Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsmacht China:Pekings Pflichten

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Wie sollen globale Zukunftsfragen mit einem Regime diskutiert werden, das in den Denkmustern der vergangenen Jahrhunderte verharrt? Es ist nun an der Zeit, China klarzumachen, dass es kein armes Entwicklungsland mehr ist, und dass wirtschaftlicher Erfolg auch Verpflichtungen mit sich bringt.

Henrik Bork

China hat die internationale Klimakonferenz erfolgreich torpediert. Es ist wichtig, das festzuhalten. Dabei geht es nicht allein um eine Schuldzuweisung. Das Scheitern von Kopenhagen ist zwar tragisch, doch die Welt wird es verkraften. In Bonn und Mexico-Stadt wird es neue Chancen geben.

Wer sich aber künftig erfolgreiche internationale Verhandlungen wünscht, der kommt um eine nüchterne Analyse des Debakels nicht herum. Ohne Chinas Kooperation sind globale Probleme nicht mehr zu lösen, und genau daran hat China die Welt gerade auf sehr unangenehme Weise erinnert.

Sowohl die globale Halbierung von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 als auch ihre Reduzierung um achtzig Prozent in den Industrieländern sind an Chinas Veto gescheitert. Englands Minister für Klimawandel, Edward Miliband, hat Pekings Rolle in Kopenhagen daher zu Recht kritisiert. Internationale Verhandlungen dürften künftig nicht mehr den "Geiselnahmen" einiger weniger Länder zum Opfer fallen, forderte der Brite.

China hat alle enttäuscht, die sich viel von Pekings Einbindung in internationale Organisationen und Debatten versprochen hatten. Den Wunsch nach Kooperation statt Konfrontation hatte auch US-Präsident Barack Obama bei seinem ersten Besuch in der Volksrepublik kürzlich überbracht.

Aber wie soll Washington, wie soll die Weltgemeinschaft mit einem Staat zusammenarbeiten, der sich trotz wachsender wirtschaftlicher Macht politisch verweigert? Wie sollen globale Zukunftsfragen mit einem Regime diskutiert werden, das in den Denkmustern eng definierter Nationalinteressen der vergangenen Jahrhunderte verharrt?

Pekings Unterhändler haben in Kopenhagen ebenso zielstrebig wie brutal in eigener Sache agiert. Bindende Reduktionsziele hat die kommunistische Partei als Bedrohung für Chinas wirtschaftliche Entwicklung und damit als Bedrohung für ihre eigene Macht identifiziert. So erfolgreich war sie nun mit ihrer diplomatischen Obstruktionspolitik, dass sie Verbindlichkeiten zum Klimaschutz auf lange Zeit auch für viele andere Länder verhindert hat.

Wenn es um internationale Wirtschafts- oder Währungsfragen geht, möchte Peking mittlerweile gerne auf Augenhöhe mit den Industriestaaten verhandeln. In Kopenhagen aber, wo es auch um eigene Vorleistungen ging, hat Peking sich schleunigst wieder im Lager der Entwicklungsländer versteckt.

Es ist nun an der Zeit, China unmissverständlich klarzumachen, dass es kein armes Entwicklungsland mehr ist, und dass wirtschaftlicher Erfolg auch Verpflichtungen mit sich bringt.

Zwar haben Chinas Politiker recht, wenn sie die historische Verantwortung der entwickelten Länder für die bisherige Erderwärmung anführen. Niemand bestreitet, dass Europa und die USA eine größere politische und finanzielle Vorreiterrolle beim Klimaschutz übernehmen sollten. Doch dieses Argument gibt Peking nicht das Recht, selbst moderate Klimapakte mit Totalverweigerung zu Fall zu bringen.

China ist nicht nur in absoluten Zahlen der weltweit größte Verursacher von Treibhausgasen. Auch die zweite wichtige Schutzbehauptung Pekings in Kopenhagen, dass Chinas Bürger pro Kopf nur ungefähr ein Fünftel der Emissionen der Amerikaner produzierten, schrumpft in ihrer Substanz ähnlich schnell wie die Gletscher in Tibet.

In den entwickelten Küstenprovinzen Chinas wachsen die Emissionen auch pro Kopf so rasch, dass sich das Argument, Peking sei nur ein kleiner Sünder, innerhalb weniger Jahre buchstäblich in Luft auflösen wird. Wenn immer mehr Chinesen einen ähnlichen Lebensstandard erreichen wie Europäer und Amerikaner, was ihnen von Herzen gegönnt sei, dann haben auch immer mehr von ihnen eine historische Verantwortung für künftige Generationen.

Um die Chinesen zur Zusammenarbeit zu zwingen, und dies ist eine der Lehren aus Kopenhagen, sind bilaterale Gespräche nicht mehr ausreichend. Weder Barack Obama mit seinem Schmusekurs, noch einzelne europäische Länder konnten China beim Klimaschutz an Bord holen. Die USA und Europa müssen ihre China-Politik künftig koordinieren, wenn sie nicht in vielen Fragen von strategischer Bedeutung nur noch den chinesischen Standard akzeptieren wollen.

Konzertierter politischer Druck

Bei fast allen Problemen mit globaler Reichweite, nicht nur beim Klima, wird nur konzertierter politischer Druck auf Peking zu Fortschritten führen. Dazu zählen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft durch Chinas künstlich unterbewertete Währung, oder Pekings Schutz für anrüchige Regime wie in Birma und Sudan.

Das Gleiche gilt für die Forderung an Peking, Patente ausreichend zu achten und so ausländische Hersteller von Solarzellen oder Windturbinen vor Produktpiraten zu schützen. Chinas Unterhändler haben in Kopenhagen massive Finanzhilfen für den ökologischen Umbau ihrer Wirtschaft gefordert. Solche Gelder dürfen künftig nur dann fließen, wenn volle Transparenz bei ihrer Verwendung gewährleistet ist.

Chinas Auftreten in Kopenhagen wird hoffentlich nicht ohne Folgen bleiben. Das Land, das sich international zunehmend selbstbewusster gibt, muss auch selbst viel stärker als bisher in die Verantwortung genommen werden.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2009
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