Süddeutsche Zeitung

Linken-Vize Wawzyniak:"Rot-Rot-Grün? Wir arbeiten daran"

Lesezeit: 3 min

Die Chefs von Linkspartei, SPD und Grünen zoffen sich - die Jüngeren wie Halina Wawzyniak basteln an Rot-Rot-Grün. An neuralgischen Punkten wie dem Afghanistan-Einsatz dürfte ein Linksbündnis 2013 nicht scheitern, erklärt die Linken-Vize.

Oliver Das Gupta

Halina Wawzyniak, Jahrgang 1973, ist als 16-Jährige in die PDS eingetreten. Seitdem engagierte sich die Berlinerin in mehreren Funktionen in ihrer Partei, unter anderem managte sie die Fusion von PDS mit WASG zur Linken. Wawzyniak sitzt im Bundestag, außerdem ist sie stellvertretende Parteivorsitzende. Gemeinsam mit anderen jüngeren Politikern engagiert sich die Anwältin in der sogenannten Oslo-Gruppe. Dort loten Vertreter von Linkspartei, Grünen und PDS eine Kooperation der Parteien aus.

sueddeutsche.de: Frau Wawzyniak, "Andere Mehrheiten sind möglich", heißt eine Überschrift aus dem Positionspapier, das Sie gemeinsam mit Sozialdemokraten, Grünen und anderen Linken unterzeichnet haben. Bevor wir über Inhalte reden, eine Frage vorweg: Warum haben Sie es am Abend der Wahl des neuen Bundespräsidenten vorgestellt? Das ging im Tohuwabohu doch völlig unter.

Halina Wawzyniak: Wir haben nicht ernsthaft für möglich gehalten, dass sich die Wahl so hinziehen würde. Schwarz-Gelb hatte eine klare Mehrheit. Wir dachten: Nach dem ersten Wahlgang ist die Sache entschieden, dann feiert man gemeinsam auf dem rot-rot-grünen Sommerfest und stellt das Papier "Das Leben ist bunter" vor.

sueddeutsche.de: Gerade die Wahl, der Zwist um die Causa Gauck, vertiefte die Gräben zwischen Rot-Grün und der Linken. Grünen-Chefin Claudia Roth attestiert den Linken gar "Politikunfähigkeit".

Wawzyniak: Dieser Streit wird von den Parteioberen geführt und nicht von den Unterzeichnern des Papiers. Die Konflikte werden von einer Politiker-Generation geführt, die geprägt ist von den Auseinandersetzungen der rot-grünen Jahre. Es ist offenkundig, dass viele Abneigungen auf der persönlichen Ebene angesiedelt sind. Aber das sind eben die "Älteren". Die zoffen sich, wir Jungen reden miteinander.

sueddeutsche.de: Solcher Streit wundert wenig: Viele frühere Sozialdemokraten tummeln sich nun in ihrer Partei, und Oskar Lafontaine mischte bei der Wahl wieder munter im Berliner Polit-Betrieb mit.

Wawzyniak: Die Gruppe, die das Thesenpapier unterzeichnet hat, ist anders: Wir sind junge Politiker, treffen uns seit einigen Monaten regelmäßig und versuchen, den Blick nach vorne zu richten. Das Papier soll eine Diskussionsgrundlage sein für alle drei Parteien, aber auch für die Zivilgesellschaft. Die Bevölkerung soll mitdiskutieren und sich einbringen. Nur so finden wir auch heraus, ob, wie und wann ein rot-rot-grünes Projekt funktionieren kann. Gemeinsamkeiten gibt es viele und die vorhandenen Differenzen lassen sich überwinden.

sueddeutsche.de: Die Knackpunkte für die Linke haben Lafontaine, Gysi und Co. immer wieder formuliert: Abkehr von der Agenda-Politik und dem Afghanistan-Einsatz. Gerade Letzteres ist für die SPD der Beweis, dass Dunkelrot für eine Koalition im Bund nicht in Frage kommt. Wie wollen Sie diese Hürden überwinden?

Wawzyniak: Was Afghanistan betrifft, kann ich nur darauf verweisen, dass die SPD im Jahre 2013 den Bundeswehr-Einsatz beendet haben will. Wir sagen: Sofort raus. Ich möchte allerdings auch darauf hinweisen, dass die kommende Bundestagswahl vermutlich erst im Jahr 2013 stattfindet. Falls es dann eine Mehrheit für das linke Lager gibt, dürfte es also an der Afghanistan-Frage kaum scheitern.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie den Zank um Hartz IV entschärfen?

Wawzyniak: Auch hier lassen sich sicherlich Lösungen finden. In der Linken diskutieren wir ja auch noch darüber, ob ein Grundeinkommen oder doch eine repressionsarme Mindestsicherung das bessere Modell wäre. Und was den Mindestlohn, die ökologische Erneuerung und den Ausbau plebiszitärer Elemente angeht, sehe ich ohnehin große Gemeinsamkeiten mit SPD und Grünen.

sueddeutsche.de: Und was ist mit der Gretchenfrage: Die Linke und die DDR? SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagt, die Linke haben ein ungeklärtes Verhältnis zum DDR-Unrecht und zum Parlamentarismus.

Wawzyniak: Alle Linken-Politiker, die dieses Papier unterzeichnen haben, neigen in keiner Weise zur Nostalgie. Es ist unumstritten: Die DDR war kein Rechtsstaat. Wir wollen sie auch nicht wiederhaben.

sueddeutsche.de: Das sehen einige Ihrer Parteifreunde anders. Was sagen Sie denen?

Wawzyniak: Leider gibt es diejenigen, ja. Aber diese Leute sind deutlich in der Minderheit, der Tenor in der Linken ist ein anderer. Es gibt zig Parteitagsbeschlüsse: über das Unrecht in der DDR, über die Offenlegung der politischen Biographie. Das ist Parteilinie und das ist gut so.

sueddeutsche.de: Sie und Ihre Mitstreiter werden es dennoch denkbar schwer haben, die Kluft zu Rot-Grün zu überwinden.

Wawzyniak: Leicht ist es nicht, aber es ist möglich. Alle drei Parteien haben in der Vergangenheit Fehler gemacht, und jeder hat sein Päckchen zu tragen. Aber wir sollten uns nicht im Gestern verlieren. Die Probleme von heute drängen zu sehr, um nicht an Morgen zu denken.

sueddeutsche.de: Ist Rot-Rot-Grün im Jahre 2013 im Bund möglich?

Wawzyniak: Wir arbeiten dran. Entscheidend ist aber, den gesellschaftlichen Rückhalt dafür zu erreichen.

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