Süddeutsche Zeitung

USA:Wanted: Santa

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Amerikanische Firmen und Einkaufszentren suchen händeringend nach Weihnachtsmännern. Doch der Arbeitsmarkt für rundliche Männer mit Rauschebart ist komplett leer gefegt.

Von Claus Hulverscheidt

Der Legende nach hatten die Amerikaner im Jahr 1981 schon einmal Ärger mit dem Weihnachtsmann und dessen Personal, nur regierte damals im Weißen Haus ein Mann, der nicht lange fackelte. Als die Elfen, die Väterchen Frost beim Einpacken von Millionen Geschenken helfen sollten, die Arbeit niederlegten und höhere Löhne verlangten, schritt Präsident Ronald Reagan beherzt ein, feuerte die grazilen Geisterwesen und ersetzte sie kurzerhand durch einen Trupp Fluglotsen, der gerade ebenfalls streikte und deshalb nichts zu tun hatte. Weihnachten war gerettet - so jedenfalls schildert es der Comic "Bloom County", der den Amerikanern in den Achtzigern gern augenzwinkernd ihr Spiegelbild vorhielt.

40 Jahre später ist die Lage womöglich noch ernster, denn diesmal ist nicht die Belegschaft das Problem, sondern Sankt Nikolaus höchstselbst. Sogar das Wall Street Journal, das es in Sachen Seriosität sicher mit "Bloom County" aufnehmen kann, orakelte mit Blick auf die anstehenden Feiertage jüngst düster: "Kommt Santa Claus in die Stadt? Vielleicht nicht!"

Schuld ist diesmal kein Streik, sondern - wie sollte es anders sein - das vermaledeite Virus, das schon in Restaurants, der Pflege und im Einzelhandel zu Fachkräftemangel führte und nun auch den Arbeitsmarkt für Weihnachtsmänner leer gefegt hat: Wo sonst Hunderte Kandidaten mit runden Bäuchen, weißen Bärten und roten Mänteln nur darauf warten, Kinder und Arbeitnehmer, Behördenmitarbeiter und Besucher von Einkaufszentren mit ihrem "Ho, ho, ho" zu erfreuen und zugleich die eigene Rente aufzubessern, suchen die Vermittlungsstellen im Land diesmal händeringend nach Bewerbern. Oftmals müssen die Agenturen Kunden vertrösten, manche Firmen haben gar die Weihnachtsfeier in den Januar verschoben, weil "Santa" vorher keine Zeit hat.

Die Gründe für den Mangel sind vielfältig. Manche Gelegenheitsnikoläuse haben sich zur Ruhe gesetzt, andere sind - wie so viele Millionen Amerikaner - während der Pandemie umgezogen, etwa in die Nähe der Kinder, und haben sich am neuen Wohnort noch bei keiner Agentur gemeldet. Das wichtigste Motiv aber dürfte ein anderes sein: Vorsicht. Weihnachtsmanndarsteller sind per Definition zumeist ältere Herren mit Übergewicht und womöglich Vorerkrankungen - jene Gruppe also, die nach Ansicht der Virologen besonders achtgeben sollte, sich möglichst nicht mit Corona zu infizieren. Viele Santa-Veteranen bleiben daher dieses Jahr daheim und verzichten auf das Zubrot.

Die, die sich dennoch zum Dienst melden, haben dagegen erst einmal gut lachen. Denn wie das so ist in der Heimstatt des Kapitalismus, steigt mit knapper werdendem Angebot der Preis. Manche Weihnachtsmänner auf dem Land kassieren deshalb in diesem Jahr Stundenlöhne von 80 Dollar, in den großen Städten sind es oft gar mehrere Hundert. Dafür sind umgekehrt die Arbeitszeiten happig: Das erste "Ho, ho, ho" erschallt oft morgens um acht, das letzte abends um neun Uhr.

Erstaunlich ist, dass die Republikaner die Chance bisher nicht nutzen, um Präsident Joe Biden die Sache in die Schuhe zu schieben. Vielleicht wissen sie insgeheim aber auch: Diese Santa-Krise könnte wohl nicht einmal der große Ronald Reagan lösen.

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