Süddeutsche Zeitung

Vorherrschaft am Persischen Golf:Weshalb der Jemen-Konflikt eine ganze Region destabilisiert

Lesezeit: 3 min

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es ist mehr als 200 Jahre her, dass der Stamm der Saud die ersten Schlachten mit dem Imamat der Zaiditen um die Vorherrschaft im Süden der Arabischen Halbinsel schlug. So gesehen steht die Intervention des sunnitischen Königreichs im benachbarten Jemen gegen die schiitische Huthi-Miliz in einer langen historischen Linie; die Huthis sind die Erben dieses Imamats.

In Jemen und wohl auch in Saudi-Arabien hegt mancher den Verdacht, die schiitischen Zaiditen wollten mit tatkräftiger Unterstützung aus Iran letztlich das theokratische Regime wieder errichten, das ihnen mehr als 1000 Jahre die Macht über Teile des heutigen Jemen gesichert hatte und erst 1962 in der Revolution zu Fall kam.

Angst vor iranischer Vormacht

Das ist Saudi-Arabien mit seinem Anspruch als regionale Vormacht der Golfmonarchien und des sunnitischen Islam nicht bereit hinzunehmen - auch wenn die Realität weit komplexer sein mag. Hier treibt die Wahrnehmung die Politik, dass in Gestalt der Miliz die Islamische Republik, selbst erklärte Schutzmacht der Schiiten, und der wichtigste regionale Rivale drauf und dran ist, nach Beirut, Damaskus und Bagdad die vierte arabische Hauptstadt zu übernehmen.

Anspruch auf regionale Dominanz: Saudische Soldaten bei einer Parade.

Bild der Zerstörung: Szene aus der jemenitischen Hauptstadt Sanaa nahe des Flughafens nach einem Luft-Angriff Saudi-Arabiens.

Riad hat Jemen immer als Hinterhof betrachtet. In Riad gab es seit den Sechzigerjahren ein beim 2011 verstorbenen Verteidigungsminister Sultan bin Abdul Aziz angesiedeltes eigenes Komitee, das die Jemen-Politik steuerte. Es gibt Brüche und Richtungswechsel - die Konstante aber war immer, Einfluss im Nachbarland zu wahren.

Viele Jahre stand Jemen unter dem Einfluss der Saudis

Das Königreich trug maßgeblich dazu bei, Ali Abdullah Saleh 1978 in Nordjemen als starken Mann zu installieren. Die Saudis spielten eine Rolle bei der Vereinigung des Landes im Jahr 1990, überwarfen sich mit Saleh wegen dessen Unterstützung für Saddam Husseins Invasion in Kuwait.

Sie intervenierten im Bürgerkrieg 1994 aufseiten der Sezessionisten im Süden. Doch blieb auch danach ihr Einfluss in Sanaa bestehen - und die Verbindung zu Saleh. 2012 waren es wiederum die Saudis, die ihn mit mächtigem Druck dazu bewegten, aus dem Amt zu scheiden. Bis heute ist der Ex-Präsident in Jemen aber eine Schlüsselfigur im Kampf um die Macht, nach wie vor gebietet er über loyale Einheiten im Militär.

In den Nuller-Jahren treten Sicherheitsinteressen in den Vordergrund

Das macht die Situation kompliziert, ist aber nur ein Beispiel, wie Riad in wenigen Jahren verspielt hat, was in Jahrzehnten aufgebaut worden war. Für die Saudis ging es Mitte der Nuller-Jahre zunehmend weniger um jemenitische Innenpolitik als um Sicherheitsfragen. 2009 verschärfte sich die Bedrohung durch al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, als sich die Terrorfilialen in Jemen und dem Königreich zusammentaten. Ein Attentäter versuchte im gleichen Jahr, den heutigen Vize-Kronprinzen und Innenminister Mohammed bin Nayef zu ermorden.

Bis heute baut Saudi-Arabien an einem milliardenteuren High-Tech-Grenzzaun, um sich vor Unbill aus dem unruhigen Nachbarland abzuschotten. Zugleich unterstützt Riad den in Jemen unpopulären Drohnenkrieg der USA gegen al-Qaida.

Nach dem Arabischen Frühling kappten die Saudis dann viele ihrer traditionell engen Bande zur islamistischen Islah-Partei, die mit der Muslimbruderschaft eng verbandelt ist, und den mit ihr verbundenen Stämmen.

Sie reduzierten ihre finanziellen Zuwendungen, mit denen sie sich zuvor ein breites Spektrum politischer Akteure in Jemen gewogen gehalten hatten und setzten stattdessen voll auf Salehs Nachfolger, Abd Rabbo Mansur Hadi, und dessen Unterstützer unter den Stämmen und im Militär. "In den vergangenen Jahren gab es keine Jemen-Politik in Riad, da war nur Chaos", beschreibt ein hochrangiger Diplomat aus der Region die Situation. Sinnbild dafür war, dass der verstorbene König Abdallah 2013 das Jemen-Komitee auflöste.

Zustimmung in der Arabischen Liga zum Eingreifen gilt als sicher

Als sich nun die Huthis bis zum Flughafen von Aden vorgekämpft hatten, war Hadi ohne Intervention nicht mehr zu halten. Saudi-Arabien hatte diese nicht nur militärisch vorbereitet, was augenfällig wurde, als massive Truppenverbände an der Grenze auffuhren, sondern auch diplomatisch: Die Golfstaaten - wohl mit Ausnahme Omans - beteiligen sich an dem Eingreifen ebenso wie Ägypten, Jordanien und Sudan.

Beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga am Wochenende in Scharm el-Scheich dürfte die Zustimmung einhellig ausfallen; auch Hadi wird erwartet. Die Amerikaner sind in einer "gemeinsamen Planungszelle" und mit "logistischer Unterstützung" beteiligt - gemessen an ihrer einstigen Rolle in der Region bleiben sie draußen vor der Tür.

Annäherung zwischen USA und Teheran fördert Misstrauen

Saudi-Arabien füllt zunehmend selbstbewusst und aggressiv seine regionale Führungsrolle aus. Washington hat zwar lange gefordert, dass die Golfstaaten sich stärker um ihre Sicherheit kümmern, dies mit seiner Annäherung an Iran aber auch herausgefordert - und viel Einfluss verspielt.

Den sich anbahnenden Atomdeal mit Teheran sehen die Herrscher in Riad ebenso kritisch wie Israels Premier Benjamin Netanjahu. Misstrauisch verfolgen sie die stillschweigende Kooperation zwischen den einstigen Erzfeinden im Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak und Äußerungen von US-Außenminister John Kerry, dass man letztlich mit Syriens Diktator Baschar al-Assad reden müsse. Saudi-Arabien wird nicht tatenlos zusehen, wie sich das Kräfteverhältnis in der Region neu tariert. Riad räumt erst mal den Hinterhof auf, aber das wird nur der Anfang sein.

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SZ vom 27.03.2015
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