dass ein Schwein paarungsbereit ist. Ist das nicht bockstark, um nicht zu sagen: saugeil?

Dufte wäre wohl schon längst ausgestorben, gäbe es nicht wortspielfreudige Journalisten, die es im Titel über nahezu jedem Text zu Blumen oder Parfums unterzubringen. Als „duftes Mädchen“, wie der Duden als Beispielsatz vorschlägt, will heute jedoch wohl keine Frau mehr bezeichnet werden, so wie vermutlich wenige von Götz Alsmann besungen werden möchten mit: „Du bist dufte / Herrin aller Kaffeekassen / Du kannst Dich auch von hinten sehen lassen.“ Das Jugendwort der 60er-Jahre stammt vom Jiddischen „toff“, was etwa gleichzeitig ebenfalls zum Modewort avancierte und so viel wie „gut“ heißt. Doch „dufte“ blieb in der Luft: Noch 1991 fand Nina Hagen „Berlin ist dufte“, und zwar so sehr, dass es offenbar einen Song dazu brauchte. Und auch Götz Alsmann besang „die Königin in unserem Büro“ in seinem Lied „Dufte“ erst 1999.

Dass Claire Waldoff cool war, würde man wohl heute noch unterschreiben, auch wenn sie selbst wohl eher „knorke“ gesagt hätte. Die Kabarettistin und Chanson-Sängerin trug Krawatte, die Haare kurz, rauchte und fluchte auf der Bühne und prägte die lesbische Szene im Berlin der 20er-Jahre. Und sie sagte und sang gern das Wörtchen „knorke“, das zum ersten Mal in den 1910er-Jahren auftauchte. „Die Knorkitis wütete“, schrieb Kurt Tucholsky im Jahr 1924 und erklärte das Wort damals schon wieder für tot. Helmut Schmidt entging das wohl, denn er war da erst fünf, und knorke blieb trotzdem ein prägender Ausdruck seiner Kindheit, wie er in einem anderen Jahrtausend mal in einem Interview erzählte.

Famos schreibt sich ursprünglich „Fameux“ und hat im Französischen die Bedeutung „berühmt“, was hierzulande bereits von Influencern des 19. Jahrhunderts mit „großartig“ gleichgesetzt wurde. Heute wird „famos“ ausschließlich von FAZ-Feuilletonisten, Besuchern der Bayreuther Wagner-Festspiele, Militaria-Sammlern sowie (allerdings ironisch) vom Sänger Max Raabe verwendet. Gebräuchlicher dürfte aktuell noch das etwa ebenso alte „Grandios“ sein, welches sich vom Italienischen „Grandioso“ herleitet und damit als Interjektion nicht ganz so wilhelminisch daherkommt wie sein famoser Bruder.
