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Zu Besuch beim Nachbarn:Warum Szydło und Merkel keine Freunde sind

Lesezeit: 2 min

Von Stefan Braun, Berlin

Wer wollte, konnte am Freitag in Berlin zwei politischen Freundinnen bei der Arbeit zusehen. Wer höfliche Rhetorik mag und Gemeinheiten ignorieren kann, lauschte beim Besuch der polnischen Ministerpräsidentin im Kanzleramt vor allem den schönen Botschaften. Angela Merkel und Beata Szydło sprachen so oft von "gemeinsamen Zielen", von "gemeinsamen Anstrengungen" und vom "einig sein" in vielen Fragen, dass man glatt von einer neuen deutsch-polnischen Allianz träumen konnte.

Wer sich von derlei Floskeln dagegen nicht blenden lassen mochte, wurde Zeuge eines Auftritts zweier Frauen, die derzeit nicht viel gemein haben. Das zeigte sich vor allem bei der Frage, ob die beiden beim Umgang mit der Flüchtlingskrise an einem Strang ziehen. Belege dafür? Mangelware! Stattdessen prallten an der Stelle weiter zwei Ansichten aufeinander, die nicht zusammen passen. Sicher, beide betonten, dass die Kooperation mit der Türkei wichtig sei. Und sie erklärten, dass für die Sicherung der Außengrenzen das gleiche gelte. Aber als Szydło gefragt wurde, ob Polen bereit sei, Deutschland mit seinen mehr als einer Million Flüchtlinge zu helfen, antwortete sie, Warschau tue sehr viel, um das Leid rund um Syrien zu lindern. Das sollte solidarisch klingen, hatte mit echter Solidarität aber wenig zu tun, weil Szydło Merkels größtes Problem, das zu Hause, schlicht ignorierte. Und nicht nur das: Vor dem Treffen hatte Szydło erklärt, bei den Flüchtlingen werde eine Kehrtwende unumgänglich, die Lage in Deutschland sei "außer Kontrolle" geraten. Solche Urteile kann man abgeben. Aber Freundschaft dürfte daraus kaum wachsen. Und so klammerten sich die Damen am Freitag an alle möglichen anderen Themen, um die Flüchtlinge in Deutschland auszuklammern. Profiteur davon war der Brite David Cameron. Selten ist der Name des Königreichs auf einer Berliner Pressekonferenz so oft gefallen, obwohl kein einziger Brite auftrat. Merkel und Szydło erklärten in zahlreichen Variationen, wie wichtig es jetzt sei, "alles zu tun, um Großbritannien einen Verbleib in der EU" möglich zu machen. Mal war es die eine, dann wieder die andere, die betonte, man wolle Cameron "gute Argumente" an die Hand geben, damit er seine Bevölkerung überzeugen könne. Eine derart vehemente Unterstützung dürfte Cameron lange nicht mehr erlebt haben.

Darüber hinaus erinnerten die beiden Regierungschefinnen daran, dass Polen und Deutschland im Juni den 25. Jahrestag des Nachbarschaftsvertrags begehen werden. Beide kündigten an, dass die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen fortgesetzt werden. Hier wäre das Gegenteil eine Botschaft gewesen. Außerdem betonten beide, dass man sich künftig verstärkt um die Polen in Deutschland und die deutsche Minderheit in Polen kümmern wolle.

Und dann kam die Rede auf George Clooney

Schließlich, und das ist an diesem Tag die einzige neue Initiative, wollen Warschau und Berlin auf Vorschlag von Szydło ein gemeinsames Hilfsprojekt für Syrien-Flüchtlinge im Nahen Osten starten. Ins Auge gefasst wird der Bau eines Krankenhauses. Offen ist, ob das in Syrien, in der Türkei, im Libanon oder in Jordanien gemacht wird. Am Ende gab es den üblichen Handschlag vor Fotografen.

Davor war Merkel nach ihrem zweiten Gast an diesem Tag gefragt worden - dem US-Schauspieler und NGO-Finanzier George Clooney. Betont nüchtern erzählte sie, man habe über Kooperationen in der Flüchtlingsfrage gesprochen. Dabei lächelte sie plötzlich. Und sagte dann, quasi zum Abschied, bei einer so großen Herausforderung wie der Flüchtlingskrise könne man nicht nach sechs oder sieben Monaten sagen, ob man gescheitert sei oder Erfolg habe. Es klang wie eine Kampfansage.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2016
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