Süddeutsche Zeitung

UN-Gipfel in New York:Warum die Vereinten Nationen nicht ausgedient haben

Lesezeit: 3 min

Von Stefan Ulrich, München

Einen besseren Auftakt hätten sich die Vereinten Nationen nicht wünschen können. Unmittelbar vor ihrem größten Gipfeltreffen aller Zeiten in New York kam aus Washington eine überraschende Nachricht: Der chinesische Präsident Xi Jinping werde noch am Freitag mit seinem Gastgeber, dem US-Präsidenten Barack Obama, ehrgeizige und vor allem konkrete Schritte gegen die Erderwärmung präsentieren. Das könnte den UN, die bisweilen wie gelähmt von all den Weltproblemen wirken, zumindest beim Klimaschutz einen Schub verleihen.

Dem Weißen Haus zufolge hat sich Peking nach langen Verhandlungen bereit erklärt, ein nationales Emissionshandelssystem einzuführen. Es soll 2017 starten, den Verbrauch von Kohle für chinesische Firmen teurer machen und so den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids verringern. Außerdem will China erneuerbaren Energien den Vorrang geben und arme Staaten mit zusätzlich gut drei Milliarden Dollar unterstützen, damit diese mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz zu entfalten.

Obama möchte als Umweltschützer in die Geschichte eingehen

Der US-Präsident dankte Xi bei dem gemeinsamen Auftritt für die Ankündigung, Treibhausgase zu reduzieren. Wenn die Führer der beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt einen gemeinsamen Weg fänden, gäbe es für andere Staaten "keinen Grund", dies nicht ebenfalls zu tun. Der Auftritt Xis und Obamas war ein Signal an die 160 Staats- und Regierungschefs, die von Freitag bis Sonntag im UN-Hauptquartier am East River über den Zustand der Erde und ein Weltentwicklungsprogramm für die kommenden 15 Jahre sprechen.

Xi schiebt offenbar nicht mehr die Rolle Chinas als Entwicklungsland vor, um beim Klimaschutz zu mauern. Das dürfte auch am Druck chinesischer Bürger liegen, die die Luft ihrer Städte nicht länger ertragen. Obama möchte seine Amtszeit mit dem Abschluss eines globalen Pakts beim Weltklimagipfel Ende des Jahres in Paris krönen und so als Umweltschützer in die Geschichte eingehen. Ziel des geplanten Vertrages ist es, die Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Das Thema prägt auch das derzeitige UN-Gipfeltreffen in New York. Politiker wie Kanzlerin Angela Merkel und Papst Franziskus versuchen dort, die Staats- und Regierungschefs auf Klimaschutz einzuschwören.

Den vor 70 Jahren gegründeten Vereinten Nationen wird oft vorgeworfen, sie seien hyperbürokratisch, zerstritten, sündteuer und uneffektiv. Manche, besonders in den USA, würden sie gern abschaffen. Vor allem der UN-Sicherheitsrat wird gescholten, weil er es nicht einmal ansatzweise schafft, für Weltfrieden zu sorgen. Dennoch zeigt sich gerade in dieser Zeit, in der die Welt, wie der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier meint, "aus den Fugen geraten" ist, wie wichtig die UN sind.

In einer Welt, in der alles mit allem zusammenhängt, in der Klimawandel und Unterentwicklung zu Konflikten führen, und in der Konflikte unzählige Flüchtlinge hervorbringen, sind die Einzelstaaten überfordert. Extremer Nationalismus, religiöser Fanatismus und Staatszerfall werden zur Gefahr für alle Länder. Sie müssen zusammen handeln. Papst Franziskus lobte am Freitag die Erfolge der Vereinten Nationen als "Lichter, die sich gegen das Dunkel der Unordnung abheben". Ohne die UN, so der Papst, hätte die Menschheit "den unkontrollierten Gebrauch der eigenen Möglichkeiten eventuell nicht überlebt".

Der Völkerklub bewegt sich doch

Die Schwerfälligkeit der UN ist dennoch oft zum Verzweifeln. Doch gerade jetzt zeigt der Blick auf den Völkerklub: Er bewegt sich doch, und das nicht nur beim Klima. In New York haben die Staats- und Regierungschefs am Freitag eine "Agenda 2030" beschlossen, um Hunger und Armut zu besiegen, Reichtum gerechter zu verteilen und die Welt so zu organisieren, dass sie künftigen Generationen erhalten bleibt. Das sind hehre Worte auf geduldigem Papier. Doch die UN haben bereits in den vergangenen 15 Jahren bewiesen, dass sie wenigstens einen Teil ihrer Entwicklungsziele erreichen können, etwa im Kampf gegen Hunger, für Schulbildung und gegen die Kindersterblichkeit.

Vor allem aber dienen die Vereinten Nationen als Forum, auf dem sich Mächte begegnen, die sich sonst aus dem Weg gehen oder bekämpfen. Am Montag wollen sich Barack Obama und der russische Präsident Wladimir Putin am Rand der UN-Versammlung treffen. Der Amerikaner möchte über die Ukraine sprechen, der Russe über Syrien. Eine Aussöhnung ist nicht in Sicht. Aber vielleicht werden die beiden doch gemeinsame Interessen ausloten, etwa bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors.

Oft geht es in der UN-Familie eben nur in kleinen Schritten vorwärts. Da hilft es, sich an ein Wort des früheren UN-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld zu erinnern, der einmal sagte: "Die UN wurden nicht geschaffen, um die Menschheit in den Himmel zu führen, sondern um sie vor der Hölle zu retten."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2664709
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.09.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.