Süddeutsche Zeitung

Wahl in den Niederlanden:Türkischer Außenminister: "In Europa beginnt bald ein Krieg der Religionen"

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Von Deniz Aykanat

Während in Europa viele Menschen aufatmen, weil der befürchtete Sieg des Rechtspopulisten Geert Wilders ausgeblieben ist und ein Auseinanderbrechen der EU abgewendet scheint, sehen Politiker und Medien in der Türkei überhaupt keinen Unterschied zwischen Wilders' PVV und der VVD von Ministerpräsident Mark Rutte, die stärkste Kraft wurde. Für den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu steht seit seiner verweigerten Einreise in das Land fest, dass alle Niederländer Feinde der Türkei sind - egal für welche Partei sie gestimmt haben.

Viele verschiedene Parteien seien ins Parlament gewählt worden. "Aber zwischen dem Faschisten Wilders und den Sozialdemokraten gibt es überhaupt keinen Unterschied. Die haben alle dieselben Absichten", wird Çavuşoğlu in der türkischen Zeitung Hürriyet zitiert. "Sie werden Europa zum Kollabieren bringen, sie werden Europa an den Abgrund bringen. Bald wird in Europa ein Krieg der Religionen ausbrechen. Wenn die Europäer nur ein Gramm Schamgefühl hätten, könnten sie sich nicht mehr selbst ins Gesicht sehen."

Eine "kalte Dusche der Türkei für diejenigen in Holland, die sich einbilden, triumphiert zu haben" nennt das die regierungstreue türkische Zeitung Sabah.

"Die Türkei hat den Wahlen in den Niederlanden den Feinschliff gegeben"

Ministerpräsident Binali Yıldırım klingt da ganz anders, wenngleich auch er den Ausgang der Wahl sehr speziell auslegt: "Schaut euch diese Wahl an. Die Türkei hat den Wahlen in den Niederlanden den Feinschliff gegeben. Für ein wenig länger wurde der Rassismus in Europa gebremst."

BBC Türk zufolge sind 34 Prozent der niederländischen Wähler der Meinung, dass die Art und Weise, mit der Rutte die diplomatische Krise mit der Türkei managte, seiner Partei zu mehr Stimmen verholfen hat. Hürriyet und viele andere Medien berichten dementsprechend über das "Türkei-Detail der Holland-Wahl".

Auch Erdoğan stand auf dem Wahlzettel

Eine der ersten Verlautbarungen des frischen Wahlsiegers VVD ging in Richtung Türkei. Die niederländische Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert teilte mit, dass man die Spannungen mit der Türkei abbauen wolle. Sabah macht daraus: "Holland gibt nach".

Wie schwierig nun die Regierungsbildung in den von einem zersplitterten Parteienspektrum geprägten Land werden wird, interessiert die türkischen Medien noch recht wenig. Man schießt sich lieber auf mehr "Türkei-Details" ein. Zum Beispiel auf die beiden türkeistämmigen niederländischen Politiker Tunahan Kuzu und Selçuk Öztürk, Gründer der Migranten-Partei Denk (Niederländisch für "denken, Türkisch für "gleich"), die auf drei Sitze kam.

Beide waren früher eigentlich Abgeordnete der PvdA, der Arbeiterpartei. Sie wurden 2014 aus der Partei ausgeschlossen, nachdem sie dem damaligen Sozialminister Lodewijk Asscher die Gefolgschaft versagten. Sie warfen ihm vor, mit seiner Integrationspolitik Migranten in den Niederlanden zu Bürgern zweiter Klasse zu degradieren. Sabah widmet Kuzu und Selçuk gleich eine ganze Schlagzeile und nennt sie "Die ausgeschlossenen Türken". In Siegerpose werden die beiden neben Rutte und Wilders abgebildet, die gerade mit gesenkten Köpfen ihr TV-Duell beenden.

Daneben interessieren sich die türkischen Medien vor allem für einen niederländischen Wahlzettel, auf den unter den zur Wahl stehenden Kandidaten jemand den Namen des türkischen Präsidenten gekritzelt hat. Mit angekreuztem Kästchen daneben.

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