Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Mehr Frauen, mehr Ökologie

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Konservative Kleriker fürchten, der Papst könne bei der Amazonas-Synode die ganze Kirche umbauen.

Von Oliver Meiler, Vatikanstadt

So viel fiebriges Flimmern war schon lange nicht mehr im Vatikan, so viel böser Streit auch nicht. Sogar von der Gefahr eines Schismas in der katholischen Kirche ist die Rede. Wenn der Papst an diesem Sonntag die dreiwöchige Sondersynode zu Amazonien eröffnet, kommt dem dramatischen Schicksal des Regenwalds und den dort lebenden indigenen Völkern am Ende jedoch nur eine beigeordnete Rolle zu. In konservativen Klerikerkreisen glaubt man, dass unter dem Deckmantel einer "Ökotheologie" die reine Kirchenlehre unterwandert werde, das Zölibat etwa, oder die Rolle der Frau. Eine "Häresie" sei das, sagte Kardinal Raymond Burke, der Wortführer der Traditionalisten und Gegenspieler von Franziskus. Die angebliche "Irrung" könne zur Spaltung führen.

Es ist dies eine denkwürdige Entwicklung. Als der Papst vor zwei Jahren beschloss, eine Synode einzuberufen, die seiner Umwelt- und Sozialenzyklika "Laudato si" einen praktischen Rahmen gibt, konnte er nicht ahnen, wie brennend aktuell die Frage tatsächlich sein würde zum Tagungstermin. Greta Thunberg, die junge schwedische Klimaaktivistin, reiste damals noch nicht als Großprominente mit Zug und Segelboot durch die halbe Welt. Und Jair Bolsonaro war noch nicht Präsident Brasiliens. In diesem August brannte nun der brasilianische Amazonas dermaßen stark, dass das Bischofstreffen plötzlich wie eine zeitliche Punktlandung anmutete.

In seinen jüngsten Auftritten hörte man Franziskus immer wieder eindringlich warnen. "Die Entwaldung Amazoniens bedeutet, die Menschheit zu töten", sagte er zum Beispiel. Der Regenwald des Amazonas, insgesamt 7,5 Millionen Quadratkilometer groß und verteilt auf neun Länder der Region, sei die "Lunge des Planeten" und also überlebenswichtig. Der Ton war so kämpferisch, dass sich die brasilianische Regierung gegen eine Einmischung in ihre Angelegenheiten wehrte. "Die Bischöfe wollen uns den Amazonas wegnehmen", sagte Bolsonaro, gewohnt undiplomatisch. Die Kirche gibt jetzt recht undiplomatisch zurück. "Uns gibt es im Amazonas schon seit mehr als vier Jahrhunderten", sagte Kardinal Claudio Hummes, Erzbischof von São Paulo und Hauptreferent der Synode, bei der Vorstellung der Tagung diese Woche im Vatikan.

Zum Treffen sind 185 Teilnehmer geladen, dazu gehören 17 Vertreter der rund drei Millionen Indigenen aus den neun Ländern Amazoniens. Die Sondersynode steht unter dem Titel "Amazonien - neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie". Für Debatten sorgen die theologischen Passagen im Arbeitsdokument. Es ist ein Büchlein, 140 Seiten dünn, in dem alle Ideen gesammelt sind, die in der langen Vorbereitungsphase zusammengekommen sind. Die Kirche organisierte dafür 260 Informations- und Diskussionsveranstaltungen, überall in der Region. 80 000 Menschen haben daran teilgenommen. Das sei etwas aussagekräftiger als eine Umfrage, sagte Hummes. Ein Vorschlag aus der Basis: Um dem Priestermangel zu begegnen, soll geprüft werden, ob in entlegenen Gebieten auch ältere, gläubige und angesehene Familienväter zur Priesterweihe zugelassen werden könnten, so genannte Viri probati.

Für Konservative ist das ein Versuch, das Zölibat gewissermaßen durch die Hintertür zu verwässern und einen Präzedenzfall im Amazonas zu schaffen, der dann einmal für die ganze Universalkirche gelten könnte. Der frühere deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller sprach von einer "Theologia indigena", er nannte sie eine "Kopfgeburt von Sozialromantikern". Für den Amerikaner Burke ist schon das Nachdenken in solchen Fragen so gefährlich, dass er zu einem "Kreuzzug des Gebets und des Fastens" aufrief.

Während der Synode wird auch darüber diskutiert, ob die Rolle der Frau im Kirchenleben "ein bisschen mehr institutionalisiert" werden soll, wie es Kardinal Lorenzo Baldisseri beschrieb, der Generalsekretär der Bischofssynode. Auch diese Forderung sei laut geworden bei den Vorgesprächen. Wie genau ein solches Rollenmodell aber aussehen könnte, sagte Baldisseri nicht. Überhaupt sei eine Synode ja nur da, große Fragen zu erörtern.

Die Erkenntnisse fließen dann in ein Schlussdokument, das lediglich konsultativen Charakter hat. Der Papst kann sie übernehmen oder eigene Schlüsse ziehen, er ist da ganz frei. Allen wird er es nicht recht machen können: Gibt er einem Wandel statt, zieht er den Zorn der Traditionalisten auf sich; lehnt er allen Wandel ab, enttäuscht er die Progressiven. Und so gilt diese Sondersynode zu Amazonien vielen als eine Art Bilanzveranstaltung dieses bewegten Pontifikats, im sechsten Jahr schon. Danach sollte man wissen, ob Franziskus, bald 83 Jahre alt, als Reformer in die Geschichte eingeht. Oder eben eher nicht.

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SZ vom 05.10.2019
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